Rettershain im Rhein-Lahn-Kreis

Rettershain

0.1.Mittelalter

Erste schriftliche Erwähnung findet Rettershain in einer Urkunde um 1160, in der vom Grafen von Isenburg Dörfer des Einrichs an den Grafen Heinrich II. von Katzenelnbogen verkauft wurden. Einhundert Jahre später ist der Ort erneut in einer Urkunde verzeichnet, in der die zwei Katzenelnbogener Grafen Diether und Eberhard ihre Besitzverhältnisse im Einrichgau klären.

In einer Urkunde vom 6. Juli 1361 beschreibt Konrad von Ellwangen, der Gerichtsschreiber von Oberwesel, den gesamten Bezirk des Einrichs. Hier heißt es unter anderem: „[Die Grenze verläuft längs] Wizeler margk ußwendig Wizeler margk hinter Rittershayn und die Crumpach herinn bit zu Heppenheft.“

Nach einer im Staatsarchiv Marburg aufbewahrten Urkunde kam Rettershain 1379 ganz in den Besitz von Katzenelnbogen. Ritter Antonius aus Worms und ein Edelknecht namens Ulemann von Montfort verkauften ihre Rechte und Güter auf dem Einrich. Die Urkunde gibt weiter Auskunft über den Zeitpunkt und die Mengen der Abgaben vom Hof Rettershain an die neue Herrschaft. Auch nach der Burg Reichenberg waren Rettershainer Bürger zehntpflichtig. In einer Urkunde von 1383 wird einem Mann aus Rettershain bescheinigt, dass er dem Grafen Eberhard von Katzenelnbogen, dem Herrn der Burg, vierzig Gulden schuldig sei. Als Bürge wird in dieser Urkunde Kunz Loilmann von „Rytershain“ genannt.

Auch die Kirche hatte Besitzungen in Rettershain. Eine Frau namens Lyse von „Retershane“ verpfändete in einem Brief von 1472 dem „geistlichen Herrn Kuno von Schönborn, den man den alten Abt von Schönau nennt“, Felder und Wiesen aus ihrem eigenen Besitz und gibt genau die Mengen Korn und Heu an, die sie als Pacht für Hof und Feld aus geistlichem Besitz zu entrichten hat.[Anm. 1]

Seit dem 14. Jahrhundert gehörte Rettershain zum „Vierherrischen“ Territorium auf dem Einrich.

0.1.1.Etymologie

Erkennbar gibt es für die Gemeinde noch keine verbindliche Schreibweise. „Retirshain“, „Retirshagen“ und „Retershain“ verbindet jedoch die Endung des Namens auf „-hain“, welche darauf hinweist, dass es sich um ein Rodungsdorf handelt, wie auch bei den Dörfern auf „-rod“ oder „-roth“. Sturmfels leitet in seiner Schrift Die Ortsnamen Nassaus den Namen Rettershain aus „zum Haine des Radheri“ ab und interpretiert den Ort so als die frühe fränkische Siedlung eines Mannes namens Radheri.[Anm. 2]

Der Volksmund hat eine andere Deutung: 1921 wurde im Forst von Rettershain ein vorgeschichtliches Hügelgrab mit drei Grabkammern ausgegraben. Man fand Tonscherben, an denen der Grabungsleiter Dr. Kutsch das Alter des Grabes auf etwa 3000 Jahre datierte. Der Volksmund bringt den Namen Rettershain mit diesen angeblichen „Rittergräbern“ in Verbindung.

Auch die zweite volkstümliche Namensdeutung, die Rettershain mit der kleinen Burg Hepenhefde an der Gemarkungsgrenze nach Niederwallmenach und dem gleichnamigen Rittergeschlecht, das vom 12. bis 14. Jahrhundert genannt wird, in Verbindung bringt, entspricht wohl der Fantasie.

0.2.Frühe Neuzeit bis 19. Jahrhundert

Was den Rettershainern nach den Abgaben an die Herrschaft an Korn blieb, musste zum Mahlen in die Bannmühle Schwall des Amtes Reichenberg gebracht werden; so steht es in einer Urkunde von 1618, die von dem Oberamtmann der Niedergrafschaft Katzenelnbogen unterzeichnet ist.

1581 zählte Rettershain 10 Familien, und man darf annehmen, dass sich in den nächsten Jahren bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs 1618 das Dorf weiter ausgedehnt hatte. Nach dem Krieg, der in der Region um Nassau besonders verheerend war, zählte Rettershain 1646 nur noch vier Familien.

Auch in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Krieg drückten die herrschaftlichen Lasten. Spann- und Frondienste waren zu leisten: An die Reichenberger Rentey war Ackergeld zu zahlen, und Fastnachtshühner und Weidehammel geliefert werden. Der Blutzehnt ging an den Herrn von Greiffenklau zu Vollraths, der schickte auch den sogenannten Dezimator, der die zehnte Garbe (Korn) aus dem Kasten nahm. Die Bauern mussten ihre Abgaben dann selbst zum Schiff nach Kaub schaffen. Erst durch die Aufhebung der Leibeigenschaft in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen durch des Landesherrliche Edikt vom 6. Januar 1817 waren die Lasten leichter geworden.

