Zur Geschichte von Holzheim
Das Lahngebiet ist schon seit der Altsteinzeit (bis ca. 10.000 v. Chr.) besiedelt. Ab etwa 1200 v. Chr. kamen mit der sogenannten rheinischen Hallstattkultur neue Siedlergruppen in die Gegend. Die Grabhügel dieser Neusiedler befinden sich vor allem entlang der alten Völkerwege. Auch in der Holzheimer Gemarkung wurde – im Waldstück zwischen Birlenbach und dem Heuchelheimer Bächelchen westlich von Hof Waldeck – ein solches Hügelgräberfeld gefunden. Auf die Hallstattkultur folgte um 500 v. Chr. die Hunsrück-Eifel-Kultur, die wiederum zum Ende des ersten Jahrtausends v. Chr. durch die keltisch-germanische Kultur abgelöst wurde.[Anm. 1]
Die Gegend um Holzheim wurde nach dem Sieg Chlodwigs über die Alemannen fränkisches Herrschaftsgebiet. In der Folge entstanden eine Reihe von Siedlungen, die jeweils auf „-heim“ oder „-hausen“ endeten. Auch bei Holzheim handelt es sich um eine solche Namensbildung, wobei Holz im Althochdeutschen auch „Wald“ bzw. „Gehölz“ bedeuten kann. Die urkundliche Ersterwähnung Holzheims stammt aus dem Jahr 772: Allolfus – wohl ein Großgrundbesitzer – schenkte dem Kloster Lorsch einige Güter im Lahngau, genauer in Walsdorf und eben Holzheim. Allerdings weisen Grabfunde darauf hin, dass schon im 7. Jahrhundert Menschen in der Holzheimer Gemarkung wohnten.[Anm. 2]
Zur Zeit seiner Ersterwähnung gehörte Holzheim zum Lahngau, dessen Grafen aus dem Geschlecht der Konradiner stammten. Ab 1053 war der Lahngau in der Hand eines anderen Adelsgeschlechts, das vor 1073 die Burg Diez baute und sich in der Folge nach dieser Burg benannte. Seit 1374 ist Holzheim sicher als Ort der Grafschaft Diez bezeugt. Die Grafschaft fiel nach dem Aussterben der Grafen von Diez an Adolf von Nassau-Dillenburg. Nach dessen Tod im Jahr 1420 wurde die Herrschaft über die Grafschaft gemeinschaftlich von den Nassauern sowie den Herren von Eppstein ausgeübt. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war durch Erbfälle aus dieser Zweiherrschaft eine Dreiherrschaft geworden, an der nun Hessen, Nassau-Dillenburg und das Erzbistum Trier beteiligt waren. Dieser gemeinsamen Herrschaft wurde durch den Diezer Vertrag von 1564 ein Ende gesetzt. Das Erzbistum Trier und die Nassauer – Hessen war bereits zuvor ausgeschieden – einigten sich darin über die Aufteilung der Gebiete. Holzheim, das zum Kirchspiel Flacht gehörte, verblieb mit Diez bei Nassau-Dillenburg.[Anm. 3]
Der Grund und Boden in Holzheim befand sich in der Hand verschiedener geistlicher und weltlicher Herren. Ein größerer Teil gehörte dem Fronhof zu Flacht, der sich 1217 in der Hand des Stifts St. Florin zu Koblenz befand. Dieser Fronhof hatte Huben [Anm. 4] zu Flacht, Niederneisen und eben Holzheim. Die Vogtei dieses Fronhofs hatten schon relativ früh die Grafen von Nassau inne. Auch die Grafen von Diez hatten in Holzheim einen Hof. Diese Besitzverhältnisse begannen sich im 17. Jahrhundert langsam zu wandeln, die Grundherrschaft verschwand aber erst im 19. Jahrhundert.[Anm. 5]
Der Diezer Vergleich hatte größere Auswirkungen auf das Holzheimer Leben: er ermöglichte es dem neuen Grafen, in seinen Gebieten die Reformation durchzuführen. Dies geschah zwischen 1564 und 1567. Ab 1572 wurde die lutherische Lehre durch den Calvinismus abgelöst.[Anm. 6]
Im Dreißigjährigen Krieg war Holzheim zwar nicht unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen, die unzähligen Truppendurchzüge und die damit verbundenen Plünderungen forderten dennoch ihren Tribut. Nach dem Krieg waren weniger als 60 Menschen im Dorf am Leben, während es etwa einhundert Jahre zuvor – genauer gesagt 1542 – noch 24 Familien gewesen waren.[Anm. 7] Die Truppendurchzüge waren auch in der Folgezeit ein ständiger Quell der Unruhe. Sei es in den Reichskriegen gegen Ludwig XIV. (1674–1678, 1688–1697), im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1713), im polnischen Thronfolgestreit (1740–1748), dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) oder den Revolutionskriegen (1792–1802: Aar und Lahn waren stets durch Truppendurchzüge betroffen.[Anm. 8]
