0.Trier in der Reformationszeit
0.1.Stadt und Kurstaat in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
Die Stadt Trier war bereits seit 1512 ein überregional bedeutendes Pilgerzentrum, als Kaiser Maximilian den Trierer Erzbichof Richard von Greiffenclau zur Ausstellung des Heiligen Rocks drängte. Diese hochbedeutende Reliquie festigte und manifestierte die Bedeutung der Stadt Trier als katholisches Zentrum.
Trier war als Oberstift Metropolitansitz des gleichnamigen Kurfürstentums, der Kurfürst hatte hier in geistlichen und weltlichen Dingen das Sagen. Dies war jedoch kein unumstrittener Zustand, zwischen den Kurfürsten und Trier hatte es lange Zeit Streit um den Status der Stadt gegeben, die sich als freie Stadt verstand und bis ins späte 15. Jh. mehrfach zu Reichstagen eingeladen worden war. 1478 mussten die Trierer Bürger die Landeshoheit des Kurfürsten jedoch zumindest formell anerkennen - Widerstand blieb jedoch bestehen, wie sich im Laufe des 16. Jh. zeigen sollte.
In Trier selbst fand die Reformation keinen Anklang, in das kurtrierische Diözesangebiet konnte die neue Konfession dennoch einbrechen. Landgraf Philipp von Hessen konvertierte 1526 zum lutherischen Glauben, damit wurde die Niederere Grafschaft Katzenelnbogen (St. Goar) lutherisch. Weitere Verluste waren durch die Konversionen verschiedener Grafschaften sowie die Protestantisierung der Kurfpalz zu verzeichnen.
Kurfürst Richard von Greiffenklau (1511-1531) widmete sich seinen landesherrlichen wie bischöflichen Aufgaben sehr intensiv, und musste sich im Reich wie in seinem Erzstift mit der Reformation auseinandersetzen. Auf dem Wormser Reichstag 1521 führte er mehrere intensive Gespräche mit Luther und versuchte auf ihn einzuwirken, war er ihm doch wohlgesonnen - jedoch ohne dessen Positionen einzunehmen. Greiffenclau blieb standhaft katholisch und trat auch vehement für die katholische Sache ein, was zu mehreren Auseinandersetzungen führte.
1522 wurde Kurtrier Schauplatz der Sickingenschen Fehde: Reichsritter Franz von Sickingen, beherzter Anhänger der Reformation, hatte dem Kurfürsten und Erzbischof von Trier den Krieg erklärt, um gemäß seiner Überzeugung die Trierer Bürger ‚zu evangelischer Freiheit‘ zu erlösen - allerdings sind auch machtpolititsche Ambitionen nicht von der Hand zu weisen, wollte er sich doch auch eine eigene Territorialherrschaft aneignen. Die stetigen Spannungen zwischen Stadtbevölkerung und Klerus bzw. Landesherr sollten ihm zu Nutzen gereichen. Die Bevölkerung hatte kein Interesse von der 'Pfaffenherrschaft' erlöst zu werden, die Belagerung misslang. 1525 beteiligte sich Kurfürst Richard von Greiffenclau mit Trierer Soldaten an der Offensive gegen die Bauernaufstände, auch in den kurtrierischen Städten Boppard, Limburg an der Lahn und Oberwesel hatte es deswegen Unruhen gegeben.
0.2.Der Reformationsversuch des Caspar Olevian 1559
Die Stadt Trier und ihr Landesherr standen in ihren Grundfesten fest zum alten Glauben. Erst ab 1544 sind vereinzelte Protestanten in der städtischen Bürgerschaft nachzuweisen, reformatorische Strömungen verliefen schnell im Sand. Dies änderte sich im Jahre 1559, als ein gebürtiger Trierer namens Caspar Olevian die Stadt zum lutherischen Glauben zu bekehren versuchte.