Seit 1822 wurden die Rettershainer Kinder in einer ortseigenen Schule von einem ansässigen Lehrer unterrichtet. Zuvor mussten sie zum Schulbesuch nach Oberwallmenach, wohin Rettershain auch eingepfarrt war.

Im Laufe der Industrialisierung erweiterte sich die Gemeinde stetig. Von 1815 bis 1905 wuchs die Einwohnerzahl von 162 auf 290.[Anm. 3]

Nachdem Rettershain ab 1775 zur Landgrafschaft Hessen-Kassel gehört hatte, kam es von 1806 bis 1813 unter Napoleon in französische Verwaltung (Pays réservé de Catzenellenbogen). Durch den Staatsvertrag von Wien 1815 gehörte die Niedergrafschaft Katzenelnbogen dem Herzogtum Nassau an, welches 1866 infolge des Deutsch-Österreichischen Kriegs von Preußen annektiert wurde.

0.3.20. Jahrhundert bis heute

Nach dem Ersten Weltkrieg war die Gemeinde innerhalb der Alliierten Rheinlandbesetzung bis 1929 von französischen Truppen besetzt.

An der Sitzung des Gemeinderats am 22. Januar 1937 nahm ein Vertreter der NSDAP aus Wiesbaden teil. Anfang 1937 traf ebenso ein Zug des Reichsarbeitsdienstes (RAD) in Rettershain ein, um Schäden im Wald der Gemeinde zu beseitigen, welche durch einen Schneebruch im April des Vorjahres entstanden waren. Man begann mit dem Bau eines RAD-Lagers, welches gegen Ende des Jahres von einer Abteilung bezogen wurde. Insgesamt wurden sieben solcher Baracken errichtet. Die knapp 300 Arbeiter wurden nicht nur in Rettershain, sondern auch in den umliegenden Dörfern eingesetzt. Für die betroffenen Gemeinden brachte der Arbeitsdienst einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung. Besonders die zwei Gastwirte des Ortes hatten mehr zu tun, wenn auch die Arbeiter mit 0,25 Pfennig pro Tag nicht sonderlich viel verdienten.

Neben den Arbeitsdienstlagern geht aus Protokollen der Gemeinde aus dem Jahr 1938 hervor, dass die Absicht bestand, mit den benachbarten Gemeinden ein Schwimmbad zu bauen. Auch dieser Bau sollte sicherlich durch den RAD erfolgen. Außer den Waldarbeiten wurde der RAD noch zu anderen Tätigkeiten eingesetzt. So wurde unter anderem ein Sportplatz gebaut, welcher zuerst überwiegend vom RAD für den Sportbetrieb und zum Exerzieren genutzt wurde. Auch die Schulkinder und Dorfjugend konnte sich hier sportlich betätigen. Der Sportplatz wird noch heute genutzt.

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde der RAD an den Westwall verlegt. Wenig später wurde ein weiblicher RAD im Lager untergebracht. Die jungen RAD-Frauen arbeiteten überwiegend in der Landwirtschaft, insbesondere bei Familien, deren Männer zur Wehrmacht eingezogen worden waren.

1942 belegte wieder ein männlicher RAD das Lager, bis es dann 1944/45 von der Wehrmacht belegt wurde und bis kurz vor Kriegsende noch als Hauptverbandsplatz diente. Soldaten, die dort verstorben waren, fanden auf dem Friedhof von Rettershain ihre letzte Ruhestätte.

Im Jahr 1940 wurden erste französische Kriegsgefangene zu landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt. Ende 1939 kamen einige Zivilisten aus Polen nach Rettershain. Am 27. März 1945 erschienen die ersten amerikanischen Truppen in der Gemeinde. Im Zweiten Weltkrieg fielen 25 Männer aus Rettershain. Im Dorf selbst gab es keine materiellen Kriegsschäden, lediglich in Feld und Wald fielen einige Bomben.

1946 kam Rettershain in das neu entstandene Bundesland Rheinland-Pfalz. Seit 1972 gehört es der Verbandsgemeinde Nastätten an. 

0.4.Nachweise

Text: Geschichte der Gemeinde auf https://www.rettershain.de/history.html (Aufruf am 05.06.2020). Mit freundlicher Genehmigung des Vorstands der Gemeinde Rettershain.

Redaktionelle Bearbeitung und Ergänzungen: Katrin Kober

Erstellt am: 21.07.2020

Anmerkungen:

  1. Das Original dieser Güterverschreibung befindet sich im Archiv des Freiherrn von Preuschen in Osterspay. Zurück
  2. „Triefenstein 1: Chorherren, Grundherren und Burgherren“. In: Spessartprojekt.de. Website des Archäologischen Spessartprojekts – Unterfränkisches Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Universität Würzburg (ASP), https://www.spessartprojekt.de/kulturwege/triefenstein-1-chorherren-grundherren-und-burgherren/ (Aufruf am 29.05.2020). Zurück
  3. „Rettershain“. In: Statistisches Landesamt Rheinland Pfalz, http://www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714107116&tp=2047&ts=tsPop01 (Aufruf am 29.05.2020). Zurück