Zur Geschichte von Koblenz-Oberwerth
Der moderne Koblenzer Stadtteil Oberwerth ist ein Ergebnis des Koblenzer Stadtausbaus, der ab dem Jahr 1889 die Grenzen der bisherigen Festungsstadt in westlicher und südlicher Richtung erweiterte. Dabei kam es, neben der Entstehung des Stadtteils Goldgrube sowie der Südlichen Vorstadt, auch zu einer Wiederbesiedlung des nördlichen Teils der Rheininsel Oberwerth, die in die neue Stadtstruktur einbezogen wurde. Die Neubesiedlung des Gebietes stellte dabei eine Besiedlungskontinuität wieder her, die mindestens vom Hochmittelalter bis zur Säkularisation des Jahres 1802 durch einen Klosterbau gewährleistet worden war. Spätestens seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist die unter dem Patronat der Jungfrau Maria und des Heiligen Matthias stehende Abtei benediktinisch. Ab dem Jahr 1143 wird der kirchenpolitische Einfluß des Erzbischofes von Trier in der Personalpolitik des Klosters spürbar. Die Abtei erhält in den folgenden Jahrhunderten reiche Ausstattung durch Bürger von Koblenz sowie durch begüterte Ministeriale und Geistliche. Im Rahmen der Säkularisationsmaßnahmen des Jahres 1802 werden die Nonnen aus dem Inselkloster vertrieben; die Gebäude verfallen zu Ruinen. Erst die industrielle Revolution erlaubte die Wiederbesiedlung der Insel vom nördlich gelegenen Koblenz her. Das Reichsrayongesetz des Jahres 1871 hatte zuvor das Wachstum der auf Druck der fortschreitenden industriellen Entwicklung auf städtebauliche Expansion drängenden rheinischen Festungsstädte stark eingeschränkt; erlaubte es doch im Umkreis der Festungsanlagen nur in eingeschränktem Maße Fachwerkbauten. Einflussreiche Kreise der Koblenzer Bürgerschaft erkannten die darin liegende Problematik noch bevor das industrielle Wachstum seinen Höhepunkt erreichte; Angesichts des massiven Bevölkerungswachstums (die Einwohnerschaft von Koblenz hatte sich zwischen den Jahren 1816 und 1880 von 14.042 auf 29.282 Einwohner mehr als verdoppelt) schien die Schleifung der Festungsbauten und eine moderne Erweiterung des Stadtgebiets als wünschenswerte Option. Bereits in den späten Siebzigerjahren wuchs also der Widerstand in der Koblenzer Bürgerschaft gegen die Baubeschränkungen, wobei erste Konzepte über eine mögliche Stadterweiterung zustande kamen. Die Errichtung einer Eisenbahnbrücke entlang der Strecke Berlin-Metz auf der Insel Oberwerth, die die Insel bis heute in Nord-Süd-Richtung teilt sowie ein scharfes Baugesetz von 1878, das drei Jahre später wieder zurück genommen werden musste, verdeutlichten das bestehende Problem. Die preußische Regierung reagierte ab dem Jahr 1886 auf die veränderte geopolitische Lage und stufte die Stadt Koblenz zur „minderwertigen Großfestung“ herunter: Ein bedeutender Schritt für die Verteidiger der Stadterweiterungsidee, der im Wesentlichen auf der Verschiebung der Westgrenze des Reichs an die Vogesen und der Aufwertung der Festungen Straßburg und Metz geschuldet war. Die endgültige Aufgabe der gesamten Stadtbefestigung erfolgte am 13. März des Jahres 1890. Es war einer der anerkanntesten Stadtplaner seiner Zeit, Josef Stübben (1845-1936), zuvor bereits mit der Kölner Stadterweiterung beauftragt, der im Auftrag der Stadt einen neuen Bebauungsplan des aufgegebenen Festungsgeländes entwickelte, was die nördliche Häfte von Oberwerth einschloss. Es kam jedoch aufgrund finanzieller Engpässe bloß zur Umsetzung einer vereinfachten Version der Planungen. Auch wenn die Stadterweiterung im Ganzen zur vollsten Zufriedenheit der Stadtoberen geschah und die neuen Baugrundstücke schnell vergriffen waren, lief insbesondere die Bebauung von Oberwerth schleppend an: Erst 10 Jahre nach dem Beginn der Stadterweiterung in der Südlichen Vorstadt setzte die Bautätigkeit auch auf der Rheininsel ein. Bis zum Jahr 1908 waren aber nur 5 Baublöcke errichtet worden. Auf der südlichen Inselhälfte befanden sich zu diesem Zeitpunkt neben einem im Jahre 1885 errichteten Wasserwerk noch einige gärtnerische Betriebe sowie drei Wohnhäuser, eine Sportstädte (das heutige Stadion Oberwerth) und die Reste der barocken Klosterkirche der vornapoleonischen Ära; die Benennung von 19 Straßen erfolgte ein Jahr darauf. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurden einige Villen nördlich der Richard-Wagner-Straße sowie ein Pionierübungsplatz (das heutige Freibad) erbaut. Davon abgesehen beherbergte der Nordteil der Insel bis in die Zwanziger Jahre hinein, als es zu einer verstärkten Bautätigkeit aufgrund der grassierenden Wohnungsnot kam, nur einige verstreute Häuser. Der Zweite Weltkrieg brachte für Oberwerth das Ende seiner Insellage mit sich, als man die Bruchsteine von zerstörten Koblenzer Stadthäusern zur Zuschüttung der Rheinlache verwendete.
Quelle: Dellwing: Stadt Koblenz. Südliche Vorstadt und Oberwerth, s. rechte Spalte; red. Bearb. K.H.