0.Ein Nest für des Kaisers treuen Dichter – Die Obere Burg von Rheinbreitbach
0.1.I. Architektur der Oberen Burg
Die Obere Burg von Rheinbreitbach gehört seit vielen Jahrhunderten zu den markantesten Gebäuden in Rheinbreitbach. Große Bekanntheit bekam das Gebäude durch die Nutzung von dem deutschnationalen Schriftsteller Rudolf Herzog, der sich dort ein Nest für seine Familie nach seinen Vorstellungen schuf. Heute dient sie als Eigentum der Gemeinde als Bürgerburg dem Förderkreis Obere Burg und dem Bürgermeister als Amtssitz. Diese architektonische Beschreibung der Oberen Burg durch die Jahrhunderte soll dem interessierten Leser sowie Heimverbundenen einen neuen Blick auf das ortsbildprägende Gebäude liefern.
Zur Oberen Burg von Rheinbreitbach – oder wohl einem ehemalig befestigten Klosterhof – gehörte vermutlich seit der Erbauung Anfang des 15. Jahrhunderts eine große landwirtschaftliche Anbaufläche. Diese wurde vorwiegend als Viehweide oder Weinanbaugebiet genutzt. Wie groß oder wie viel Fläche zu der Burg gehörten, lässt sich leider heute nicht mehr genau nachvollziehen. Jedoch kann man die Größe der Kernanlage aus den preußischen Katasteramtskarten herauslesen. Diese Fläche betrug ungefähr die Größe des heutigen Parks der Oberen Burg.[Anm. 1]
Zum Kern der alten Burganlage gehörten ein Herrenhaus, welches auch als Haupthaus bezeichnet werden kann, und mehrere Nebengebäude, welche zur Landwirtschaft (und vielleicht zur Unterbringung der Dienerschaft) genutzt wurden. Leider ist bis heute keines der Nebengebäude erhalten geblieben, sodass man sich vorwiegend auf Bildquellen und andere in der Bauweise geplante Wohnsitze verlassen muss. Jedoch gibt es ein in späterer Zeit errichtetes Kutscherhaus, welches immer noch existiert.[Anm. 2]
0.1.1.I.1. Verteidigungsanlage
Wenn man den Begriff Burg hört, denkt man meist an ein befestigtes Bollwerk mit hohen Mauern und Türmen, in welche sich die Einwohner eines Dorfes im Falle eines Angriffes zurückziehen konnten. Diese Vorstellung trifft gar nicht oder nur zu geringem Teil auf die Obere Burg zu. Sie hatte keine besonders hohen Mauern und auch keinen tiefen Wassergraben. Lediglich grenzte die Anlage im südwestlichen Teil an den eigentlichen Verteidigungswall von Rheinbreitbach, der aus Gebücken bestand und somit eine natürliche Palisade bildete (nähere Infos in „Die Nutzung der Unteren Burg von Rheinbreitbach“). Die Burganlage begrenzte nur eine kleinere Mauer, die z.B. Diebe vom Klauen abhalten sollte. Dies kam früher häufig vor und wurde unter anderem von der Bergwerksjugend im 17. bzw. im 18. Jahrhundert betrieben.[Anm. 3]
Das Hauptgebäude oder Haupthaus war ein für das Spätmittelalter typischer Wohnturm ähnlich der Unteren Burg von Rheinbreitbach. Jedoch ist der Turm der Oberen Burg rechteckig und der der Unteren Burg quadratisch. Diese Wohntürme hatten im gesamten Mittelalter den Vorteil, dass man sie, wie der Name schon sagt, zugleich als Wohnort aber auch als Turm zur Verteidigung nutzen konnte. Deshalb lagen ihre Eingänge nicht wie bei normalen Häusern im Erdgeschoss, sondern im 1. oder 2. Stock, sodass man eine Leiter oder Treppe benötigte, um dort hinzugelangen. Im Falle eines Angriffs wurde die Leiter dann einfach eingezogen und der Eingang meist mit einer schweren Eichentüre verriegelt. Ein Angreifer hatte somit kaum eine Chance in den Wohnturm zu gelangen, solange er nicht über schwere Schleuder- oder pulvergetriebene Schusswaffen verfügte. Man kann davon ausgehen, dass die Obere Burg sich lediglich gegen Plünderer und umherziehende Banden schützte und niemals dafür konzipiert wurde, einem bewaffneten Heer länger Widerstand leisten zu können so wie es bei der Unteren Burg der Fall war. (wobei auch die Untere Burg nicht dafür konzipiert wurde einem größeren Heer längerfristig standzuhalten).[Anm. 4]
