Wormser Lederindustrie
Nachträgliches Fazit zum Vortrag von Dr. Petra Blachetta über leitende Angestellte der Wormser Lederindustrie
Ähnlich wie die Gruppe der wohlhabenden lutherischen Familien in Worms, die vom 16. – 18. Jh. die Mitglieder für den Dreizehnerrat der Freien Reichsstadt stellten, gehörten um 1900 die leitenden Angestellten der Wormser Lederwerke zur tonangebenden Gesellschaftsschicht der Stadt.
Viele hatten als sogenannte Einjährige beim Militär gedient und pflegten als Reserveoffiziere engen Kontakt zu den Berufsoffizieren des in Worms stationierten Regiments 118, die in der Wilhelminischen Zeit hohes Ansehen genossen. Etliche kannten sich vom Studium in Darmstadt her, waren auch Mitglieder von Studentenverbindungen geworden. Sie trafen sich regelmäßig z. B. bei Veranstaltungen des AHSC Worms, der Vereinigung von Corpsstudenten, die 1890 unter Oberbürgermeister Wilhelm Küchler, einem Angehörigen der Corps Rhenania Heidelberg und Teutonia Gießen, gegründet worden war.
Außerdem kam man privat häufig zusammen. Die Ehepaare luden sich gegenseitig ein, unternahmen gemeinsame Ausflüge in den Odenwald und in die Pfalz. Die Damen hatten noch ihr eigenes Kaffeekränzchen, Tausendschön genannt. Aus den Freundschaften der Familien entwickelten sich auch eheliche Verbindungen. So heirateten zwei Hochgesand Söhne Nebel Töchter.
Die für die Firma Heyl in vielen Teilen der Welt tätigen Kaufleute und Ingenieure konnten schriftlich und mündlich Interessantes von ihren Geschäftsreisen nach Paris, New York oder Smyrna berichten. Da es noch keinen Massentourismus oder das Fernsehen gab, schuf diese Möglichkeit zusätzliches Prestige.
Von auswärts nach Worms gekommene Mitarbeiter in der Lederindustrie bereicherten mit ihren Kenntnissen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben.
Für die Stadt Worms muss deshalb der Untergang ihrer Lederindustrie als ein schwerer Verlust eingestuft werden
Petra Blachetta wird in ihrem Buch „Alles aus Leder ! – Alles auf Sand ?“ zahlreiche Belege dafür bieten.
Til Schrecker