0.Das Spiel- und Festhaus Worms
0..1.Die Anfänge
Worms hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem durch eine erfolgreiche Lederindustrie zu einer aufstrebenden Stadt entwickelt. Auch im Kulturbereich sollte sich dies nun widerspiegeln. Hierbei tat sich besonders ein Mann hervor: Friedrich Wilhelm (von) Schoen (1849-1941), Teilhaber der Heyl’schen Lederwerke und nationalliberaler Stadtverordneter (1878-1892). Er initiierte anlässlich des 400. Geburtstags von Martin Luther im Jahre 1884 ein Lutherschauspiel in der Wormser Dreifaltigkeitskirche und fasste den Entschluss, derartige Volksschauspiele mit Laiendarstellern dauerhaft in Worms zu etablieren. Neben Darstellern und geeigneten Vorlagen fehlte hierfür vor allem eines: eine Spielstätte.
In Absprache mit dem Bühnenautor Dr. Hans Herrig (1845-1892) und dem späteren Architekten des Festhauses, Otto March (1845-1913), veröffentlichte Schoen 1887 die Denkschrift „Ein städtisches Volkstheater und Festhaus in Worms“. Der Titel zeigt, dass das Projekt von Anfang an als Mehrzweck-Bau angelegt war, der nicht nur Theaterstücken eine Bühne, sondern auch der Fest- und Vereinskultur Raum geben sollte.
0..2.Bau des Spiel- und Festhauses
Schoen leistete eifrige Überzeugungsarbeit und fand zahlreiche Unterstützer in Stadtvorstand und Bürgerschaft. Die Methoden zur Finanzierung des Projekts waren vielfältig: Haussammlungen, Spenden, eine Theaterlotterie, sowie natürlich die städtischen Mitteln. Auch Schoen selbst leistete einen nicht unerheblichen finanziellen Beitrag.
Der Berliner Architekt Otto March zeichnete letztendlich für den Entwurf in neoromanischem Stil, einem Rundbau mit Eingangsfassade, verantwortlich und nahm dabei ausdrücklich Bezug auf den sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Dom-Westchor. Als Bauleiter fungierte der Kölner Architekt Ludwig Arntz. Die Grundsteinlegung auf dem Gelände östlich der Bahnlinien fand am 4. Juli 1888 statt, eingeweiht wurde das Spiel- und Festhaus mit 1200 Sitzplätzen am 20. November 1889. Auch der Kaiser, Wilhelm II., ehrte die neue Kulturstätte am 8. Dezember 1889 mit einem Besuch. Das von Hans Herrig verfasste Eröffnungsstück „Drei Jahrhunderte am Rhein“ konnte jedoch keine Begeisterungsstürme ernten.
Die ersten Jahrzehnte
Schoens Idee von Volksschauspielen mit eigenem Ensemble aus Laiendarstellern konnte sich auf Dauer nicht halten, zumeist bestand das Programm aus Gastspielen benachbarter Ensembles sowie anderer (Fest-)Veranstaltungen und Kongresse. 1906 fand ein umfassender Bühnenausbau statt.
Während des Ersten Weltkrieges musste das Haus seinen Spielbetreib völlig einstellen und diente als Reservelazarett. 1924/25 startete die erste vollständige Spielzeit. Das Spiel- und Festhaus erlebte einen Aufschwung: in der Saison 1927/28 fanden nicht weniger als 44 Theaterabende und vier Sinfoniekonzerte statt, mehr als in den Vorkriegsspielzeiten. Hinzu kamen zahlreiche Aktivitäten aus dem Bereich Musik, Vereins- und Kulturleben. Auch französische Theatergruppen traten während der französischen Besatzungszeit im Spiel- und Festhaus auf.
0..3.Wiedereröffnung und Nationalsozialismus
Am 14. Dezember 1932 wurde das Gebäude durch eine vorsätzliche Brandstiftung nahezu komplett zerstört. Bereits am 28. Oktober 1934 wurde das in neuer Optik wieder aufgebaute Festhaus feierlich eingeweiht, anwesend war u.a. der Präsident der Reichstheaterkammer Otto Laubinger. Als Eröffnungsstück wurde Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ gespielt.