Die einzelnen Gebäude der Oberen Burg und deren Anordnung muss man sich nach einem Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert so vorstellen: Der Wohnturm der Oberen Burg war das Zentrum der Anlage. Im Südwesten standen einige Nebengebäude, meist in Fachwerk ausgeführt. Es dürfte sich dabei um Scheunen und Ställe mit großen Toren gehandelt haben, die zur Lagerung von landwirtschaftlichen Geräten und vor allem zur Unterbringung von Vieh (z.B. Kühen) dienten.[Anm. 5]
0.1.2.I.2. Scheunen und Ställe
Wie oben schon kurz erwähnt, existieren kaum Quellen oder Dokumente über die Nebengebäude der Oberen Burg. Jedoch kann man sich anhand von ähnlichen Bauten wie der Burg Nideggen (NRW) oder anderer befestigter Klosterhöfe die Nebengebäude erschließen. Diese beinhalten meist einen Stall, eine große geräumige Scheune sowie einen Lagerschuppen.[Anm. 6]
Die Bauwerke kann man sich wie folgt vorstellen: Der Großteil der Gebäude bestand aus Holzbalken, Lehm, Stroh oder Geäst, Kalk und Ochsenblut im typischen Fachwerkhausstil. Vielleicht gab es ein aus Bruchsteinen gemauertes Fundament, so wie es im Spätmittelalter meist üblich war, damit die Häuser nicht im Schlamm versinken. Das Dach der beiden Gebäude wird zu anfangs zunächst mit Stroh oder Reisig und im Laufe der Jahrhunderte mit Schiefer gedeckt worden sein. Im Inneren des Stalls dürfte Stroh ausgelegen haben. In der Scheune, welche recht groß gewesen sein dürfte, standen mit Stroh oder anderen Gütern beladene Fuhrwerke. Beide Nebengebäude, vermutlich dieser Bauart wurden Mitte des 18. Jahrhunderts aus heute unersichtlichen Gründen abgerissen oder umgebaut. An ihre Stelle trat nach einem Gemälde aus dem Jahre 1845 ein großer Kuhstall im Stil des 18. oder auch 19. Jahrhunderts.[Anm. 7]
Der neue Kuhstall war ein längliches weiß getünchtes Gebäude mit roten oder bräunlichen Dachziegeln gedeckt, so wie man es heutzutage noch von alten Bauernhöfen her kennt. Schöne Exemplare finden sich dazu in der Linzer Höhenumgebung um St. Katharinen herum. An diesen Kuhstall war noch ein weiteres Gebäude aus Bruchsteinen gebaut worden, dessen Nutzung ungewiss ist. Aus dem oben schon erwähnten Gemälde kann man jedoch entnehmen, dass es Fenster und eine Eingangstüre hatte.
Leider überdauerten die beiden Gebäude die Zeiten ebenfalls nicht. Nach einem ersten Foto um 1885/90 müssen beide Gebäude zwischen 1845 und 1885/90 abgerissen worden sein. Somit blieb von der einstigen Oberen Burg aus dem Spätmittelalter nur noch der Wohnturm mit seinen mittlerweile zahlreichen Um- bzw. Anbauten übrig.[Anm. 8]
0.1.3.I.3. Der Wohnturm mit Anbauten
Der Wohnturm der Oberen Burg ist bis heute das einzige Gebäude, was von der ursprünglichen Burganlage übrig geblieben ist. Wie schon einmal weiter oben erwähnt, stammt diese Art der Wohntürme aus der Zeit des 15. Jahrhunderts. Im Laufe der Jahrhunderte und je nach Nutzung der Burg wurden jedoch am Wohnturm immer wieder verschiedene Um- bzw. Anbauten getätigt. Um diese Veränderungen übersichtlich darzustellen, kann man sich sehr gut an dem Baustil der verschiedenen Epochen und an einem Zeitstrahl orientieren.
