Zehn Jahre Historische Gesellschaft Bingen - Festansprache des Vorsitzenden Reinhart Auener am 24.11.1985
Hochverehrte Gäste, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder!
Der zehnte Jahrestag der Gründung der historischen Gesellschaft Bingen e.V. ist kein Anlaß für ein Jubiläumsfest. Vielmehr ist diese ansehnliche Versammlung zusammengekommen, um zu legitimieren, daß die gesamte Binger Bürgerschaft auf unseren Ausgangspunkt angesprochen wird: Geschichte ist das lebendige Fundament der Zukunft. Dies ist die Stunde, mit unseren Vereinsgründern als Zeugen zu dokumentieren, wie es dazu gekommen ist, daß sich hier nebenan, im Foyer des Kulturzentrums, wie man damals sagte, Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bingen am 21 . November 1975 zur Gründung eines Vereins mit dem Namen "historische Gesellschaft Bingen" zusammenfanden.
Damals bestanden nebeneinander mehrere Arbeitsgruppen, die sichmit der Binger Staatgeschichte befaßten: ein Arbeitskreis derVolkshochschule, ein Kreis um den Autor vieler Schriften überThemen der Stadtgeschichte Friedrich Rudolf Engelhardt und, auf den Landkreis Mainz-Bingen orientiert, die Vereinigung der Hei-matfreunde am Mittelrhein. Für den gerade angetretenen damaligen Redaktionsleiter der "Allgemeinen Zeitung" in Bingen lag die ldee nahe, diese Kräfte unter einem gemeinsamen Dach zusammenzubringen. lch wandte mich damit am 10. April 1975 in gleichlautenden Briefen an Herrn Engelhardt, an VHS-Direktor Clemens Hahn und an den soeben neugewählten Vorsitzenden der Heimatfreunde, den damaligen Beigeordneten Seppel Loos. Außerdem schrieb ich an Herrn Claus Palm, den beim Landratsamt engagiert für geschichtliche Bezüge eintretenden Kreisoberamtsrat und späteren Kreisverwaltungsirektor. Das Echo reichte von der Ablehnung jeder neuen Vereinsgründung bis zu uneingeschrankter Zustimmung. Es war Friedrich Rudolf Engelhardt, der bereits selbst Schritte zur Vereinsgründung eingeleitet hatte und nun entschlossen zur Tat schritt, wobei ich in den provisorischen Vorstand eintrat. Am 7. Juni 1975 gab es eine erste Mitgliederversammlung mit insgesamt 57 Teilnehmern, die einen Kommissarischen Vorstand wählte und mit der Vorbereitung der formellen Gründung eines in dasVereinsregister einzutragenden Vereins beauftragte.
Unter dem Vorsitz von Frau Studiendirektorin Annemarie Tilger gehörten dem Vorstand - in alphabetischer Reihenfolge - an: Reinhart Auener, Werner Brilmayer, Heinz Friedrich, Bürgermeister Erich Naujack, Gerhard Schröder und Oberstudiendirektor Dr. Robert Wolff. Die Geschäftsführung lag in den Händen von Friedrich Rudolf Engelhardt.
Die Mitgliederversammlung begann übrigens mit einem Podiumsgespräch unter Leitung von Herrn Dr. Wolff, das Binger Zeitungsredakteure, nämlich der zur Fundzeit des römischen Arztbestecks in der Cronstraße tätige spätere Staatssekretär Dr. Peter Paul Nahm und ich als AZ-Redaktionsleiter im Jahre 1975, mit dem Finder, Franz Warthemann, führten, für alle Anwesenden ein unvergeßlicnes Erlebnis. Noch vor der offiziellen Vereinsgründung am 21. November folgte der Besuch in einer Binger Bank,wo Chefarzt Dr. Karl-Maria Heidecker vor den Original-Fundstücken fachliche Erläuterungen gab, eine Veranstaltung, die ebenso wie die Begehung des Draisbrunnens der Initiativkraft Engelhardts zu danken war .
Unterdessen arbeitete der Kommissarische Vorstand eine Satzung aus und beschloss die Herausgabe einer möglicnst jährlichen Publikation unter dem Titel "Binger Geschichtsblätter" mit Oberstudiendirektor Dr. Wolff und AZ-Redakteur Auener als redaktioneller Leitung. Erste Manuskripte wurden zusammengetragen, gesichtet und satzfertig eingerichtet.
