Hahnheim
0.1.Frühgeschichte und Antike
Das heutige Hahnheim liegt in der günstigen geografischen Lage im "Undenheimer Becken" und am Fluss Selz, sodass sich menschliche Siedlungen schon um ca. 1800 v. Chr. belegen lassen. Zahlreiche Scherbenfunde lassen annehmen, dass diese Gegend weitgehend kontinuierlich bewohnt wurde. Nach den Kelten und später den Germanen, besiedelten im Zeitraum vom 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr. die Römer das Hahnheimer Gebiet. Funde mehrerer "villae rusticae" (Einzelhöfe) entlang der Selz sowie der 1977 entdeckte Brunnen zeugen von dieser Zeit. Das 5. Jahrhundert stellte eine unruhige Zeit dar, da die Kontrolle der Römer gebrochen wurde und verschiedene germanischen Völkerstämme in das Gebiet eindrangen. Somit konnte sich keine dauerhafte Besiedlung etablieren. Erst im 6. und 7. Jahrhundert übernahmen die fränkischen Merowinger im rheinhessischen Raum und in Hahnheim die Herrschaft, dies lässt sich mit den Bodenfunden auf der Anhöhe "auf dem Anger" belegen. [Anm. 1]
0.2.Mittelalter und Neuzeit
Die Beziehung zum Kloster Lorsch
Der "Codex Laureshamensis" (Lorscher Codex) erwähnt "Hagenheim" erstmals im Jahre 764. Laut dieser Urkunde wurde am 12. Juli 764 das Kloster Lorsch gegründet und mit einem großen Teil von Hahnheim, einem dortigen Gutskomplex und weiteren Gebieten beschenkt. Das bewegliche Gut Hahnheims, also die gesamte Bevölkerung und deren Tiere, wurden ebenfalls den Lorscher Mönchen übertragen. Sicher ist aber, dass 764 nicht ganz Hahnheim dem Kloster gestiftet wurde, da es zu späteren Zeitpunkten noch weitere Schenkungen aus Hahnheim gab. Erst 1032, als der Abt Humbert ca. 600 Morgen des klösterlichen Besitzes in Hahnheim als Lehen vergab, endete die Lorscher Episode in der Geschichte Hahnheims. [Anm. 2]
Laut dem Historiker Marek Zurowski geht der Name Hahnheim nicht, wie das aktuelle Wappen vermuten lässt, auf den Hahn zurück, sondern auf einen fränkischen Adeligen namens Hagen, bzw. Hagano. Somit ließe sich erklären, warum im Lorscher Codex "Hagenheim" geschrieben steht. Um 720 ist ein Mann namens Hagano überliefert, der der Mitbegründer des Altenmünsters in Mainz war. Geht man also davon aus, dass Hahnheim auf diesen Mann zurückzuführen ist, so muss dieser Ort schon 50 - 70 Jahre vor seiner ersten Erwähnung bestanden haben. [Anm. 3] Weitere ehemalige Namen für Hahnheim waren Hegenheim (793), Hainheim (1311), Hanheim (1316). [Anm. 4]
(Frei)Herren von Dienheim
In der Folge wechselten die Güter in Hahnheim mehrfach den Besitzer, bis sie schließlich um 1550 zu den Herren, später Freiherren von Dienheim kamen, die sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts behielten und Hoheitsrechte darüber ausübten. Ein besonders wichtiger Teil dieser Güter war der Wahlheimer Hof, der für die Landwirtschaft und für den Weinbau eine wichtige Rolle einnahm. Jedoch fiel er erst im 19. Jahrhundert zur Gemarkung Hahnheim. Die Herren von Dienheim gehörten zur rheinhessischen Reichsritterschaft. Vertreter dieses niederadligen Geschlechtes konnten im politischen Leben, im Bereich der Kirche und des sozialwirtschaftlichen Lebens an Einfluss gewinnen und somit die Bedeutung des Geschlechts von Dienheim steigern. Ihnen gehörten Güter auf beiden Seiten des Rheins, wobei ihr Zentrum in Oppenheim lag. Hahnheim nahm bei den Herren von Dienheim aber eine besondere Stellung ein, da es einer der wenigen Orte war, über den sie auch grundherrliche und obrigkeitliche Rechte besaßen. Infolge der Zerstörungen, die Hahnheim während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) und des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688 - 1697) erlitten hat, floh Philipp Adam Freiherr von Dienheim, der damalige Herr des Ortes, nach Mainz. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verloren die Reichsritterschaften, in denen auch die Freiherren von Dienheim organisiert waren, nach und nach ihre Privilegien. Bis 1806 wurden die Reichsritterschaften endgültig aufgelöst und ihre Rittergüter gingen an die angrenzenden Länder über. [Anm. 5]
