Zur Geschichte von Westhofen
Ersterwähnung und Herrschaftsverhältnisse im Mittelalter.
Westhofen wurde am 29. Juli 774 zum ersten Mal erwähnt und tauchte im Mittelalter unter unterschiedlichen Ortsnamen auf: Westobin (1237); Westoven (1239); Westhoven (1257); Westhoffen (1496), die aber alle denselben Sprachstamm zeigen. [Anm. 1]
Die Hoheit über Westhofen hatten zunächst die Benediktiner von Kloster Weißenburg. [Anm. 2] In deren Besitzbuch Possessiones Winzenburgensis wird Westhofen auch unter dem Namen Westhouen genannt. [Anm. 3] Diese Hoheit gaben sie aber an die Raugrafen, die Herren von Hohenfels und die Herren von Reipoltskirchen, den Winter von Alzey und den Herren von Bolanden ab. [Anm. 4] Die Ortsvogtei war prinzipiell im Besitz der Grafen von Leiningen, die allerdings verschiedene Edelleute damit belehnten. [Anm. 5] Den beträchtlichsten Anteil am Dorf hatten die verschiedenen Linien der Raugrafen und es scheint, dass ihnen auch der Anteil der Truchsesse von Alzey zugefallen ist. Im Jahr 1324 erlaubte König Ludwig IV. (1282/86-1347; Amtszeit: 1314-1347) dem Raugrafen Georg II. (gest. 1350), jeden Dienstag einen Wochenmarkt in Westhofen abzuhalten. 1400 und 1412 verpfändeten die Raugrafen mit Zustimmung Weißenburgs ihren Teil an Westhofen dem Pfalzgrafen Ruprecht III. (1352-1410; Amtszeit: 1398-1410) Der Anteil der Herren von Bolanden kam über Heirat zunächst an die Grafen von Sponheim, dann durch Heirat mit Elisabeth von Sponheim-Bolanden an den Grafen Kraft IV. von Hohenlohe-Weikersheim (gest. 1399) und durch dessen einzige Tochter Anna von Hohenlohe-Weikersheim (gest. 1410) an den Grafen Philipp I. von Nassau-Weilburg(um 1368-1429). Am 24. Januar 1579 kam es zu einem Vertrag zwischen dem pfälzischen Kurfürsten Ludwig VI. (1539-1583; Amtszeit: 1576-1583) und dem Grafen Philipp IV. von Nassau-Weilburg (1542-1602; Amtszeit: 1559-1602) sowie dessen Bruder Albrecht von Nassau-Weilburg-Ottweiler (1537-1593), wo diese ihren Anteil an Kurpfalz abtraten. Der Bischof von Speyer Philipp Christoph von Sötern (1567-1652) als damaliger Propst von Weißenburg trat 1615 seinen Hohenfelsischen Anteil förmlich an die Kurpfalz ab. Damit war im 17. Jahrhundert formal gesehen Westhofen komplett in kurpfälzischer Hand. Es gehörte zum Oberamt Alzey und war Teil der Kurpfalz bis zum Endes dieses Staates während der französischen Besetzung nach 1793.
Das Kirchenpatronat befand sich zunächst bei den Benediktinern von Weißenburg, die es allerdings den Raugrafen als Lehen übergaben. 1297 verkauften die Raugrafen Rupert III. und Heinrich I. von Neuenbaumburg (um 1260-1300) mit Zustimmung der Abtei Weißenburg die Rechte an das Domstift in Worms. [Anm. 6]
In Westhofen saß ein Gericht mit einem Oberfaut, einem Schultheißen und einem Schreiber. Die Bedeutung des Orts als Zentrum im Wonnegau wird dadurch deutlich, dass Westhofen befestigt war und eine Stadtmauer mit vier Eingangstoren hatte. Sie sind bis auf wenige Reste verschwunden. [Anm. 7] An der Stelle, die heute die katholische Kirche St. Peter und Paul einnimmt, lag der Friedhof Westhofens. In unmittelbarer Nähe stand im Mittelalter eine kleine Friedhofskapelle, die dem Hl. Erzengel Michael geweiht war und die 1496 im Wormser Synodale genannt wird. An sie war ein kleines Beinhaus angebaut. [Anm. 8]
Frühe Neuzeit: Reformation und Dreißigjähriger Krieg.
