Rhens am Mittelrhein

Stadtbefestigung

Scharfer Turm

Der ab 1396 errichtete Scharfe Turm befindet sich direkt am Rhein und umfaßt insgesamt vier Geschosse, die Turmplattform eingeschlossen.
Er ist der markanteste Teil der Stadtmauer. Einst diente er als Späh- und Zollturm, später war er Gefängnis (1629-1648). In ihm wurden 1645/46 zehn "Hexen und Hexenmeister" nach qualvoller Haft durch den Scharfrichter enthauptet.
Letztere war - wie nebenstehenderer Aufriss zeigt - völlig eingebrochen und wurde erst Mitte der achziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wiederhergestellt. Im Kellergeschoss befand sich ein Kerker, der nur durch eine Luke im Boden des Erdgeschosses, ein sog. "Angstloch" zugängig war. Der ebenerdige Kellereingang wurde nachträglich gebrochen. Der Scharfe Turm erfüllte in seiner 600jährigen Geschichte mehrere Funktionen:
Strategisch äußerst günstig gelegen, konnte man von ihm aus den gesamten Schiffsverkehr zwischen Braubach und Lahnstein kontrollieren. Er diente wohl auch als Zollturm bzw. der Inhaftierung zahlungsunwilliger Schiffer. Da er unmittelbar an den Überresten der Wackelburg liegt, könnte er auch Bergfried, d.h. letzter Zufluchtsort dieser kurkölnischen Burganlage gewesen sein.
Ein tragischer Ruf wurde dem Turm jedoch erst in der Neuzeit zuteil, denn während der Rhenser Hexenprozesse der Jahre 1628-1630 und 1645-1647 diente er als Folter- und Gefängnisturm. Zwischen 1645 und 1647 wurden zehn angebliche Hexen und Hexenmeister einem „hochnotpeinlichen Verhör“, d.h. der Folter, unterzogen, ehe sie vom Scharfrichter auf dem Richtplatz oberhalb der alten Kirche hingerichtet wurden. Daher ist es kaum verwunderlich, daß das Gebäude in Rhens und Umgebung unter dem Namen "Hexenturm" wesentlich bekannter ist. Die tragischen Schicksale der verurteilten Hexen- und Hexenmeister sind peinlich genau dokumentiert worden. So weiß man aus den Hexenprozeßakten, dass eines der ersten Opfer, eine über 80jährige Frau namens Apollonia Lehmel, an den Folgen der Folter im Scharfen Turm gestorben ist. Ein anderes Opfer, Christine May, wollte sich der Folter entziehen und sprang aus einem Fenster des Turmes. Sie überlebte den Sprung und konnte noch einige hundert Meter weit fliehen, bevor auch sie gefasst und verurteilt wurde.
Allerdings wurden auch Personen wegen geringerer Vergehen in den Turm gesperrt: So hatte Conrad Burgen einen Mitbürger mit der Äußerung beleidigt hatte, er "fresse Schelmenfleisch" (= Aas) in seinem Haus, wofür er am 24. Juni 1606 verurteilt wurde. 1607 hatte der Jude Mosche gar den gesamten Stadtrat als "Schelme" beschimpft. Auch er wurde in den Turm gesperrt und mußte sich öffentlich entschuldigen. Aber auch der gesamte Stadtrat wurde einmal inhaftiert - im Jahre 1795, weil er sich weigerte, den Weisungen der französischen Besatzung Folge zu leisten.
1904 wurde der Turm saniert. Im 2. Weltkrieg, wo man ihn als Schutzraum benutzte, durch Bombentreffer beschädigt. Für die Öffentlichkeit zugängig bzw. für gesellige Anlässe nutzbar gemacht wurde das Bauwerk im Rahmen einer Generalsanierung Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Rheintor

Rhens. Wackelburg

Über dem um 1400 entstandenen Rheintor erhebt sich der einzige erhaltene Torturm der Rhenser Stadtbefestigung.
Die in Form eines Fünfecks errichtete Stadtmauer ist zu einem beträchtlichen Teil noch in etwa acht Meter Höhe erhalten. Sie hatte ehedem fünf Tore (Kirchtor, Viehtor, Koblenzer Tor (nicht erhalten), Josefstor und Rheintor) und sechs Türme (Scharfer Turm).
Wie ein Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt, liegt der Rheintor-Turm Wand an Wand zwischen zwei Wohngebäuden - ein glücklicher Umstand, dem wahrscheinlich zu verdanken ist, dass man den Turm 1689 nicht auch noch zerstörte. Ein Abriss oder eine Sprengung wäre nämlich nicht möglich gewesen, ohne die angrenzenden Häuser zu gefährden. Im 19. Jahrhundert hat das Tor allerdings sein schönes gotisches Dach mit seinen Ecktürmchen verloren.
Einer von zwei überlieferten feindlichen Überfällen auf die Stadt spielte sich hier am Rheintor ab: Am 23.09.1647 legte am Rhein ein Schiff mit 140 hessischen Soldaten an, die durch das Rheintor in die Stadt eindrangen und diese für Hessen-Kassel in Besitz nahmen.

