Burg Reichenberg
Graf Wilhelm von Katzenelnbogen begann kurz nach seiner Vermählung 1284 mit dem Bau einer Burg. Schon 1289 verpfändete Graf Adolf von Nassau dem Grafen Ulrich von Hanau seinen Anteil an der Burg. Dieser war ihm vermutlich 1288 beim Tod seiner Mutter Adelheid (einer Tochter Diether II. von Katzenelnbogen und Wilhelms Tante) zugefallen. Wahrscheinlich hat Wilhelm diesen vielleicht zurückgekauft. Als die Burg im „Zollkrieg“ 1302 von König Albrecht I. zerstört wurde, war sei ganz in katzenelnbogischer Hand gewesen.(Lotz).
Die Grafen von Katzenelnbogen hatten das Gebiet um St. Goar und Bornich zu Beginn des 13. Jahrhunderts von den Herren von Isenburg durch Heirat geerbt. Strategisches Ziel der Grafen war es, eine Brücke zwischen den alten Besitzungen auf dem Einrich (Alt-Katzenelnbogen) und der oberen Aar (Hohenstein) zu den Stellungen am Rhein (Rheinfels; St. Goar) zu erreichen.
Der Kaiser hatte die erste Burg zerstört. Graf Wilhelm wollte eine neue errichten. Um seinen Plan rechtlich zu legitimieren, suchte er beim größten Territorial- und Lehnsherren der Gegend um Unterstützung nach; und er bekam sie. Erzbischof Balduin belehnte Graf Wilhelm I. (gest. 1331) und dessen zweite Frau Alheidis am 10. August 1319 mit einigen Dörfern und war damit einverstanden, dass der Katzenelnbogener auf dem Richenberg eine Burg zu errichten.
Obwohl die Burg ein wichtiges Verbindungsglied zwischen der Residenz Burg Rheinfels und dem Stammgebiet des Geschlechts im Taunus darstellte, gingen die Arbeiten an der Burg nur schleppend voran. Grund hierfür waren auch die Widerstände des Mainzer Erzbischofs und einiger Städte der Umgebung. Es kam zu Handgreiflichkeiten. 1322 verzichteten einige Raugrafen sowie der Edelknecht Wirich Lander auf Ersatz des Schadens, den ihnen der Mainzer Erzbischof (Elekt) Mathias und die Städte des Landfriedens zugefügt hatten. Schauplatz des Streites waren der Kirchhof zu Merxheim sowie Burg Reichenberg, wo einige Diener und Knechte, in Gefangenschaft geraten und dann enthauptet worden waren.. Sie verzichteten auf Rache, schworen Frieden und Neutralität. 1324 nahm König Ludwig der Bayer das „neuerbaute Schloß“ in seinen besonderen Schutz..
Die gewaltige zweitürmige Doppelturmschildmauer entstand zuerst. Im Inneren der Mauer gab es Räume auf drei Stockwerken,eine Burgkapelle über dem Zufahrtsweg. Nach dem Tod Graf Wilhelm I. (1331) wurden die Bauarbeiten unterbrochen.
Seine Söhne beschlossen 1352 die noch nicht vollendete Burg Reichenberg aufzuteilen. Graf Wilhelm II. (1332-1385) erhielt die Schildmauer und die Vorburg, sein Bruder Graf Eberhard bekam die noch unbebaute Westhälfte. Doch ein ins Auge gefasster Ausbau unterblieb. Wilhelm widmete sich dem Bau der Burg Neu-Katzenelnbogen, Eberhard errichtete über Burgschwalbach an der Aar die gleichnamige Burg.
Obwohl Wilhelm II. nach Fertigstellung der Burg Katz auch an Reichenberg weiterbaute (Palas; Kapelle; vorgeschobene Ringmauer, kasemattenartige Wehrgänge) wurde die Burg nie ganz fertig gestellt. Reichenberg hat die ihm bestimmte Residenzfunktion wohl nie über längere Zeit ausgeübt; Rheinfeld, Darmstadt, Hohenstein und andere, günstiger gelegene Burgen liefen ihm den Rang ab. Allerdings war sie Sitz eines Amtes, zeitweise Oberamtes, in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen.