Ein Relikt dieses Rittergeschlechtes ist das 1590 unter Johann Henrich von Dienheim (1557 - 1627) erbaute "Schlösschen in Hahnheim". 1963 wechselte der Besitz des schwer baufälligen Schlösschens. Kurz darauf begannen die Restaurierungsarbeiten, die nach 10 Jahren abgeschlossen werden konnten. Dabei wurde versucht, das heute in Privatbesitz befindliche Gebäude in etwa so wiederherzustellen, wie es im 16. Jahrhundert ausgesehen haben muss. [Anm. 6]
0.3.Vom 19. Jahrhundert bis Heute
Französicher Einfluss
Die Französische Revolution von 1789 und deren Nachwirkungen hatten zur Folge, dass Abgaben an die Zehntherren und das Feudalverhältnis abgeschafft wurden. 1794 besetzten französische Truppen die Region. Von Kampfhandlungen war Hahnheim vermutlich deshalb wenig betroffen, da die Franzosen ihr Lazarett im Dorf errichteten. 1797 bis 1801 wurde schließlich die linke Rheinseite schrittweise in Frankreich eingegliedert. Hahnheim wurde nun zusammen mit dem Wahlheimer Hof der Bürgermeisterei Selzen untergeordnet, die wiederum im Kanton Oppenheim im Département du Mont-Tonnerre (Département Donnersberg) verwaltet wurde. Nach der Niederlage Napoleons bei der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 ging die französische Besatzung bald zu Ende. Nach dem Wiener Kongress von 1815 konnte im Folgejahr für Hahnheim ein neues Kapitel in der neu gebildeten Provinz Rheinhessen aufgeschlagen werden. [Anm. 7]
Hahnheim nach dem Wiener Kongress
1816 wurde Rheinhessen Teil des Großherzogtums Hessen, die Provinzialregierung hatte ihren Sitz in Mainz. Fünf Jahre später erhielt Hahnheim seine Selbstständigkeit mit einer eigenen Bürgermeisterei zurück, nachdem es zuvor der Bürgermeisterei Selzen unterstellt war.
Hahnheim und der Wahlheimer Hof gehörten zuerst zum Kanton Oppenheim (1816-1835), daraufhin zum Landbezirk Mainz (1835-1852), dem Kreis Oppenheim (1852-1938), dem Landkreis Mainz (1938-1968) und seit 1968 zu dem Landkreis Mainz-Bingen. [Anm. 8]
Anfang des 20. Jahrhunderts entstand auf dem Hügel "Hahnheimer Knopf" eine Festungsanlage. Diese wurde zwischen 1906 und 1912 errichtet und war Teil des Mainzer Befestigungsnetzes. Dazu zählten unterirdische Gänge, Geschütze und Kasematten. Sie wurde allerdings nie gebraucht, denn schon 1915 zogen langsam alle Truppen aus dem Dorf ab. Folglich mussten sich die Frauen, Kindern und älteren Menschen um die alltägliche Arbeit kümmern. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918) besetzten abermals französischen Truppen Rheinhessen. Der Friedensvertrag von Versailles forderte die Sprengung der deutschen Festungsanlagen, so auch die in Hahnheim, welche dann nach dem Zweiten Weltkrieg gänzlich mit Erde zugeschüttet wurde. Im Jahr 1930 zogen die Franzosen wieder aus Rheinhessen ab. Diese lange Besatzungszeit trug zu einer Stimmung in der Bevölkerung bei, die sich die Partei NSDAP zu Nutze machen konnte. Diese gewann im Anschluss schnell an Zuspruch. [Anm. 9]
Unter den Nationalsozialisten
Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten wurde 1933, wie in vielen Orten, auch der Bürgermeister Hahnheims abgesetzt und gegen einen kommissarischen Bürgermeister ausgetauscht. Weitere Folgen waren die Auflösung des Krieger- und Soldatenvereins und die Ausschaltung der Opposition im Gemeinderat. Schnell bemühten sich die Verantwortlichen auch um die propagandawirksame Umbenennung von Straßen und Plätzen, so wurde z.B. die "Hintere Landstraße" in Hahnheim in die "Adolf-Hitler-Straße" umbenannt. Politische Gegner brachten sie zur "Umerziehung" ins nahegelegene KZ Osthofen und Juden wurden verfolgt und diskriminiert. Ähnlich wie vor dem Ersten Weltkrieg benötigten die Daheimgebliebenen Hilfe bei der täglichen Arbeit, da die Männer ihren Kriegsdienst zu leisten hatten. Hierfür wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. Die knappe Lebensmittelversorgung regelte man mit Karten und Bezugsscheinen, welche aber voranging an Parteimitglieder ausgehändigt wurden. Die direkten Auswirkungen des Krieges erlebten die Hahnheimer aber