Bereits kurz nach Luthers Auftreten in den 1520er Jahren gab es Anhänger der neuen Lehre in Westhofen. Insbesondere gab es früh Anhänger der Wiedertäufer-Sekte, wie z.B. der erste bekannte Wiedertäufer aus Westhofen Wolf Fuchs. [Anm. 9] Der erste bekannte lutherische Prediger in Westhofen war Hieronymus Brack aus Worms. [Anm. 10] Mit der Konversion des Pfalzgrafen Otto Heinrich von der Pfalz (1502-1559) wurde die Lehre Luthers offiziell in der Kurpfalz (1556) eingeführt und die Mehrheit der Bevölkerung in der neuen Lehre unterwiesen. Der katholische Kult wurde verboten. Die Kirche von Westhofen wurde ihrer Bildwerke beraubt, der katholische Kult unmöglich gemacht. Doch bereits Ottheinrichs Nachfolger Friedrich III. (1515-1576; Amtszeit: 1559-1576) neigte dem Calvinismus zu und wiederum mussten die Bewohner der Kurpfalz eine neue Lehre annehmen: Die reformierte Lehre. Die Mehrheit der Westhofener gehörten diesem Glauben fortan an, was die hohe Zahl an reformierten Taufen zu dieser Zeit belegt. Spätestens mit Annahme dieser Lehre wurde die Kirche von Westhofen in einem Bildersturm von den letzten religiösen Bildern gereinigt. Lediglich das ein oder andere Epitaph blieb als Erinnerung erhalten. Nachdem Friedrich III. den Calvinismus durchgesetzt hatte, neigte der nächste Kurfürst Ludwig VI. (1539-1583; Amtszeit: 1576-1583) wieder dem Luthertum zu und so wurde die reformierte Gemeinde in Westhofen wiederum größtenteils lutherisch. [Anm. 11] Mit dem Kurfürsten Johann Kasimir von Pfalz-Simmern (1543-1592; Amtszeit: 1583-1592) trug schließlich doch der Protestantismus calvinistischer Prägung den Sieg davon. Doch nur scheinbar war dieser Sieg, denn die lutherischen und katholischen Gemeinden lebten im Untergrund bis zum Ende des 17. Jahrhunderts und der Neugründung ihrer Pfarreien weiter fort. Die katholischen Christen profitierten davon, dass in der Nähe Gemeinden gab, die katholische Ortsherren hatten und deshalb die Hauptkirche katholisch war, so z.B. in Gundheim, wo die Familie Greiffenklau die Ortsherren waren, oder Abenheim und Heßloch, die den Dalbergern gehörten. [Anm. 12] In Westhofen wirkte zu dieser Zeit der reformierte Pfarrer Johann Ratzenberger (Amtszeit: 1585-1596), der erstaunlich viele Bürger Westhofens wieder für die calvinistische Lehre gewann. [Anm. 13]
Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) hatte der Ort Westhofen und der gesamte Wonnegau schwer zu leiden. Zwei große Brände vernichteten den Großteil der Ortschaft. Am 23. Februar 1621 brannten Soldaten der evangelischen Union die Kirche und den Ort nieder. Im September 1621 wurde der Ort durch spanische Truppen erneut niedergebrannt. In den 1620er Jahren war Westhofen in spanischer Hand und die Pfarrei mit katholischen Priestern besetzt. Besonders eifrig war Pater Johannes Huober. Während seiner Amtszeit konvertierten erstmals seit der Glaubensspaltung wieder zahlreiche Bürger zum Katholizismus. [Anm. 14] Als die Spanier durch die Schweden vertrieben wurden, gewann die calvinistische Religion wieder in Westhofen die Oberhand. Der reformierte Pfarrer kehrte 1631 wieder nach Westhofen zurück und übernahm die Pfarrei. Kurze Zeit später mit dem Konzept des Westfälischen Friedens (cuius regio, eius religio) dominierte die reformierte Religion der Kurpfalz. Einige Westhofener verbrachten die meiste Zeit im Exil und kehrten erst nach dem Westfälischen Frieden (1648) in ihren ausgeraubten und niedergebrannten Ort zurück, bauten die Häuser wieder auf und stellten die Kirche sukzessive wieder her. Während der Herstellung der Kirche hielten sie ihre Gottesdienste in der vor dem Ort gelegenen Liebfrauenkirche. In religiöser Hinsicht gab es drei verschiedene Religionen in Westhofen. Die Mehrheit der Bevölkerung war protestantisch-reformiert. Die zwei kleineren Gemeinden waren die protestantisch-lutherische Gemeinde und die römisch-katholische Kirche. In der einzigen Kirche Westhofens galt aber der reformierte Kult, so dass die anderen Gemeinschaften ausweichen mussten.
