Zur Geschichte von Bingen
Römische Zeit
Entsprechend seiner geographischen Lage an der Einmündung der Nahe in den Rhein und dem Übergang aus der Rheinebene in das enge obere Mittelrheintal wurde Bingen schon in römischer Zeit ein militärischer Stützpunkt. Das Kastell Bingen wurde um die Zeitenwende von den Römern gegründet. Obwohl weder auf Binger noch auf Bingerbrücker Seite militärische Anlagen nachgewiesen sind, hat es diese mit Sicherheit gegeben: Bekannt ist etwa, dass in der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts drei Kohorten an Hilfstruppen hier stationiert waren, namentlich die cohors IV. Delmatarum, cohors I Pannoniorum und cohors I Sagittariorum. Später übernahmen wohl Abteilungen der 14. und 22. Legion aus Mainz den Schutz des Platzes.
Weil ab Mitte des 4. Jahrhunderts Germanen das Land bedrohten, wurde der Ort im Jahr 359 mit einer Umfassungsmauer umgeben. Die durch verschiedene Abgriffe mehrmals zerstörte Nahebrücke in Bingen, wurde aufgrund ihrer hohen Bedeutung als Straßenverbindungen nach Trier, Koblenz und Kreuznach immer wieder aufgebaut.
Mittelalter
Nach der Zeit der Völkerwanderung bestand in fränkischer Zeit im Ort ein ansehnliches Königsgut. Als weitere Grundbesitzer sind das Erzstift Mainz sowie die Klöster Fulda, Lorsch, Hasenried und Prüm in der Eifel bekannt. Seit dem Jahr 819 verwalteten die Rupertiner das Binger Reichsgut. Dem Fiskalbereich an der Nahemündung war neben dem Binger WaId vermutlich auch Besitz im rechtsrheinischen Rheingau zur Nutzung und Verwaltung zugeordnet, und zwr die Salhöfe in Eltville, Oestrich, Rüdesheim und Lorch.
Seit dem späten 9. Jahrhundert wurde das Binger Reichsgut wohl von den Konradinern verwaltet und stand dann bis 954 unter der Administration der Salier. Der Nahegau-Graf Konrad der Rote von Lothringen baute Bingen in dieser Zeit zu einer Hauptbasis fränkischer Macht aus.
Erst 983 schuf dann der Reichstag von Verona eine neue Situation, als Otto II. der Mainzer Kirche, namentlich dem bedeutenden Reichskanzler und Erzbischof Williges (975-1011), den älteren Besitz in Bingen bestätigte und neue Herrschafts- und Bannrechte (samt deren Einkünften) über Bingen und den Rheingau verlieh. Das Erzstift sicherte seinen Besitz durch den Bau der Burg Klopp und befestigte die Stadt mit Mauern und Türmen, letztere überdauerten bis ins 19. Jahrhundert. Im Laufe des Mittelalters war Bingen mehrmals von Unruhen und Zerstörungen betroffen: im Jahr 1165 zerstörte Landgraf Ludwig von Thüringen die Stadt, 1301 wurde sie durch König Albrecht erobert und 1321 fand ein Aufstand einiger Bürger statt. In den Jahren 1403 und 1490 wurde Bingen von zwei großen Stadtbränden heimgesucht.
Seit 1438 wurde Bingen durch das Mainzer Domkapitel verwaltet, nachdem sich der Mainzer Erzbischof Stück für Stück aus der Stadtherrschaft zurückgezogen hatte.
Frühe Neuzeit
Die Geschichte der Stadt Bingen während der Frühen Neuzeit ist vor allem eine Geschichte ständig wechselnder Besatzung und Zerstörung. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Bingen zunächst verschont, aber schon 1620 entsandte Mainz einen kleine Garnison zur Verteidigung der Stadt. 1631 wurde Bingen von Schweden besetzt, welche 1635 von mit den Protestanten verbündeten Truppen, u.a. Franzosen, erobert wurde. Der vorangegangenen Belagerung fiel ein großer Teil der Häuser zum Opfer. In den Jahren 1639 und 1640 wechselte die Besatzungsmacht mehrfach. Nach der Einnahme durch kaiserliche Truppen 1640 leitete das Domkapitel Bestrafungsmaßnahmen ein, da die Bürger die Verteidigung vorzeitig abgebrochen hätten. 1644 wurde die Stadt erneut von Franzosen eingenommen, welche erst 1650 - also zwei Jahre nach dem Kriegsende - wieder abzogen. Das Mainzer Domkapitel, das Binger Martinsstift Heilig Geist Hospital und das Kloster Ruppertsberg halfen beim Wiederaufbau der Stadt. [Anm. 1]
Bingen wurde 1688 von den Franzosen besetzt, die es im Folgejahr in Brand steckten und fast vollständig zerstörten. Ein Teil der Nahebrücke wurde dabei gesprengt. Während des polnischen Erbfolgekriegs wurde die Stadt 1734 erneut durch französische, dann durch hessische, dann wieder durch französische Truppen besetzt und finanziell ausgebeutet. im siebenjährigen Krieg 1756 bis 1763 zogen erneut mehrere Truppen durch Bingen oder quartierten sich ein. [Anm. 2]
Im 18. Jahrhundert kam es zu Konflikten zwischen der Bürgerschaft und dem Domkapitel. Insbesondere im Jahr 1752 wegen Forderungen des Domkapitels, die die Bürger mit Hinweis auf ihre Freiheit von Frondiensten ablehnten. Das Domkapitel ging mit aller Härte vor und ließ von einer 200 Mann starken Exekutionstruppe im Rathaus die Schränke aufbrechen und alle Dokumente mitnehmen. Nachdem der Kurfürst auf Beschwerde der Bürgerschaft eine Schlichtungskommission entstandte, ließ das Domkapitel vor der versammelten Gemeinde die 1525 ausgestellte Unterwerfungsurkunde vorlesen. Jeder einzelne Bürger musste sich durch Stimmabgabe entscheiden, ob er sich am Prozess gegen das Domkapitel beteiligen wollte. Die Bürgerschaft verzichtete daraufhinauf den Prozess und unterwarf sich bedingungslos. In den folgenden Jahrzehnten kam es jedoch erneut zu Streitigkeiten (vor allem 1789 um den Binger Wald). [Anm. 3]
Im Oktober 1792 wurde Bingen erneut von den Franzosen, diesmal von französischen Revolutionstruppen, besetzt. Die Besatzer blieben bis zum Jahr 1814, im Jahr 1816 wurde der Ort dann dem Großherzogtum Hessen zugeteilt.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff, Simeon Thomas Pfeiffer
Verwendete Literatur:
- Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990.
- Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.1: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 2007.
- Reidel, Katharina M.: Die Stadt des Domkapitels. In: Mathy, Helmut (Hrsg.): Bingen. Geschichte einer Stadt am Mittelrhein. Vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Mainz 1989, S. 73-170.
Aktualisiert am: 11.11.2016