erst, als 1942 die Bombardierung von Mainz begann und die betroffenen Bewohner in den umliegenden rheinhessischen Dörfern Obdach suchten. Am 9. März 1945 traf auch eine Bombe Hahnheim, bei der drei Menschen starben und zahlreiche Gebäude Schäden davontrugen. Als gegen Ende des Krieges die Amerikaner schon kurz vor Hahnheim standen, entschieden die Bewohner, ähnlich wie auch benachbarten Ortschaften, eine weiße Fahne zu hissen, um deren Kapitulation zu signalisieren. Am selben Tag ließ sie aber ein Offizier, der zufällig darauf aufmerksam wurde, wieder entfernen. Der Kampf gegen die Alliierten musste wieder aufgenommen werden. Hierbei waren die Deutschen aber weit unterlegen, sodass dies einige Menschenleben forderte und die Mehrheit der Häuser, Scheunen und Straßen zerstört oder beschädigt wurden. [Anm. 10]
Hahnheim nach dem Krieg und bis heute
Da sich die Menschen in den benachbarten Ortschaften kampflos ergaben, war keine so hart vom Krieg getroffen wie Hahnheim, sodass sich die Räumung der Trümmer und der Wiederaufbau über Jahre hinzog. Aufgrund der durch die entstandenen Zerstörungen ausgelöste Wohnungs- und Lebensmittelnot, verschlechterte sich die Lage der Bewohner weiter. Das Jahr 1947 entwickelte sich besonders dramatisch, sodass es später als das "Hungerjahr" bei den Menschen im Gedächtnis blieb. Im September 1946 wählten die Hahnheimer ihren Bürgermeister in der ersten demokratischen Wahl seit 1929. Nachdem die Kriegsschäden beseitigt, die schwer beschädigten Straßen instandgesetzt und modernisiert wurden, widmete man sich ab 1961 dem Projekt Neubaugebiet "Bahnhofstraße". Durch die darauffolgende rege Bautätigkeit wuchs die Zahl der Einwohner rapide an. 1970 lebten noch 840 Menschen in Hahnheim, zehn Jahre später schon 1227 Personen. [Anm. 11]
Seit 1972 gehört Hahnheim zur Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim, welche dem 1969 gebildeten Landkreis Mainz-Bingen zugeordnet wird. Der 13.08.1999 stellte für Hahnheim ein einschneidendes Ereignis dar. Der sogenannte Angelbaum, eine rund 800 Jahre alte Ulme, musste entfernt werden. Der Angelbaum war ein wichtiger Teil des Ortes und eng verbunden mit dessen Geschichte und den Bewohnern. Im Laufe des 20. Jahrhunderts erlitt er starke Schäden durch Kriegsbeschuss, einen Brand und einen Pilz, sodass er trotz Rettungsversuchen letztendlich gefällt werden musste. Noch im selben Jahr pflanzten die Hahnheimer an selber Stelle einen neuen Dorfbaum. Der "Partnerschaftsbaum" soll an die 1999 geschlossene Partnerschaft zu der Gemeinde Váralja in Süd-Ungarn erinnern. [Anm. 12]
Die neueste Einwohnerzahl (31.12.2015) beträgt 1553. [Anm. 13]
Nachweise
Verfasser: Tobias Bast
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
- Zurowski, Marek: Hahnheim 764- 1990. Aus der Geschichte einer rheinhessischen Weinbaugemeinde. Horb am Neckar 1991.
Links:
- "Hahnheim. Mein Dorf, meine Stadt." In: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz. URL: www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/content.aspx (Aufruf am 10.01.2018).
- Otto, Wilfried: Der Hahnheimer Angelbaum. Die Geschichte eines außergewöhnlichen Naturdenkmals. In: Hahnheim. Liebens- und lebenswerte Weinbaugemeinde. URL: www.hahnheim.de/index.php (Aufruf am 10.01.2018).
Aktualisiert am: 10.01.2018
Anmerkungen:
- Vgl. Zurowski, S. 15ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 20ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 23. Zurück
- Vgl. Brilmayer, S. 197f. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 31ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 221. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 51ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 84 Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 125ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 138ff. Zurück
- Vgl. Zurowski, S. 147, 291ff. Zurück
- Vgl. http://www.hahnheim.de/index.php?m=1&site=geschichtliches Zurück
- Vgl. http://www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/content.aspx?id=103&g=0733907025&l=3&tp=2047 Zurück