Als die Grafen von Katzenelnbogen 1479 ausstarben, fiel Reichenberg mit der gesamten Grafschaft an die Landgrafen von Hessen.
1605 berichtet die "Hessische Chronica" von dem „wunderbar Gebeu und Haus Reichenberg". Dilich fertigte 1607/1608 Bauaufnahmen an. 1647 nahm Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel der Darmstädter Linie die Niedergrafschaft Katzenelnbogen ab und erobert auch Burg Reichenberg.
Nach der Instandsetzung 1649-1651 wurde die Burg zum Sitz eines hessischen Oberamts, einem Verwaltungsmittelpunkt, an dem vor allem die Naturalabgaben der Bevölkerung gesammelt und gelagert wurden. Reichenberg blieb bis 1806 hessisch.
Ein Schildmauerturm drohte 1813 einzustürzen und wurde deshalb 1814 gesprengt. Die ansonsten noch leidlich intakte Burg fiel 1815 auf dem Wiener Kongress dem Herzogtum Nassau zugesprochen. Die Herzöge hatten keine Verwendung für die Anlage, verkauften sie 1818 auf Abbruch, doch wurde die Anlage als Ruine gepflegt. Die Mittelsäule des Saalbaus stürzte 1881 ein.
1912 und seit 1956 erfolgten größere Restaurierungen. Dem Archivar Habel, zu dessen Verdiensten auch die Bewahrung der Burgen Maus und der Gutenfels zählt, rettete Reichenberg vor stärkerer Beschädigung. Eine Gedenktafel erinnert im Tordurchgang der Schildmauer an ihn. Der nördliche Turm fiel völlig unerwartet am 13. März 1971 in sich zusammen.
Den neuen Wohnbau auf der Westseite errichtete seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Familie von Oettingen. Nach mancherlei wechselhaften Schicksalen ist die Burg seit 1990 in neuen Händen.
Baubeschreibung nach Dehio
Die erste Anlage beschrieb ungefähr ein Trapez von 30:40 Metern in Form eines breitgelagerten Fünfecks. Bruchsteinbau, Säulen usw. aus Sandstein und Granit, fast alle Bauteile bemerkenswerterweise mit Flachdächern und ehemals mit Zinnen.
Die Kernanlage wird halbiert in eine Ost- und Westhälfte durch eine rund vier Meter starke, in der Mitte fast auf acht Meter erweiterte Schildmauer, die ehemals symmetrisch durch zwei runde, bis zu 40 Meter hohe Rundtürme von sieben Meter Durchmesser eingefaßt und überragt wurde. An die oberen Teile der Türme (der nördliche war bis 1971 erhalten und besteigbar) waren je drei halbrunde schlanke Tourellen mit stockwerksweise versetzten Treppen angesetzt, so daß bündelpfeilerartige Körper entstanden, ganz ähnlich dem Bergfried der Burg Eisenberg/Westerwald. Im Nordturm ehemals fünf kuppelgewölbte Geschosse, in Höhe des obersten ein schieferner Konsolenkranz für eine hölzerne Wehrgalerie. In der Mitte Schildmauer stichbogiges Tor, an der Ostseite von kurzen, nachträglich (im 16. Jahrhundert?) eingebauten Säulen mit Knospenkapitellen und Kämpferplan flankiert (die entsprechenden Säulen der Westseite im 17./18. Jahrhundert entfernt und z.T. im zweiten Obergeschoß der Schildmauer innen wiederverwendet). Darüber kreuzförmige, ehemalige Nikolaus-Kapelle; zum darunterliegenden Tordurchgang eine größere, später vermauerte Öffnung, also eine reduzierte Form der staufischen Doppel- und Torkapellen. Kapellenraum mit altertümlich romanisierenden Tonnengewölben und Bogenstellungen; Säulen mit romanischen Spolienkapitellen wurden, wahrscheinlich nachträglich, unter die Bogenscheitel als zusätzliche Stützen gestellt; sie bedingen das heutige reizvolle Raumbild. Im zweiten Obergeschoß ein ähnlich gestalteter Wohnraum mit Kamin, dazu weitere Wohnräume.