Im 15. Jahrhundert war der Wohnturm der Oberen Burg noch gänzlich unverbaut und freistehend. Der Wohnturm war viergeschossig, wobei man das Dach wahrscheinlich noch als Speicher oder zur Unterbringung von Dienern nutzen konnte. Mehrere kleine bleiverglaste Fenster ließen Licht ins Innere der Burg. Die Mauern bestanden überwiegend aus Bruchstein.[Anm. 9]
Im 1. Stock der Burg befand sich der Eingang, der wahrscheinlich mit einer großen Eichentüre verschlossen werden konnte. Darunter, in einem Kellergeschoss, befanden sich vermutlich, wie bei anderen Gebäuden dieser Art, die Lagerräume für Lebensmittel. Auf diesem Kellergeschoss basierte ein etwa ein bis zwei Meter hohes steinernes Fundament, welches den 1. Stock des Wohnturmes anhob. Somit war der Eingang der Oberen Burg nur über eine an der Mauer anliegende feste Treppe erreichbar.
Im zweiten Stock, heute immer noch deutlich sichtbar, gab es eine Gebetsnische, die mit einem Erker nach außen hin ausgeführt war. Meist wurden die Erbauer des Erkers oder der Gebetsnische in Form ihrer Wappen darin verewigt. Bei der Oberen Burg ist das nach außen hin mit drei Wappen geschehen. Das linke Wappen zeigte einst einen silbernen Fluss auf grünem Grund, heute ist es rot übermalt. Das mittige Wappen zeigt früher wie heute ein grün rot gespaltenes Schild (vor einigen Jahren wurde es durch das Wappen von Rheinbreitbach ersetzt). Das rechte Wappen zeigt ein silbernes Pferd auf rotem Schild. Es ist anzunehmen, dass zu anfangs nur ein Wappen dort vorhanden war und im Laufe der Jahre die beiden anderen Wappen hinzugekommen sind.
Im dritten Stock waren wie in den restlichen Räumen auch Wohn- bzw. Empfangsräume, die mit entsprechenden Möbeln ausgestattet waren. Meist befanden sich hier auch die Schlafzimmer der Burgherren.[Anm. 10]
Der vierte Stock des Wohnturmes war eine Besonderheit. Er war ganz in Fachwerk ausgeführt und ist wahrscheinlich im 18. Jahrhundert abgerissen worden. Bei dieser auf den steinernen Teil des Turmes aufgesetzten Holzkonstruktion handelt es sich um einen eingeschossigen auskragenden Obergaden. Dort dürfte die Kemenate – der vielleicht mit einem Becherkachelofen beheizbare Wohnraum – und die Küche gewesen sein. Das Dach der Oberen Burg wird zunächst wie die Nebengebäude mit Stroh oder Reisig, dann aber mit Schiefer gedeckt worden sein. Die Geschichte, dass das Dach der Oberen Burg irgendwann einmal aus Kupferplatten bestanden haben soll, kann man als sehr unwahrscheinlich abtun, da dies mit dem Kupferzehnt für einen einfachen Burgherren viel zu teuer gewesen wäre. Jedoch war ein Besitzer der Oberen Burg mit der Kunst der Metallurgie vertraut und gleichzeitig Mitbetreiber der Rheinbreitbach Kupferbergwerke, sodass man diese Geschichte nicht ganz als „Legende“ oder „Märchen“ abtun sollte. Leider ist sie historisch heute nur nicht mehr ganz nachprüfbar.
Ob es im Dachstuhl der Burg ein weiteres ausgebautes Geschoss gab, lässt sich heute nicht mehr nachprüfen. Falls es aber vorhanden war, wird man davon ausgehen können, dass dort die „höhere“ Dienerschaft wie Zofe oder Küchenchef einquartiert waren. Jedenfalls wurde es so oftmals auf anderen Burgen bewerkstelligt.[Anm. 11]
Der erste Anbau des Wohnturms wurde wahrscheinlich im 16. Jahrhundert getätigt. Er wurde nordöstlich des Turmes angebaut, war unterkellert und hatte drei Geschosse.