Die Vereinsgeschichte begann formell am 21. November 1975 mit der konstituierenden Mitgliederversammlung, bei der die Satzung beschlossen und folgender Vorstand gewählt wurde:
Vorsitzende: Annemarie Tilger; Stellvertreter: Reinhart
Auener und Franz Gerstl; Kassenverwalter: Heinz Friedrich, Stellvertreter: Friedrich Niederlein; Geschäftsführer: Friedrich Rudolf Engelhardt; Geschäftsstellenleiterin: Angelika Engelhardt; Schriftführerin: Bärbel Würth.
Die Gründung wurde von 71 Mitgliedern vollzogen.
Sogleich nach der Versammlung kam es im Vorstand zu Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob für 1975 der volle oder nur der halbe Jahresbeitrag kassiert werden sollte. Verärgerung war die Folge, Herr Engelhardt und seine Tochter legten ihre Ämter nieder und zogen sich aus der Arbeit der historischen Gesellschaft zurück, Manuskripte für die "Geschicntsblätter" wurden zurückgezogen, da sie in Engelhardts "Binger Annalen" erscheinen sollten und die Autoren sie über Engelhardt eingereicht hatten. Am Ende legte Frau Tilger den Vorsitz nieder.
Es spricht für die Kraft zum Eigenleben, daß die historische Gesellschaft diese Krise überstand. Zusammen mit der Stefan-George-Gesellschaft wurde als 1. Folge der "Binger Geschichtsblätter" eine Schrift über den Binger Stefan-George-Freund Saladin Schmitt herausgegeben. Bei einer Mitgliederversammlung am 6. Juni 1976 wurde der Vorstand neu gewählt:
Vorsitzender: Franz Gerstl; Stellvertreter: Reinhart Auener und M. Laetitia Brede ; Kassenverwalter. Friedrich Niederlein Schriftführerin: Bärbel Würth.
Dem Beirat wurde die Aufgabe übertragen, den Vorstand in Sachfragen zu beraten und zu unterstützen. Hans Hammer wurde mit dem Aufbau und der Betreuung eines Bildarchivs beauftragt, das heute von unschätzbarem Wert ist und Jahr für Jahr das Bildmaterial für Diavorträge über "Alt-Bingen" liefert.
Es ist das Verdienst des Vorsitzenden Franz Gerstl, daß die Historische Gesellschaft Bingen e.V. unter seiner Führung in jeder Hinsicht konsolidiert wurde. Dazu trug wesentlich der mit der Druckerei Pennrich herausgegebene Historische Kalender" bei, den die Stadt Bingen, die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz und entscheidend die Binger Wirtschaft zu einem Erfolg werden ließen. Aus einer Idee von Franz Gerstl entstand auch ein zwangloser Gesprächskreis, der als "Geschichtszirkel" von Anfang an ein produktives Eigenleben führte. Den Stil der Exkursionen prägte vor allem M. Laetitia, und die Ausflüge in den Binger Wald wußte Kurt Hochgesand interessant zu gestalten.
Als Franz Gerstl am 4. März 1982, nach fast sechsjähriger Amtszeit, nicht mehr für den Vorsitz kandidierte, wurde mit der kontinuierlichen Fortsetzung der bis dahin geleisteten Arbeit der folgende Vorstand beauftragt:
Vorsitzender: Reinhart Auener; Stellvertreter: M. Laetitia - bis 3. April 1984, Hans Hammer und Franz Alexander Heller seit 3. April 1984; Kassenverwalter: bis 22. März 1985 Friedrich Niederlein, danach Hans Böhm; Schriftführer: seit l. Januar 1985 Erika Wawrzyn.
Die Mitgliederzahl hat steigende Tendenz. Erfreulich ist vor allem der wachsende Anteil jüngerer Mitglieder.