Josefstor

Das vom Rheintor gesehen rheinabwärts gelegene Josefstor ist etwas kleiner als das Rheintor und trug nie einen Torturm. Es war ein einfaches Wandtor, das im 30jährigen Krieg aus Sicherheitsgründen sogar zugemauert wurde, da dieser Durchgang nicht unbedingt benötigt wurde. Der Bereich hinter dem Josefstor war zu dieser Zeit nämlich kaum bebaut.
Erst Im 18. Jahrhundert erhielt das Tor sein Torhaus, das heute eine Figur des hl. Josef schmückt - ebenfalls eine Zutat des 18. Jahrhunderts, denn vorher wurde das Tor einfach "Untere Rheinpforte" genannt. Eine andere, längst vergessene Bezeichnung für dieses Tor ist der Name "Pützgassertor", der noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchlich war.

Kirchtor

Diese zwischen 1396-1418 entstandene Toranlage, die heute nur noch aus den dürftigen Resten einer Mauer und dem Stumpf eines Treppenturmes besteht, wurde in ihrer 600jährigen Geschichte zweimal erheblich zerstört. Im 17. Jahrhundert war sie, wie Meissners und Dilichs Stadtansichten zeigen, noch so erhalten, wie man sie um 1400 geplant und ausgeführt hatte:
Über dem recht großzügig dimensionierten Torhaus erhob sich ein mehrstöckiger Turm mit gotischem Dach, an den ein Treppentürmchen angebaut war. Vor dem Tor konnte ein Fallgatter heruntergelassen werden, dessen untere Halterungen noch bis 1945 sichtbar waren.
Vermutlich wurde der Turm im Jahre 1689 von französischen Truppen gesprengt, die - den Weisungen des französischen Kriegsministers Louvois zufolge - alle festen Plätze entlang des rechten Rheinufers zu entfestigen bzw. zu brandschatzen hatten.
Auch der Koblenzer Torturm und der Turm über dem Viehtor wird dieser Maßnahme zum Opfer gefallen sein. Die untere Hälfte des Treppentürmchens blieb bis in das 19. Jahrhundert hinein erhalten. Die Tordurchfahrt des Kirchtores blieb ebenfalls erhalten und wurde erst in den letzten Kriegstagen des zweiten Weltkrieges von abrückenden SS-Divisionen gesprengt, um den Vormarsch der Amerikaner zu behindern, was nicht nur mit Blick auf das baldige Ende des Krieges eine militärisch unsinnige Maßnahme war. Weil daran kaum zu zweifeln war, wurde später die Sprengung des Kirchtores bisweilen fälschlicherweise den amerikanischen Streitkräften zugeschrieben.

Viehtor

Das Viehtor, zwischen 1396-1418 erbaut, ist eines von drei erhaltenen Stadttoren, hat jedoch seinen äußeren Bogen und Torturm verloren.
An letzteren erinnern noch die bergseitigen Reste eines Treppentürmchens mit Wendeltreppe, das als Heiligennische ausgestaltet wurde. Bei genauem Hinsehen entdeckt man noch einige Stufen. Durch das Viehtor lief bis zum Bau der Bramleystraße, wie obige Aufnahme zeigt, der gesamte Straßenverkehr ins Mühlental, so auch der Viehauf- und abtrieb, von dem das Tor seinen Namen hat.
Eine wenig bekanntes historisches Faktum ist, dass auch Räume des Viehtorturmes als Gefängnis- und Verhörzellen während der Rhenser Hexenprozesse benutzt wurde.
Direkt unterhalb von Viehtor und Stadtmauer befindet sich das Gästehaus der Verbandsgemeinde Rhens, das als "Alt-Rhens" der Öffentlichkeit für gesellige Zwecke zur Verfügung steht. Das Baujahr 1577 wurde in einen Türsturz eingraviert, der heute seitlich neben dem Haupteingang eingemauert ist.

Mühlbachtor

Obwohl es in den letzten Jahren von einer Seite aus zugeschüttet wurde, stellt das Mühlbachtor eine architektonische Besonderheit dar.
Es handelt sich nämlich hierbei um ein Wassertor, das den Eintritt des Mühlbaches in den Bereich der Stadtmauer sicherte. Von hier aus nahm der Bach seinen Weg durch die Mühlenstraße, unter der Hochstraße durch (Auf der Brück), um schließlich zwischen Langstraße und Baiergarten Richtung Rhein abzufließen. Vor dem Mühlbachtor befand sich früher ein Teich, der offensichtlich die Wassermenge des Baches regulierte. Innerhalb der Stadtmauer gab es nämlich mehrere Mühlen, von denen die erste - wie der Name schon sagt - unmittelbar hinter dem Mühlbachtor lag.

Text: Alexander Ritter; Torsten Schrade; Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Rheinland-Pfalz Saarland. Bearb. von Hans Caspary u.a. Darmstadt 1985; Bilder: Stefan Grathoff; redakt. Bearb. S.G.