Im neuen Keller wurden wahrscheinlich der draußen in den Keltermaschinen gepresste Wein oder aber weitere Lebensmittel gelagert.
Das Stockwerk über dem Keller des Anbaus bestand aus Bruchsteinen. Ein Eingang ins Innere lag diesmal ebenerdig. Die darüber liegenden Geschosse waren in Fachwerk ausgeführt, wobei in einem Geschoss ein weiterer, etwas größerer Erker in nordöstlicher Richtung ausgeführt war. Wofür letzten Endes der ganze Anbau genutzt worden ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Vielleicht wurde dort das ganze Gesinde einquartiert oder aber weitere Wohnräume für den Burgherrn geschaffen. Dafür spricht auch, dass im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts ein einheitlicher Treppenturm dem Anbau und dem Wohnturm hinzugefügt wurde, der die beiden Komplexe miteinander verband. Einige Jahrhunderte später sollte dieser Treppenturm noch einmal zur Eingliederung in die Gesamtoptik der Burg umgestaltet werden.[Anm. 12]
Der nächste Anbau, wieder in nordöstlicher Richtung, wurde nach 1730, also in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts getätigt. Zu dieser Zeit wurde der Keller erweitert und zwei Kellerabgänge mit Rundbögen geschaffen, so wie man sie häufig von Weingütern im Rheinland her kennt. Diese Kellerabgänge konnten mit hölzernen Flügeltüren verschlossen werden und waren mit einem hölzernen Vordach versehen. Zu dieser Zeit dürfte der Keller als Lagerort für Weinfässer umgestaltet worden sein. Dies würde auch zu der damaligen Nutzung der Burg als Weingut passen. Über dem erweiterten Kellerbau wurden weitere Wohnräume geschaffen, die wahrscheinlich wieder für die Burgherren oder das Gesinde gedacht waren. Diese Wohnräume über dem erweiterten Keller wurden vielleicht daher benötigt, dass wahrscheinlich vor 1730 das hölzerne auskragende Obergade, welches ebenfalls Wohnraum bot, aus ungeklärten Gründen abgerissen worden war. Der plausibelste Grund wäre, genau wie bei den Nebengebäuden, dass die Holzbalken zu morsch gewesen sind und man sich gegen eine Renovierung und für den Umbau des Daches entschied. Eine andere Theorie geht von einer Zerstörung im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) aus. In dieser Zeit dürfte auch die Fachwerkkonstruktion des im 16. Jahrhundert getätigten nordöstlichen Anbaus durch Steinmauern ersetzt worden sein. Dies lässt sich vor allem durch die Außenfassade des Anbaus erschließen.[Anm. 13]
Der letzte wirklich große Anbau an der Oberen Burg wurde im 19. Jahrhundert, wahrscheinlich zwischen 1850 und 1885, getätigt. Dabei wurde ein eingeschossiges Gebäude in südwestlicher Richtung an den alten Wohnturm gesetzt. Ein Dach mit Giebeln etc. besaß es nicht, da es als Terrasse mit, dem Zeitgeschmack entsprechend, mittelalterlichen Zinnen ausgelegt war. Um auf die Terrasse gelangen zu können, durchbrach man die alte Mauer des Wohnturms und setzte eine Türe dort ein. Ebenso geschah es ein Stockwerk tiefer, wobei dort keine Türe, sondern eine Treppe als Verbindung zwischen neuem und altem Komplex gebaut wurde. Was für einen Nutzen der Anbau hatte, ist heute fraglich. Das untere Geschoss wurde für die Keltereimaschinen genutzt, also zur Weinproduktion. Doch lange sollte der Anbau nicht so bleiben.[Anm. 14]