In der Schildmauer spiegeln sich die verschiedene Vorstellungen wider: Mantelmauer, Torbau, Kapellenbau, Wohnbau und Bergfried, dessen Funktion die beiden äußerst eleganten und doch höchst wehrhaften Flankentürme einnahmen.
Das Einsturzunglück von 1971 bedeutete ein großer Verlust für die abendländische Burgenbaukunst. Für den katzenelnbogischen Burgenbau typisch sind die wohl von Oberitalien angeregten, über Rundbogenblenden hochsteigenden Wehrgänge zu den Flankentürmen.
Nur die Osthälfte der Hauptburg ist umschlossen von einer starken hohen Wehrmauer, inseitig zweigeschossig gegliedert durch hohe Rundbogenblenden; an der Südseite das Tor und zwei ausgekragte Rundtürme.
Westlich der Schildmauer sollten die Wohnbauten der Kernburg entstehen. Statt dessen errichtete Graf Wilhelm II. von Katzenelnbogen nach einer Burgenteilung 1352 etwa 1370 bis vor 1385 an der östlichen Angriffseite eine großartige Wehr- und Wohnarchitektur, eine um die Nordostecke herumgreifende, in den Zwinger gestellte dreistöckige Baugruppe zu Wohn- und Repräsentationszwecken. Aus ihrer Mitte springt (vielleicht durch luxemburgische Bauten oder durch Kreuzritterburgen wie Chastel Blanc angeregt) ein Saalbau von 13 Meter Seitenlänge vor, mit einem innen polygonalen, außen halbrunden Apsisabschluß, der bis in den Halsgraben ragt. Der Saalbau ist in allen Geschossen durch je drei Säulen in zwei gleich breite Schiffe geteilt: das Kellergeschoß mit gemauerten schwibbogenartigen Verstärkungen zu Unterstützung der Balkendecke, das dritte Geschoß mit steil spitzbogigen Kreuzgratgewölben, darüber eine hohe Erdschüttung mit eingelegten Entwässerungskanälen. Rundbogige Fenster, Türen mit Konsolen, Sturz- oder Stichbogen. Die Einzelformen dieses Bauteiles, Kapitelle in Würfelform mit vogelähnlicher Knospenbildung oder der dorischen Ordnung ähnlich Kapitelle mit Deckplatten usw., sind ein Beispiel für die im 14. Jahrhundert gelegentlich, vor allem beim Burgenbau auftretenden ,,romanisierenden“ Tendenzen. In den beiderseits anschließenden Gebäuden mehrere Wohnräume, die oberen Geschosse gewölbt. In Kellerhöhe außen am Saalbau vorgekragte Wehrgalerie. Unter dem Keller ausgedehnte zweistöckige tonnengewölbte Kasematten, die sich längs des ganzen Halsgrabens und an der Südseite fortsetzen. Zusammen mit Burg Neukatzenelnbogen bei St. Goarshausen sind es die ältesten, noch für die Armbrust bestimmten Kasematten des rheinischen Burgenbaues.
Der Kichenraum rechteckig, dreiachsig, mit hübschem Vorbau, Walmdach und kleinem barockem Dachreiter. Die Kanzel stammt von 1737. An den Emporenbrüstungen befinden sich Apostelbilder.
Quelle: Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Rheinland-Pfalz Saarland. Bearb. von Hans Caspary u.a. Darmstadt 1985; Bolle, Günther: Burgen im Rhein-Lahn-Kreis. In: Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft-Geschichte-Kultur unserer Heimat, Verlag Loreley-Galerie, Oberwesel 1987; Grathoff; Homepage der Verbandsgemeinde; redakt. Bearb. S.G.