Neben der traditionellen Fremdbespielung des Hauses gastierten nun öfter Gruppen der NS-Organisation ‚Kraft durch Freude‘ im Wormser Spielhaus. Mitte der 1930er Jahre gab es Pläne des Leiters der Kulturinstute Friedrich M. Illert, Wormser Festspiele nach Vorbild der großen Feiern in Oberammergau und Bayreuth zu inszenieren – im nationalsozialistischen Sinne, versteht sich. Das Projekt verzögerte sich jedoch mehrfach und verlief schließlich im Sande. Im Festhaus fanden natürlich auch zahlreiche Veranstaltungen der verschiedenen NSDAP-Unterorganisationen statt. Nicht verwunderlich war die Betonung des Nibelungenthemas in der Wormser Kulturpolitik, die immer deutlicher auch das Programm des Spiel- und Festhauses prägte. So fanden zwischen 1937 und 1939 hier die Nibelungenfestspiele statt.
Während des Krieges lief der Spielbetrieb fast normal weiter, die Aufführungen wurden jedoch hauptsächlich von der Organisation ‚Kraft durch Freude‘ getragen. Mit der Wendung des Kriegsgeschehens 1942/43 kam auch das Kulturprogramm nahezu zum Erliegen. Die im Februar 1943 inszenierte Opernaufführung des „Waffenschmieds von Worms“ zu Ehren des 100. Geburtstags von Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim war eines der letzten großen Spielevents.
Die Bombenangriffe auf Worms im Frühjahr 1945 verschonten auch das Spiel- und Festhaus nicht: mit Ausnahme des Mozartsaals wurde das Gebäude zerstört.
0..4.Nachkriegszeit und Wiederaufbau
Die französische Besatzungsmacht nahm auch den kulturellen Wiederaufbau ernst: bereits am 15. Oktober 1945 im Mozartsaal die neugegründete Spielgruppe ‚Deppisch‘, außerdem gab es literarische Abende und Kunstausstellungen. Doch die Wormser Bevölkerung wollte mehr: sie wollte ihr Spiel- und Festhaus zurück.
Bereits am 31. Mai 1949 gründete sich der ‚Arbeitsausschuss für den Wiederaufbau des Spiel- und Festhauses‘, der gemeinsam mit dem Oberbürgermeister, Wormser Geschäftsleuten und Bürgern Ideen zur Konzeption und Finanzierung entwickelte. So gab es einen Architekturwettbewerb, eine Aufbaulotterie sowie einen ‚Kulturgroschen‘. Am 13. September 1962 beschloss der Stadtrat schließlich den Wiederaufbau des Spiel- und Festhauses. Beim Entwurf wurde die Architektur des Vorgängerbaus aufgegriffen, jedoch ist die typische Formensprache der 1960er-Jahre-Architektur klar erkennbar. Der Neubau verursachte Kosten in Höhe von ca. 10 Mio. DM.
Das neue Kulturhaus konnte am 6. November 1966 wiedereröffnet werden. Eröffnungsstück war Mozarts ‚Don Giovanni‘. Bei der Eröffnung wurde eine Blutbuche gepflanzt, die heute ebenso wie das Gebäude unter Denkmalschutz steht.
0..5."DAS WORMSER" im 21. Jahrhundert
Das Spiel- und Festhaus kam in die Jahre und so wurde 2004 eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen: eine Kombination aus Sanierung des alten Gebäudes sowie der Neu- und Anbau eines Kultur- und Tagungszentrum wurde beschlossen.
Konzipiert wurde das neue Kulturzentrum vom Hamburger Architektenbüro gmp. Das Projekt verursachte Kosten in Höhe von ca. 45 Mio. €. Nach der Grundsteinlegung am 22. Oktober 2008 konnte DAS WORMSER am 29. Januar 2011 feierlich eröffnet werden.
Nachweise
Verfasserin: Katharina Ücgül
Verwendete Literatur:
Bönnen, Gerold (Hg.): Geschichte der Stadt Worms, Stuttgart 2005.
Das Wormser. Im Wandel der Zeit http://www.das-wormser.de/das-wormser/service/Historie.php [Zugriff am 19.09.2016]
Aktualisiert am: 20.09.2016