Bereits 1907 wurde der Anbau durch Rudolf Herzog und seinen Architekten Valentin Martin verändert. Er fügte zwischen Terrasse und Erdgeschoss ein weiteres Stockwerk ein und baute das Erdgeschoss zu einem weiteren Wohnraum um. Somit wurde aus der ehemaligen Terrasse ein weiteres bewohnbares Stockwerk im Stil des Historismus und aus dessen Dach wieder eine Terrasse. Der romantischen Idee, die Terrasse mit Zinnen zu versehen, blieb auch Herzog treu. Sein Traum war es, aus der Oberen Burg ein romantisches Märchenschloss zu machen. Unter seiner Federführung wurde der nordöstliche Anbau zu einer Art Kapelle mit Tonnengewölben umgebaut. Im Außenbereich baute er Einfassungsmauern, Tore mit Zinnen und Eckwarten und ließ nordwestlich aus zwei kleineren Nebengebäuden ein großes Gebäude errichten, welches im Volksmund heute als „das Kutscherhaus“ bekannt ist. Herzog war der letzte, der größere Umbauten an dem Haus vollzog.[Anm. 15]
Bei der Renovierung 1990/91 wurden durch die Gemeinde nur noch einzelne Wände im Inneren der Burg gezogen, Wände verputzt und kleinere Umbauten am Treppenhaus bzw. im Haus selbst sowie am Eingang der ehemaligen Kelterei getätigt.[Anm. 16]
0.1.4.I.4. Kutscherhaus
Das einzig erhaltene Nebengebäude der Oberen Burg von Rheinbreitbach ist das im Nordwesten liegende Kutscherhaus. Das von der Bauweise her aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammende Gebäude grenzt mit seiner Rückwand direkt an die ehemalige Burgmauer an. Das relativ verschachtelte Kutschergebäude bestand vermutlich früher nur aus zwei einzeln stehenden Gebäuden oder aber wurde durch eine Abänderung der Pläne während des Baus so verschachtelt. Dies lässt sich aus einem halb verbauten Fenster erschließen, welches von einer Hauswand durchschnitten wird.
Der Zwischenbau, der die beiden einzelnen Gebäude miteinander verbindet, dürfte aus dem 20. Jahrhundert stammen und wie oben schon einmal erwähnt von Rudolf Herzog geplant worden sein. Somit schuf er das heute immer noch sichtbare Kutscherhaus mit den beiden hölzernen Flügeltüren und der anliegenden Wohnung. Dort ließ er einen Teil seiner Bediensteten wohnen, die in der dort untergebrachten Wasch- und Bügelküche arbeiteten.
Die Wohnung des Kutscherhauses hat drei Stockwerke, wenn man das Dachgeschoß mitzählt. Die Holzfenster sind oben mit einem Bogen ausgeführt und deuten auf ihre Herstellung im frühen 20. Jahrhundert hin. Der Schuppen oder der ehemalige Unterstand der Kutsche ist im Inneren so ausgebaut wie es für ein Kutschenhaus typisch ist. Vorne hat man einen großen Raum für die Kutsche zur Verfügung und im hinteren Teil, meist mit einer Wand abgetrennt, ein Räumchen, um ein Pferd unterzubringen.[Anm. 17]
0.1.5.I.5. Kleinere Bauwerke
Es gab auf dem Gelände der Oberen Burg auch ein paar kleinere Bauwerke, die bei der Anlagenbeschreibung nicht vergessen werden sollen. Dazu zählen die alte Wasserpumpe, der ehemalige Springbrunnen im Südosten des Gartens und das schmiedeeiserne Tor, welches heute im Südwesten der Burg zu sehen ist.[Anm. 18]