1806 wurde das Herzogtum Nassau gegründet, dem Holzheim sechzig Jahre lang, bis zu dessen Auflösung 1866, angehören sollte. Die Gemeinde hatte im 19. Jahrhundert wohl zunächst mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Darauf weist der Entschluss zahlreicher Holzheimer zur Auswanderung nach Nordamerika hin. Auch wenn keine abschließenden Zahlen vorhanden sind, handelt es sich um fast 30 Personen, die zwischen 1840 und 1870 in den USA ihr Glück suchten.[Anm. 9]
Grundsätzlich veränderte sich das Wirtschaftsleben in Holzheim im 19. Jahrhundert – die industrielle Revolution zeigte auch hier ihre Auswirkungen. Bis dato war Holzheim ein rein von der Landwirtschaft geprägter Ort gewesen. Zwar waren über Jahrhunderte hinweg auch verschiedene Handwerksberufe im Dorf vertreten, die für den alltäglichen Bedarf notwendig waren, im 19. Jahrhundert aber kamen Bergbau und Forstwirtschaft als bedeutende Wirtschaftszweige hinzu. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten der Verbandsgemeinde Diez war der Eisenbergbau in der Gemarkung von Holzheim allerdings unbedeutend. Vielmehr wurden im Bereich des Bergbaus Diabasvorkommen – zum Straßenbau nach dem Ersten Weltkrieg – sowie Kiesgruben und Lößvorkommen genutzt.[Anm. 10]
Die Revolution von 1848 fand in Holzheim wohl nur wenige Anhänger. Im Gegenteil könnte gerade in der Ablehnung der Revolution der Ursprung einer ‚Fehde‘ mit dem nahegelegenen Freiendiez gesehen werden. Während die Diezer sowie die Holzheimer offenbar eher konservativ eingestellt waren, waren in Freiendiez, wo sich ein republikanischer Turnverein gegründet hatte, vergleichsweise viele Bewohner Anhänger der Revolution. Der Versuch der Freiendiezer, republikanische Versammlungen auf die Burg Ardeck zu verlegen, führte dann wohl zum Konflikt mit den Holzheimern. Nichtsdestotrotz profitierten die Holzheimer von den Ergebnissen der Revolution. Augenfälligstes Beispiel ist das Recht der Gemeindeversammlung – der Versammlung der Bürger der Gemeinde und das Recht, den Bürgermeister selbst zu wählen.[Anm. 11]
Ab 1866 gehörte Holzheim zum Königreich Preußen. 1867 wurde der Unterlahnkreis gegründet, der 1969 mit dem Loreleykreis zum Rhein-Lahn-Kreis vereinigt wurde. Über die Geschichte Holzheims am Anfang des 20. Jahrhunderts ist vergleichsweise wenig bekannt bzw. geforscht worden. Im Ersten Weltkrieg starben 15 Holzheimer. In der Folge der Niederlage wurde Holzheim Teil der französischen Besatzungszone. Die Besatzungszeit gestaltete sich konfliktreich. Nach der Besetzung des Ruhrgebiets und des von der deutschen Reichsregierung ausgerufenen passiven Widerstands wurden mehrere Beamte bzw. Staatsangestellte mir ihren Familien in den unbesetzten Teil Deutschlands ausgewiesen. Unter den Ausgewiesenen waren auch zwei Holzheimer Reichbahnangestellte mit ihren Familien. Die Besatzungszeit endete 1930. Ab 1929 litt Holzheim, wie das gesamte Deutsche Reich, unter der anhaltenden Wirtschaftskrise. In Holzheim waren bis zu 50 Personen von der grassierenden Arbeitslosigkeit betroffen. Über die Zeit des Dritten Reichs in Holzheim ist bislang – mit wenigen Ausnahmen[Anm. 12] – nichts bekannt. Bekannt hingegen ist, dass im Zweiten Weltkrieg 26 Holzheimer fielen und acht Holzheimer vermisst wurden. Am 23. März 1945 wurde ein Zug, der Holzheim passierte, Ziel eines Luftangriffs. Dieser verfehlte sein eigentliches Ziel, traf aber drei Scheunen und einen Hof. Eine Frau, die aus Ostpreußen nach Holzheim geflüchtet war, starb bei dem Angriff.[Anm. 13]
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam eine große Anzahl von Vertriebenen und Flüchtlingen nach Holzheim. Viele von ihnen zogen zwar bald in andere Städte, Dörfer und Regionen weiter, im Jahr 1972 waren aber noch etwa 100 ehemalige Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Holzheim ansässig – mithin mehr als zehn Prozent der Holzheimer Bevölkerung. Ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ein Wandel ein, der aus dem Bauerndorf Holzheim eine Wohngemeinde für Angestellte in Diez, Limburg, Höchst und Frankfurt gemacht hat. Die Zahl der Bauerngehöfte im Dorf sank zwischen den 1930er und der Jahrtausendwende von 34 auf drei. Dagegen stieg die Nachfrage nach Bauland, der in der Ausweisung neuer Wohngebiete Rechnung getragen wurde.[Anm. 14]
Verfasser: Christoph Schmieder
Verwendete Literatur:
- Gensicke, Hellmuth: Grundherrschaft, Zehnten und der Besitz von Adel und Kirche. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 30–43.
