Martinstein im Naheland

Die ehemalige Liebfrauenkapelle

Abb. 19: Die ehemalige Marienkapelle als Wohnhaus[Bild: Pfarrarchiv]

Vor den Mauern Martinsteins stand früher eine kleine Kapelle, die der Gottesmutter geweiht war, und deshalb Liebfrauenkapelle genannt wurde. Sie geht auf eine Stiftung des Ritters Simon Boos von Waldeck aus dem Jahre 1479 zurück, die dieser zu seinem eigenen Seelenheil sowie dem seiner Vorfahren und Nachkommen tätigte. Die Einkünfte der frommen Stiftung kamen dem Priester des Marienaltares der Kapelle zugute und sollten dem Pfarrer von Martinstein, der in der Urkunde „Rektor" genannt wird, keinen Schaden verursachen. [Anm. 1]

Abb. 20: Die ehemalige Marienkapelle als Wohnhaus[Bild: Pfarrarchiv]

Der Altar war mit einer Korngülte von 22 ½ Maltern (Wormser Maß, was 17 Malter nach Kirner Maß entsprach) dotiert, die jährlich von einem Hofgut in Offenheim bei Alzey geliefert werden mussten. Der Hof gehörte der Alzeyer Zisterzienserinnenabtei Sion. Nach diesem Kloster nannten die Martinsteiner die Korngülte auch „Sionsche Früchte". Die Offenheimer Hofleute lieferten das Korn bis Kreuznach, wo es der Inhaber des Kapellenaltares abholen musste.

Die Einkünfte der Kapelle wurden nach dem Übertritt zur protestantischen Glaubensrichtung der Pfarrbesoldung zugeschlagen und dienten daher nicht mehr der Erhaltung des kleinen Gotteshauses. Es wurde baufällig, und das Inventar, „allerhand Zierrat an Kelch, Monstranzen, Messgewand, Kreuz pp., so vor Zeiten im Papsttum gebraucht worden", verschwand (vermutlich an die Ortsherren).

Vor der Wiedereinführung eines katholischen Pfarrers in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts renovierte Erwein Philipp von Schönborn (1607-1668), der damalige Ortsherr, das ruinöse Gebäude und übergab es der katholischen Pfarrei. Diese benutzte es als ihre neue Pfarrkirche, bis aus der Kapelle ein Kelch entwendet wurde. Den Dieb fasste man in Kreuznach, enthauptete ihn unmittelbar neben dem Ort seiner Straftat und begrub den Leichnam am Dorfrand neben der herrschaftlichen Scheune.

Nach diesem Diebstahl erwirkten die Katholiken das Mitbenutzungsrecht in der lutherischen Bergkirche. Die Kapelle war wieder ohne religiöse Funktionen und wurde in ein Wohnhaus umgebaut. Im Jahre 1983 erfolgte der Abriss der ehemaligen Marienkapelle. [Anm. 2]

NACHWEISE

Verfasser (Text): Gottfried Kneib

Redaktionelle Bearbeitung: Marion Nöldeke

Verwendete Literatur:

  • Kneib, Gottfried: Martinstein - seit 1340/42. Die Geschichte der Burg, der Gemeinde und der katholischen Pfarrei. In: Bad Kreuznacher Heimatblätter 2003, Heft 1-3.
  • Würdtwein, Stephan Alexander: Diplomatoria Maguntina pagos Rheni ... illustra, Bd. 1. Mainz 1788, Nr. 150.

Erstellt am: 01.07.2022

Anmerkungen:

  1. Würdtwein 1788, S. 435f.  Zurück
  2. Zimmermann 1935, S. 224 / Kneib 2003, S. 4.  Zurück