Die alte Wasserpumpe wurde erst vor einigen Jahren wieder vom Förderkreis Obere Burg in Stand gesetzt und ist die einzig noch erhaltene Pumpe in Rheinbreitbach. Sie diente einst den Menschen der Burg (und wahrscheinlich auch der umliegenden Bevölkerung) als Wasserquelle und stand einst auf dem heutigen Kirchplatz. Ihre Erbauungszeit dürfte in preußische Herrschaft fallen, da Preußen im 19. Jahrhundert vermehrt solche Brunnen angelegt hat. Brunnen oder Pumpen, die Rheinbreitbach mit Wasser versorgten, dürfte es aber auch schon vorher gegeben haben. Wer sich für dieses Thema stärker interessiert, kann sich mit der Geschichtschronik von Rheinbreitbach und dem darin beschriebenen Wasserstreit zwischen den Herren von Breitbach und den Rheinbreitbacher Bürgern befassen.[Anm. 19]
Wie oben schon beschrieben, gab es im südöstlichen Teil des Burgbesitzes, direkt an der Mauer gelegen, einen kleinen Brunnen. Er war in einer Ecke als halbrund angelegt und wurde durch einen schön verzierten Löwenkopf mit Wasser gespeist. Es war ein typischer Brunnen, wie er häufig in verträumten Schlossgärten zu sehen ist. Heute ist er leider nicht mehr vorhanden. Nur noch der stark lädierte Löwenkopf ist in der Mauer erhalten geblieben.[Anm. 20]
Das schmiedeeiserne Tor mit seinen beiden Pfeilern stammt wahrscheinlich aus der wilhelminischen Ära. Nach einem Zeitungsartikel wurde es 2003 wieder gefunden und an den Pfeilern angebracht, die ebenfalls original aus früheren Zeiten stammen dürften und auf einem Foto aus dem Jahre 1885/90 schon zu vermuten sind. Ob die Pfeiler letzten Endes in die Burgmauer integriert waren steht offen. Eine Zeitzeugin, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Dienstmädchen in der Burg angestellt war, hat das Tor jedoch noch nie zuvor gesehen.[Anm. 21]
Wie man unschwer erkennen kann, ist die Anlage der Oberen Burg von Rheinbreitbach als typischer Wohnturm mit Wirtschaftsgebäuden angelegt worden, wie er im restlichen Rheinland ebenfalls oftmals vorkommt wie z.B. in Eich in der Nähe von Gernsheim und in Unkel bei Burg Vilzelt. Aus diesem Wissen heraus kann die Obere Burg wohl kaum als Befestigungsanlage oder zum Schutz der Bevölkerung gedient haben und dürfte nur als landwirtschaftlicher Verwaltungs- oder Machtsitz genutzt worden sein.
0.2.II. Die Nutzung der Oberen Burg
Nachdem die Burganlage soweit ausführlich beschrieben ist, stellt sich nun die Frage, was für einen Nutzen die Burg überhaupt hatte. Hier soll ähnlich wie bei der Unteren Burg zum größten Teil beschrieben werden, welchen Nutzen sie für die Bevölkerung und die Herren der Burg bzw. ihrer Bewohner gehabt hat und wie sich diese Nutzung im Laufe der Zeit veränderte.
0.2.1.II.1. Die Burg im Spätmittelalter
Als die Obere Burg, wahrscheinlich im 15. Jahrhundert, in Rheinbreitbach von der Stiftskirche Maria ad gradus in Köln unter Leitung des Geschlechtes von Lewendal gebaut wurde, diente sie lediglich als so genannter Zehnthof. Der Zehnthof war das Gebäude, wo Bewohner und Untergebene Steuern in Form von Waren, Gütern und Erzeugnissen – nicht wie sonst in körperlicher Arbeit oder anderen Diensten wie bei einem Fronhof – abgeben mussten. Meist saßen auf den Zehnthöfen so genannte Kapitalherren, die für die eigentlichen Grundherren die Abgaben einzogen. Im Falle der Oberen Burg dürfte das Geschlecht von Lewendal die Kapitalherren der Stiftskirche Maria ad gradus gewesen sein. Diese These wird dadurch noch untermauert, da die Herren von Lewendal schon erzbischöfliche Schiedsmänner in Unkel gewesen sind. Unkel gehörte zu dieser Zeit ebenfalls zum Besitz der Kölner Stiftskirche Maria ad gradus.