Lange Zeit auf (Studien-)Reisen im ganzen Reich und im Ausland unterwegs, hatte Olevian direkte Bekanntschaft mit einigen bedeutenden Persönlichkeiten der reformatorischen Bewegung gemacht, so hatte er bei Calvin persönlich in Genf an Vorträgen und Disputationen teilgenommen. Nach seiner Rückkehr nach Trier 1559 wurde er zunächst als Lateinlehrer eingestellt und gab bald deutschen Katechismus-Unterricht, ab August desselben Jahres hielt er öffentliche Predigten, in denen er auf mitreißende Art evangelisches Gedankengut verbreitete. Er erhielt - wohl auch durch sein charismatisches, kraftvolles Auftreten - großen Zulauf, binnen Kurzem bekannten sich ein Drittel der Stadtbevölkerung zum evangelischen Glauben. Dabei war hilfreich, dass sich um den Bürgermeister Johann Steuß eine evangelische Gruppe versammelt hatte, außerdem kam der Prediger Flinsbach aus Zweibrücken zur Hilfe.
Kurfürst Johann VI. von der Leyen sah dieser Entwicklung nicht tatenlos zu: er besetzte die Stadt, ließ Olevian, Flinsbach und Steuß verhaften und anklagen. Die Anführer der Revolte wurden des Landes verwiesen, ebenso wie evangelische Bürger, die nicht zum alten Glauben zurückkehren wollten. Der Kurfürst verbot Olevians Predigten. Seiner Auffassung nach war Trier keine Reichsstadt und konnte deshalb nach den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens auch nicht eigenmächtig über Religionsangelegenheiten bestimmen.
Diese Argumentation brachte ein letztes Mal den Konflikt um die rechtliche Stellung der Stadt zum Auflodern: die Stadt, ihr Rat und ihre Bürger verstanden sich als freie Reichsstadt - wohl auch deshalb symbolisierte der Reformationsversuch Caspar Olevians die Unabhängigkeit vom Landesherrn, was für die Bürger ein identifikationsstiftendes und anziehendes Merkmal war.
Doch der Protest der Bürger blieb erfolglos. Das Reichskammergericht bestätigte wenig später die Argumentation des Kurfürsten, seines Zeichens weltlicher Herrscher und geistlicher Oberhirte.
Der weitere Lebensweg Olevians
Der Weggang aus Trier bedeutete für Olevian keineswegs das Ende seines Wirkens, im Gegenteil: er sollte in den kommenden Jahrzehnten noch großen Einfluss auf die reformatorische Entwicklung des heutigen Rheinland-Pfalz haben. Nach seiner Entlassung aus kurtrierischen Diensten ging Olevian zunächst in die Kurpfalz. Später wurde er Hofprediger in Sayn-Wittgenstein, bevor ihn Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg in sein Territorium berief. Auch war er Theologie-Professor in Heidelberg und arbeitete am Heidelberger Katechismus mit.
1586 saß er auf der Synode von Herborn einer Tagung von 26 Theologen aus verschiedenen Territorien vor, die sich für den Zusammenschluss zu einer transterritorialen Kirche aussprachen. Hier überwand erstmal der konfessionelle Gedanke den territorialen Charakter; die Folge war nach heftiger Diskussion eine Misch-Kirchenverfassung mit presbyterialen und konsistorialen Elementen.
0.3.Reform und Gegenreformation in Kurtrier
Mit der Ausweisung der reformatorischen Anstifter endete die Möglichkeit des evangelischen Bekenntnisses in Trier, nur noch vereinzelt sind protestantische Personen nachzuweisen. Kurfürst Johann VI. von der Leyen hatte das Ereignis zum Anlass genommenn, den Kampf gegen die neue Lehre zu intensivieren: protestantischer Adel wurde vom Hof und von der Verwaltung ausgeschlossen, das Bürgerrecht an den Katholizismus gebunden. Nur wenige Protestanten kehrten zurück, durften ihre Konfession aber nicht offen leben.
Das gesamte kurtrierische Territorium blieb fest in der Hand des Katholizismus, jedoch hatten alle Kurfürsten die Bereitschaft für und den Wunsch nach Reformen geäußert - wussten sie doch, dass dies die alte Konfession nachhaltig festigen würde. Es wurden nicht nur römische und tridentinische Reformen umgesetzt, auch eigene Verbesserungswünsche kamen zum Tragen. Jedoch musste sich die Kirchenführung gegen Widerstände durchsetzen: im Domkapitel wollte man die eigentlich verbotenen Pfründenhäufungen nicht aufgeben, Stifte und Klöster waren über bischöfliche Kontrollen erzürnt. Die Reformtätigkeiten hatten bereits Mitte des 15. Jh. unter Jakob von Sierck begonnen, der eine umfassende Klosterreform angestrebt hatte. Jedoch gestaltete es sich für jeden Erzbischof im Laufe der Zeit als schwierig, seine Pläne auch umzusetzen.
