Mönchsorden als Wirtschaftsunternehmen
(ts) Aus ungewohntem Blickwinkel betrachtete der früher für die BASF tätige Dr. Hans-Jürgen Dietrich die 1098 im französischen Citeaux gegründete religiöse Gemeinschaft der Zisterzienser. Zu seinem Lichtbildervortrag hatten die Wormser Familienforscher eingeladen.
Grundlage für den Mönchsorden der Zisterzienser war die Anweisung Benedikts von Nursia „bete und arbeite“. Für ein gottgefälliges asketisches Leben warb der wortgewaltige Bernhard von Clairvaux. Der englische Adlige Stephen Harding, der in verschiedenen französischen und italienischen Klöstern Erfahrungen gesammelt hatte, entwickelte dann spezielle Regeln für die Zisterzienser.
Der Orden wurde vom Konvent aller Äbte geleitet, die einmal im Jahr zusammenkamen, um zu beraten und Beschlüsse zu fassen. Die Klöster gründeten Töchterklöster, für deren Ausstattung und Beaufsichtigung sie verantwortlich waren. So entstanden bis 1150 etwa 350 neue Klöster in ganz Europa. Jedes suchte sich einen Erfolg versprechenden wirtschaftlichen Schwerpunkt. Landbesitz aus Schenkungen wurde zu möglichst großen Einheiten verbunden, und so konnte die im Mittelalter wachsende Bevölkerung der Städte mit landwirtschaftlichen Produkten beliefert werden. Kloster Eberbach transportierte jährlich 200 000 Liter Wein mit eigenen Schiffen rheinab bis Köln. Kloster Meaux in England verkaufte die Wolle seiner 11 000 Schafe nach Flandern und Italien. Direktvermarktung ohne Zwischenhandel steigerte den Profit. Verringerung von Abgaben und Steuern zum Erhalt kirchlicher Einrichtungen wurde bei der weltlichen oder geistlichen Obrigkeit erwirkt. Genaue Buchführung mit Soll/Ist-Vergleich am Jahresende gab Sicherheit für das Aufstellen des neuen Wirtschaftsplans. Die Lohnkosten waren gering, denn nicht nur die Mönche, sondern auch die Laienbrüder sollten Konsumverzicht üben. Trotzdem waren diese Mitarbeiter hochmotiviert, weil das Kloster ihnen Nahrung, Schutz und Aufstiegsmöglichkeiten bot. So vermochte man sich als Ungebildeter aus dem Bauernstand zum Spezialisten für Fischzucht, zum Leiter einer Werkstätte oder zum Verwalter eines Klosterhofs hochzuarbeiten.
Der Niedergang des transnationalen Unternehmens der Zisterzienser vollzog sich im 14. Jahrhundert, als sich das Umfeld änderte. Die vornehmlich betriebene Landwirtschaft verlor an Bedeutung gegenüber Handwerk und Handel in den Städten. Die neuen Predigerorden der
Dominikaner und Franziskaner fanden als Seelsorger mehr Anklang als die die ländliche
Einsamkeit bevorzugenden Zisterzienser. Diese galten nun als weniger attraktiv, erhielten
kaum noch Schenkungen. Deshalb verarmten viele Zisterzienserklöster, konnten ihre Mönche und Laien nicht mehr ernähren.
Eine Mahnung für uns heute, sich rechtzeitig neuen Gegebenheiten anzupassen.