Jede Glaubensrichtung hatte zudem eine eigene Schule. Das katholische Schulhaus an der Südseite des Marktplatzes wurde bis zum Bau der Schule in der Wormser Straße im Jahr 1897 genutzt. Die Lutheraner hatten ein Schulhaus „in der Burg“, das heute jedoch nicht mehr steht. 1626 war bereits ein evangelisches Schulhaus in der Ohligstraße 2 erstmals erwähnt worden. [Anm. 15]
Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts gab es auch eine jüdische Gemeinde in Westhofen. Diese erbaute in der Seegasse 12 in den Jahren 1708/9 eine Synagoge. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde eine neue Synagoge in der Hobelgasse errichtet. 1825 lebten 38 Juden in Westhofen. Die Kinder besuchten den evangelischen Schulunterricht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlossen sich die wenigen noch in Westhofen lebenden Juden der größeren Gemeinde in Osthofen an. [Anm. 16]
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) suchten französische Truppen den Wonnegau heim und Westhofen wurde wieder ein Raub der Flammen. [Anm. 17]
Nach dem Frieden von Lunéville (1801) wurde die Hauptkirche von Westhofen von allen drei Gemeinden genutzt, was aber oft zu Problemen führte.
Nach der Kurpfälzischen Religionsdeklaration (1705) wurde die Pfarrkirche von Westhofen der reformierten Gemeinde zugesprochen. Lediglich der Turm, der im Besitz der Zivilgemeinde war, durfte von allen Gemeinden genutzt werden. Als mehrere neue Glocken gegossen wurden, durfte jede Gemeinde zu ihrem Kult läuten. Die Handhabe der Glocken führte zu einem schwierigen Streit als die reformierte Gemeinde sich eine eigene Glocke gießen ließ. Es wehrten sich die Lutheraner und Katholiken dagegen, dass die reformierte Gemeinde sich das Privileg erlaubte eine eigene Glocke im gemeinschaftlichen Turm aufzuhängen. Schließlich verzichtete der reformierte Pfarrer auf die eigene Glocke im Turm, ließ aber, um auf die Lutheraner und Katholiken herunterzublasen, einen aus eigenen Mitteln finanzierten Dachreister über dem Chor errichten und die Glocke dort aufhängen. Als Krönung ließ man einen posaunenblasenden Engel darauf anbringen, der auch heute noch, nach der evangelischen Union zwar nicht mehr auf die Lutheraner, dafür aber auf die in der benachbarten Kirche sitzenden Katholiken bläst. So war das 18. Jahrhundert ein Jahrhundert sowohl des harmonischen Zusammenlebens der drei Religionsgemeinschaften als auch ein streithaftes.
Die lutherischen Christen bauten sich nach dem Verlust der Hauptkirche eine eigene Kirche, die bis 1830 stand und dann abgerissen wurde, weil sich die evangelischen Christen vereinigten und die Hauptkirche dann ausreichte. Mit der evangelischen Union übernahmen 1822 die vereinigten Lutheraner und Calvinisten die Baulast an der Kirche Westhofens. [Anm. 18]
Den katholischen Christen wurde die ruinöse Liebfrauenkirche vor dem Ort zugewiesen. Da diese die Ruine nicht wiederherstellen konnten, erhielten sie einen nicht weniger ruinösen Kapellenraum im Rathaus. Dieser unerträgliche Zustand hielt bis 1713 an als sich die katholische Gemeinde im Areal der ehemaligen und nach dem Dreißigjährigen Krieg abgetragenen Michaelskapelle direkt gegenüber der Hauptkirche ihre eigene kleinere Kirche errichteten. Die Hauptkirche des Nachbarortes Monzernheim fiel bei der Pfälzischen Kirchenteilung an die katholische Gemeinde. Sie war dann die Mutterkirche für die Gemeinden Westhofen und Blödesheim (heute Hochborn). Der katholische Priester wohnte allerdings in Westhofen, weil die Gemeinde in Westhofen zahlenmäßig weitaus größer war als die Gemeinde in Blödesheim oder Monzernheim und er in Westhofen deshalb öfter die Sakramente spenden musste als in der zentralen Gemeinde Monzernheim.