Ob es schon vor der Oberen Burg dort einen ähnlichen Sitz gab, weiß man nicht, aber es ist nahe liegend, dass dort vielleicht schon zu fränkischer Zeit ein ähnlicher (Fron)Hof gestanden haben könnte, da ganz in der Nähe ein fränkisches Gräberfeld (gegenüber dem ehemaligen Haus Elisabeth, heute Villa von Sayn) liegt.[Anm. 22]
Von dieser Grundlage aus kann man vermuten, dass das Geschlecht von Lewendal Kanoniker der Stiftskirche gewesen ist, da man meist, um Schiedsmann zu werden, Mitglied in der jeweiligen Stiftskirche sein musste.
Falls das der Fall gewesen sein sollte, dürfte diese Aufnahme in die Stiftskirche für das Geschlecht von Lewendal ein enormes Aufstiegspotential bedeutet haben, da sie in einem Buchband nur als Junker – von niederem Adel abstammend und ohne Ritterschlag – bezeichnet werden. Allerdings geht aus einer Quelle hervor, dass das Geschlecht von Lewendal einen Ritterschlag gehabt haben muss. Jedenfalls stand für sie zu dem damaligen Zeitpunkt durch die Aufnahme das Tor offen in der noch mittelalterlichen Ständepyramide aufzusteigen.[Anm. 23]
Woher das Geschlecht von Lewendal kam, ist ungewiss. Lediglich lassen einige Urkunden den Schluss zu, dass es aus dem Kreis Jülich bei Grevenbroich stammt, wo anscheinend eine Burg des Geschlechtes stand. Diese wurde im Jahre 1370 von Ritter Hermann von Lewendal (Quelle: v. Lievendael) an Kuno von Trier, dem apostolischen Vikar der Kirche von Köln, übertragen. Darüber hinaus werden die von Lewendal in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten immer wieder erwähnt.[Anm. 24]
Eine Besonderheit, die nicht nur bei dem Geschlecht von Lewendal auftritt, sondern allgemein im Mittelalter verbreitet war, ist die Namensabänderung. Man schrieb den Namen nach Gehör auf, sodass die Adelslinie von Lewendal in Urkunden und Quellen als von Lievendael, von Levendal und als von Lewen dal. geführt werden. Über die Jahrhunderte hinweg haben sich diese Namen weiter verändert und somit ist es nicht abwegig zu behaupten, dass der im 18. Jahrhundert lebende Marschall von Frankreich Ulrich Friedrich Woldemar Graf von Löwendal ein entfernter Nachkomme der Familie von Lewendal gewesen sein könnte.[Anm. 25]
Eine andere interessante Sache ist die Namenszusammensetzung des Geschlechtes. Wie oben schon erwähnt wurde die Familie auch als von Lewen dal. geführt. Die Abkürzung dal. könnte in diesem Zusammenhang für dalmatiker oder dalmatika gestanden haben. Heutzutage ist Dalmatik ein liturgisches Gewand des Diakons. Somit könnte es gut sein, dass ursprünglich das Adelsgeschlecht nur von Lewen hieß. Dieses Adelsgeschlecht ist in Bezug auf Unkel schon einmal benannt worden. Im Laufe der Zeit wurde dem Namen aber durch die Arbeit der Familie mit der Stiftskirche wahrscheinlich ein dal angehängt, sodass der Name von Lewendal entstand.[Anm. 26]
Zu dieser Zeit dürfte die Burg aber nicht nur als Zehnthof, sondern auch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt worden sein. Vor allem der Weinbau dürfte eine große Rolle gespielt haben, aber auch Ackerbau und Viehzucht zur Versorgung der Burgherren dürfte es gegeben haben. Über andere wirtschaftliche Aktivitäten wie z.B. das Betreiben einer Mühle - wie es bei der Unteren Burg z.B. der Fall war - ist nichts bekannt. Somit diente die Obere Burg lediglich als Wohn bzw. Bewirtungssitz derer von Lewendal und als Zehnthof für die Stiftskirche.