Das Trienter Konzil (1545-1563) setzte jedoch kräftige Impulse, durch die Berufung von Jesuiten nach Trier im Jahr 1560 wurde eine wichtige Basis für die Umstrukturierung geschaffen. Eine Generalvisitation 1569/70 leitete die Reformen ein, deren Planung und Umsetzung in den Händen der Jesuiten lag. Es folgten klare Ansagen hinsichtlich Klerus-Ausbildung, Normverstöße der Gläubigen, Vermögens- und Disziplinarangelegenheiten etc.
Unter Beobachtung: der Klerus
Es seien an dieser Stelle die Maßnahmen für den Klerus etwas näher beleuchtet - wichtige Anliegen waren: Wiederherstellung der Disziplin, bessere Bildung und Ausbildung, gründliche Überprüfung der Kandidaten auf ein geistliches Amt. Es wurden Jesuitenkollegien sowie Seminare begründet, Prüfungen wurden teils unter kurfürstlicher Anwesenheit durchgeführt.
Auch die Seelsorge sollte verbessert werden: so gab es neue Zusammenstellungen hilfreicher Schriften, Anweisungen und Pflichthinweisung für die Sakramentenspende und religiöse Unterweisung. Außerdem wurden ab 1589 ein kleiner sog. 'Kurtrierischer Katechismus' verbreitet und Sendbriefe mit praktisch-didaktischen Anweisungen an Pfarrer verschickt.
0.4.Bedeutung der Jesuiten
Wie in vielen anderen katholischen Städten, die sich von der reformatorischen Bewegung bedrängt fühlten, schien die Ansiedlung von Jesuiten die Konfessionsproblematik zu lösen. So dachte auch Kurfürst Johann VI. von der Leyen nach dem gescheiterten Reformationsversuch des Kaspar Olevian - hatte sich doch ein großer Bevölkerungsanteil sehr schnell zum Wechsel der Konfession entschlossen.
Mitglieder des Jesuitenordens ließen sich 1560 in der Stadt nieder. Ihr Wirken war gut vorbereitet worden, so waren dem Orden größe Güter überschrieben worden, im Gegenzug übernahmen die Jesuiten die Pflege und Verantwortung für das kirchliche Leben und das Bildungssystem in der Stadt. Damit wurde der Kurfürst in seinem geistlichen Aufgabenbereich entlastet und konnte sich wieder stärker den weltlichen landesherrlichen Aufgaben widmen.
1561 wurde ein Jesuiten-Gymnasium errichtet, das Bildungswesen lag seit ihrer Ansiedlung in den bewährten Händen des Ordens. 1562 predigten die Jesuiten schon in drei Trierer Kirchen: im Dom, der Liebfauenkirche und St. Gangolf. Sie fanden schnell Eingang in das Seelenleben der Mensch: die Teilnahme an Beichte und Kommunion stieg massiv an, bald wurde die Jesuiten-Tätigkeit auch auf die Vororte ausgedehnt.
Zudem übten die neuen altkonfessionellen Reformer auch entscheidenden Einfluss auf die Universität vor Ort aus: deren philosophische und juristische, nicht jedoch theologische Fakultät hatten sich Ende des 15. Jh. dem Humanismus geöffent, vor Ort wirkende Lehrer waren u.a. Thomas Murner und Johannes Eck. Seit ca. 1530 befand sich die Lehranstalt in der Krise, unter den Jesuiten erlangte die Hohe Schule eine neue Blüte.
Bearbeiterin: Katharina Üçgül
Verwendete Literatur:
- Clemens, Gabriele und Lukas: Geschichte der Stadt Trier, München 2007.
- Molitor, Hansgeorg: Kurtrier, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. Band 5: Der Südwesten (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 53), hrsg. von Anton Schindling und Walter Ziegler, Münster 1993, S. 50-71.
- Schnabel-Schüle, Helga: Kirche und Konfessionen, in: Kreuz-Rad-Löwe. Rheinland-Pfalz: Ein Land und seine Geschichte. Band 1: Von den Anfängen der Erdgeschichte bis zum Ende des Alten Reiches, hrsg. von Lukas Clemens, Franz J. Felten und Matthias Schnettger, Mainz 2012, S. 695-754.
Erstellt am: 23.03.2013