- Gensicke, Hellmuth: Landeshoheit, Landesherren und Staat. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 26–29.
- Gensicke, Hellmuth: Kirchliche Zugehörigkeit von Holzheim und die Kapelle von Holzheim. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 65–69.
- Heck, Hermann: Die erste urkundliche Erwähnung von Holzheim. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 23–25.
- Heck, Hermann: Unsere Heimat in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 8–22.
- Keiling, Manfred: Keltische Hügelgräber und Ringwälle. In: Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Hrsg. von Agnes Allroggen-Bedel. Oberwesel/Rhein 1987. S. 78–91.
- Morlang, Adolf: Ereignisse der letzten Kriegsmonate in Diez und Umgebung. In: Vor 50 Jahren. Bomben-Chaos-weiße Fahnen. Beiträge zur Geschichte des Kriegsendes 1944/1945 im Raum Diez, Holzappel und Katzenelnbogen. Bad Ems 1995. S. 28-34.
- Ortsgemeinde Holzheim (Hrsg.): Holzheim und seine Burg. Holzheim 1995.
- Pauly, Robert: Altbürger und Neubürger in einer Dorfgemeinschaft. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 209–214.
- Pauly, Robert: Das Dorf im Wandel der Zeit. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 86–121.
- Pauly, Robert: Das Gefallenen-Ehrenmal. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 70–74.
- Schön, Karl, Albrecht Michel u. Robert Pauly: Vom Erwerbsleben der Holzheimer früher und heute. In: Gemeinde Holzheim (Hrsg.): 1200 Jahre Holzheim 772-1972. Beiträge zur 1200jährigen Geschichte des Dorfes. Limburg 1972. S. 130–177.
- Schughart, Karl: Holzheim, Band 2. Holzheim 2001.
- Schüler, Winfried: Das Herzogtum Nassau. 1806 - 1866 ; deutsche Geschichte im Kleinformat. Wiesbaden 2006 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, 75).
Zuletzt bearbeitet: 25.02.2020
Anmerkungen:
- Heck, S. 10–14; Keiling, S. 85. Zurück
- Heck, S. 17f.; Heck, Erwähnung, S. 23f. Es ist nicht gänzlich sicher, ob es sich bei dem in der Urkunde erwähnten Holzheim um Holzheim bei Diez oder Holzheim bei Gießen handelt, die Anhaltspunkte sprechen aber für ersteres. Zurück
- Gensicke, Landeshoheit, S. 26f. Zurück
- Hier: Rechtstitel eines Grund- oder Gutsbesitzes und Hofform. Zurück
- Gensicke, Grundherrschaft, S. 30–41 Zurück
- Gensicke, Zugehörigkeit, S. 65 Zurück
- Bei einer durchschnittlichen Familiengröße von vier bis fünf Personen also etwa 100–120 Einwohner. Zurück
- Gensicke, Landeshoheit, S. 27f.<7ANM> Zurück
- Schughart, Holzheim, Band II, ohne Seite. Zurück
- Gensicke, Landeshoheit, S. 27; Schön/Albrecht/Pauly, S. 159, S. 162f. Zurück
- Schughart, Entwicklung, ohne Seite; Schüler, Herzogtum, S. 193–195. Zurück
- In der Chronik aus dem Jahr 1972 finden sich einige wenige Sätze, in der Publikation Schugharts von 1995 ein kurzer Bericht und eine Quelle zu Kriegsgefangenen in Holzheim. Zurück
- Pauly, Gefallenen-Ehrenmal, S. 70; Morlang, S. 33; Ortsgemeinde Holzheim 1995, S. 159f. Zurück
- Pauly, Dorf, S. 119; Pauly, Altbürger, S. 209–213; Schön/Albrecht/Pauly, S. 163; Schughart, Holzheim, Band II, ohne Seite; Ortsgemeinde Holzheim 1995, S. 271–273. Zurück