Unter all den alltäglichen Problemen und Sorgen der Bevölkerung Westhofens war das 18. Jahrhundert doch erstmals ein Jahrhundert der kulturellen Blüte. Die meisten Häuser am Markt entstanden und gaben dem Ort sein unverkennbares Gepräge. Die protestantische Pfarrkirche war wiederhergestellt und konnte sich eine elegante Stumm-Orgel sowie Emporen für die Kirchenbesucher leisten. Die katholische Gemeinde konnte immerhin eine eigene Kirche bauen, ebenso die Lutheraner. In der katholischen Kirche haben sich noch einige bedeutende Zeugnisse aus dieser Zeit erhalten: Eine Monstranz, die Stumm-Orgel und die Holzfigur der Muttergottes Maria im Typus der Immaculata vom Mainzer Bildhauer Johann Georg Biterich (1724–1789). Auch das Rathaus zeugt von der Zeit des Wiederaufbaus Westhofens. Es ist, wie als sei Westhofen aus Ruinen wieder aufgestiegen. Seitdem gab es in Westhofen auch keine nennenswerten Kriegszerstörungen mehr. Vielmehr verschwinden geschichtliche Zeugnisse aus dem mangelnden Bewusstsein mancher Menschen.
Frühe Neuzeit: Westhofen wird hessisch. Zeitalter der Industrialisierung.
Mit dem Einfall der französischen Truppen in die Kurpfalz und der Auflösung der alten Territorien wurde 1816 die neue Provinz Rheinhessen gegründet. Westhofen wurde Teil des Großfürstentums Hessen. Im 19. Jahrhundert wurde Westhofen dem Amtsgericht und Steuerkomissariat Osthofen zugeteilt. Nach den Kriegen im 19. Jahrhundert wurden zwei Kriegerdenkmäler errichtet, der sogenannte Napoleonstein und ein Obelisk in Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg (1870/721). [Anm. 19]
Die Ortsgeschichte Westhofens im 19. und 20. Jahrhundert befindet sich derzeit in Bearbeitung und wird in Kürze ergänzt.
Heute ist Westhofen Hauptort der gleichnamigen Verbandsgemeinde und hat 3206 Einwohner. [Anm. 20]
Nachweise
Verfasser: Alexander Wißmann M.A., Dorina Henninger
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
- Ebersmann, Jakob: Geschichte von Westhofen, Monzernheim und Blödesheim, Worms 1909.
- Grünewald, Christoph Julius Johannes: Von Westhofener Häusern und Leuten, Westhofen 1984.
- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz. Statistische Berichte 2016. Online verfügbar unter: www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/berichte/A/1033/A1033_201522_hj_G.pdf (zuletzt aufgerufen am 06.04.17).
Aktualisiert am: 06.04.2017
Anmerkungen:
- Siehe Brilmayer 1905, S. 467. Zurück
- Siehe ebd. Zurück
- Siehe Liber Possessionum Winzenburgensis, S. 154. Zurück
- Siehe Brilmayer 1905, S. 467. Zurück
- Siehe ebd. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 468. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 469. Zur Ortsbefestigung siehe Grünewald 1984, S. 15ff. Zurück
- Siehe Ebersmann 1909, S. 43 sowie Wormser Synodale, S. 73. Zum Beinhaus siehe Grünewald 1984, S. 54ff. Zurück
- Siehe Ebersmann 1909, S. 27. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 28. Zurück
- Siehe ebd. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 32. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 29. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 31. Zurück
- Siehe Grünewald 1984, S. 181ff, 192f sowie S. 296. Zurück
- Siehe Grünewald 1984, S. 70f. Zurück
- Siehe Ebersmann 1909, S. 32. Zurück
- Siehe Grünewald 1984, S. 45. Zurück
- Siehe Brilmayer 1905, S. 466. Zurück
- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz. Statistische Berichte 2016, S. 20. Zurück