Positiv ist auch die Entwicklung der "Binger Geschichtsblätter" mit wachsender Nachfrage von führenden Bibliotheken des In- und Auslandes, von denen hier die Kongreßbibliothek der USA, die Jüdische National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem und die Deutsche Bibliothek in Helsinki sowie das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg und die Bayerische Staatsbibliothek als Beispiele genannt seien. Unsere Publikation ist von der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main durch die Zuteilung einer 1SSNNummer anerkannt worden. Die Druckauflage mußte inzwischen zweimal ernöht werden. Etwas besonderes stellt inhaltlich und in der drucktechnischen Ausführung die heute vorgestellte Sonderausgabe dar, eine Arbeit von Franz Alexander Heller über den heiligen Rupert von Bingen. Die 11. Folge wird wieder in der preisgünstigen und bewährten Ausführung der Druckerei Schultz erscheinen.
Iim Aufbau befindet sich eine historische Handbibliothek für unsere Mitglieder. Nichtmitglieder können sich jederzeit am "Geschichtszirkel" und an unseren Exkursionen beteiligen.
Nach zehn Jahren kann die historische Gesellschaft Bingen feststellen, daß sie auf solider Grundlage ihre Aufgabe als Beitrag zum kulturellen Leben dieser Stadt erfüllen kann. Wir haben für die Unterstützung zu danken, die uns Stadtrat und Stadtverwaltung jederzeit gewährt haben.
Drei Mitglieder haben sich in ganz besonderer Weise verdient gemacht. Ich habe den ehrenvollen Auftrag, ihnen auf Grund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung die Urkunden über die Ehrenmitgliedschaft der historischen Gesellschaft Bingen e.V. zu überreichen.
Herr Friedrich Rudolf Engelhardt, Ehrenbürger der Stadt Bingen, ist noch im hohen Alter vorbildlich aktiv und initativ, wenn es darum geht, Geschichte für die breiteste Öffentlichkeit darzustellen und vor allem der jungen Generation nahezubringen. Es war sein Entschluß, daß am 21. November 1975 die historische Gesellschaft Bingen e.V. gegründet wurde. Er hat damals wesentliche Impulse gegeben, die bis heute fort-wirken. Gerade aus unserer Sicht ist Friedrich Rudolf Engelhardt eine durchaus einmalige Persönlichkeit und sein Engagement für die Geschichte seiner Wahlheimat Bingen Ansporn für jeden von uns.
Herr Franz Gerstl hat die historische Gesellschaft organisatorisch und finanziell auf eigene Füße gestellt und damit bewirkt, daß die bei der Gründung gesteckten Ziele geradlinig verfolgt werden konnten und weiterhin auf diesem Wege vorangeschritten werden kann. Die Jahre unter seinem Vorsitz waren eine Phase solider Aufbauarbeit, auf der wir und künftige Generationen fußen können. Sein Wirken wird lange über die Amtszeit hinaus die historische Gesellschaft Bingen e.V. in die Lage versetzen, ihren Beitrag zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben dieser Stadt zu leisten.
Herr Friedrich Niederlein hat schon in der Vorphase der Gründung und insbesondere während seiner langjährigen Tätigkeit als Kassenverwalter nicht nur die Vereinsfinanzen in Ordnung gehalten, sondern weit darüber hinaus wesentlich daran mitgewirkt, daß die Binger Wirtschaft die Arbeit der Historischen Gesellschaft Bingen e.V. als wichtigen Beitrag anerkannt und gefördert hat. Ohne seine Leistung wäre es uns nicht möglich gewesen, die breite Öffentlichkeit immer wieder auf unsere Aktivitäten aufmerksam zu machen.
Zu danken haben wir aber auch den anderen namentlich erwähnten und zahllosen ungenannten Mitgliedern, die stets bereit waren und sind, Aufgaben zu übernehmen und nach bestem Wissen und Können für die historische Gesellschaft Bingen e.V. einzutreten. Dankbar sind wir auch Herrn Dr. Gerd Rupprecht, dem Mann der Bodendenkmalpflege, für seinen Festvortrag über „Das unterirdische Archiv von Bingen".
(Persönliche Anmerkung: Der Titel „Binger Geschichtsblätter" -von mir vorgeschlagen- ist eine stille Reverenz an meinen Vater, Dr. Wilhelm Auener, der zusammen mit seinem Freund, dem Archivar seiner Heimatstadt, die "Mühlhäuser Geschichtsblätter" maßgeblich mitgestaltet hat.)