Vicus Altiaiensium
Das Gebiet um die heutige Stadt Alzey in der Nähe des Flusses Selz hatte durch den fruchtbaren Lößboden und dem verhältnismäßig warmen Klima eine starke Anziehungskraft auf Siedler.[Anm. 1] Aus Alzey sind viele Grab- und Siedlungsfunde der spätkeltischen Zeit (1.Jhd. v.Chr.) bekannt. Es gab wohl eine relativ große, keltische Siedlung, auf die sich der römische vicus aufbaute. Der vicus entstand also nicht neu, eher wurde die keltische Siedlung allmählich durch die kulturellen und architektonischen Veränderungen der Römer beeinflusst.[Anm. 2]
Die römische Zivilsiedlung ist seit augustäischer Zeit (31 v. Chr – 14 n. Chr.) nachweisbar und hatte aufgrund der Streuung der Funde wahrscheinlich eine ungefähre Größe von etwa 54 ha mit einem Schwerpunkt im Südosten der heutigen Stadt Alzey. Die nördliche Grenze war wahrscheinlich der Fluss Selz und im Süden endete der vicus etwa auf Höhe des heutigen Sportplatzes.[Anm. 3]
Dass es sich bei der Siedlung auch rechtlich um ein vicus handelte, beweist der sogenannte Nymphenaltar, der die Bewohner Alzeys als vicania altaienses ausweißt, also als Einwohner eines vicus. Ein vicus war eine Art Kleinstadt. Zwar besaß ein vicus keine Stadtrechte, aber es handelte sich trotzdem um ein regionales Zentrum, in dem wohl auch regelmäßig Märkte stattfanden. [Anm. 4]
Durch den vicus Altiaiensium verliefen zwei Fernstraßen, nämlich die Straße von Mainz nach Metz und die Straße von Bingen über Bad-Kreuznach nach Worms. Die Siedlung befand sich also in einer guten Verkehrslage, was sich auch wirtschaftlich positiv auf den vicus auswirkte. Funde von weiteren Straßenresten, wie Kalksteinschotterungen und vereinzelte, steinerne Abwasserrinnen, lassen auf ein annähernd regelmäßiges Straßennetz im Bereich der Siedlung schließen.[Anm. 5]
Im vicus war wohl der Haustyp des sogenannten Streifenhauses vorherrschend. Diese Häuser waren lang und schmal und für vici in den nördlichen Provinzen des römischen Reiches charakteristisch. 1938 wurde ein Haus in der Dr.-Georg-Durst-Straße ergraben. Es hatte ein Fundament aus Kalkstein, Wände aus Fachwerk und ein mit Ziegeln gedecktes Dach, war 16,80 Meter lang, 7 Meter breit und wird in die 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert.[Anm. 6]
Die Bewohner der Siedlung waren wohl dieselben wie in vorrömischer Zeit. Für die Anwesenheit von römischem Militär fehlen beispielsweise die typischen Funde des römischen Militärgeschirrs. Außerdem gab es bis in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts nach heutigem Forschungsstand auch kein Kastell in Alzey.[Anm. 7]
Etwa 170 n. Chr. dürfte ein Kultbezirk für die keltisch-germanischen Gottheiten wie Apollo-Grannus und Sirona – von denen viele Weihungen gefunden wurden – erbaut worden sein. Durch Architekturfunde kann dieser Bezirk eventuell in der heutigen Dr.-Georg-Durst-Straße vermutet werden.[Anm. 8]
Der Fund von zwei Münzschätzen aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts, sowie Brandschichten aus jener Zeit, könnten Hinweise auf eine teilweise Zerstörung des vicus durch Germaneneinfälle im 3. Jahrhundert sein. Anhand der Funde ist aber ab dem Ende des 3. Jahrhunderts ein erneuter Aufschwung des vicus nachweisbar. So wurden beispielsweise großzügig angelegte Gebäude gefunden, welche größer als die vorherige Bebauung waren. Eines davon, welches im Gebiet des späteren Kastells gefunden wurde, lässt sich dank einer Münze des Galerius im Fundament in die Jahre 296/97 datieren.[Anm. 9]
Um die Mitte des 4. Jahrhunderts bedeutete wahrscheinlich ein alemannischer Angriff während des Bürgerkrieges zwischen Magentius und Constantinus II. das Ende des vicus. Das Fundmaterial endet in der Mitte des 4. Jahrhunderts und durch den Fund noch verschlossener Vorratstöpfe in Gebäuderesten und Skelettfunden außerhalb der Gräberfelder wird vermutet, dass der Angriff auf den vicus überraschend kam und die Siedlung vorher nicht geräumt wurde.[Anm. 10]
Danach lag das Gebiet um Alzey für etwa 15-18 Jahre wüst, ehe zwischen 367 und 370 ein Kastell an dieser Stelle gebaut wurde.[Anm. 11]
Nachweise
Verfasser: Lutz Luckhaupt
Verwendete Literatur:
- Hunold, Angelika: Die römische Siedlung von Alzey. Von der Zeitenwende bis 352 n. Chr. Alzeyer Geschichtsblätter 31 (1998), S. 21-37.
- Oldenstein, Jürgen: Kastell Alzey. Archäologische Untersuchungen im spätrömischen Lager und Studien zur Grenzverteidigung im Mainzer Dukat. Mainz 2009.
Erstellt am: 04.11.2015
Anmerkungen:
- Oldenstein, Jürgen: Kastell Alzey. Archäologische Untersuchungen im spätrömischen Lager und Studien zur Grenzverteidigung im Mainzer Dukat. Mainz 2009, S. 12. Zurück
- Hunold, Angelika: Die römische Siedlung von Alzey. Von der Zeitenwende bis 352 n. Chr. Alzeyer Geschichtsblätter 31 (1998), S. 21-37, hier S. 26. Zurück
- Ebenda, S. 23. Zurück
- Ebenda, S. 23. Zurück
- Ebenda, S. 23. Zurück
- Ebenda, S. 25. Zurück
- Ebenda, S. 27-28. Zurück
- Ebenda, S. 31. Zurück
- Ebenda, S. 32-33. Zurück
- Ebenda, S. 35-36. Zurück
- Oldenstein, S. 14-15. Zurück