0.2.2.II.2. Die Obere Burg im 16.-19. Jahrhundert
Bis in die frühe Neuzeit änderte sich an dieser Situation nichts. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Obere Burg an einen Privatmann, namens Dr. Adolf Bequerer verkauft. Bequerer stammte wahrscheinlich aus einer reichen Goldschmiedefamilie, die für das Erzbistum Köln Kelche und andere wertvolle Kirchengegenstände fertigte. Auch der Handel mit Edelmetallen wie Kupfer, Bismut, Gold und Silber gehörte zu ihren Betätigungsfeldern. Durch diese günstigen Vorraussetzungen konnte Bequerer seinen Doktortitel (wahrscheinlich in Mathematik) erlangen.[Anm. 27]
Zu seiner Zeit war ein Doktortitel genau so viel Wert wie ein Adelstitel, weshalb die Privilegien, die dadurch erreicht wurden, meist gleich mit denen der Adligen waren. Aus diesem Grund kam es nicht selten vor, dass der Kurfürst die Familie des Titelträgers in den Adelsstand erhob, um die Familie zu ehren und die Leistungen des Würdenträgers zu loben. Diese Aufnahme in den Adelsstand war meist auch ein Steigbrett für die Nachfahren, um gesellschaftlich und politisch Karriere zu machen.
Dies trifft bei der Familie Bequerer ebenfalls zu, da die Tochter oder Enkelin von Dr. Adolf Bequerer schon als eine von Bequerer bezeichnet wird. Des Weiteren gab es im 17. Jahrhundert einen Offizial des Kölner Doms der Johann Gottfried von Bequerer hieß. Ob er mit Dr. Adolf Bequerer verwandt war ist fraglich, aber annehmbar. Aus diesen Hintergrundinformationen kann man schließen, dass Adolf Bequerer zu der sich im Mittelalter entwickelten reichen Bürgerschicht gehörte, die sich später durchaus Gebäude wie die Obere Burg leisten konnten.[Anm. 28]
Warum die Stiftskirche die Obere Burg verkaufte, ist ungeklärt. Jedoch kann man anhand der weltgeschichtlichen Ereignisse und mancher zeitlichen Quellen vielleicht eine Antwort auf diese Frage finden.
Die Obere Burg wird das erste Mal im Jahre 1655 als Besitz von Dr. Adolf Bequerer bezeichnet. In diesem Jahr ist das Ende des Dreißigjährigen Krieges erst sieben Jahre her. Davor zogen plündernde Heerscharen durch die Lande und zündeten die Dörfer an. Die kaiserlichen Truppen und die katholische Liga, zu welcher auch das Erzbistum Köln gehörte, stellten sich ihnen entgegen. In dieser Zeit wurden meist alle Lehnsherren zum Kriegsdienst ins Heer gerufen, so wie es in den Belehnungsverträgen vereinbart ist. Dies dürfte auch für das Geschlecht von Lewendal gegolten haben. Auch, wenn sie zum evangelischen Glauben gewechselt wären, hätten sie in deren Reihen kämpfen müssen.
Da das Geschlecht von Lewendal dem niederen Adel angehörte, dürften es zu den niederen Offiziersrängen der Infanterie gehört haben. Dies bedeutet mit der kämpfenden Truppe in vorderster Front gegen den Feind vorzurücken, was natürlich mit hohem Risiko für das eigene Leben verbunden war. Ebenfalls suchten Krankheiten, Epidemien und Hungersnöte die Bevölkerung in dieser Zeit stark heim und forderten ihre Tribute. Aus diesen geschichtlichen Hintergründen heraus kann man jedenfalls vermuten, dass die Linie von Lewendal durch den dreißigjährigen Krieg in irgendeiner Weise, ob durch Krieg oder Krankheit, in unserer Region ausgelöscht, vertrieben oder stark dezimiert worden ist, sodass sie die Obere Burg nicht mehr bewirtschaften konnten. Aus Urkunden, betreffend derer von Lewendal, und der Namensabänderung in Lievendael kann man sogar vermuten, dass das Adelsgeschlecht in die 1648 neu gegründete Republik Niederlande übersiedelte und heute dort immer noch existiert. Aus diesem Grund beschloss die Stiftskirche Maria ad gradus wahrscheinlich die Obere Burg in den Jahren 1650-1655 an Dr. Adolf Bequerer zu verkaufen, der Akten zu Folge schon Mitglied des Domstiftes war. Ein weiterer Grund für den Verkauf der Burg dürften immense Kriegs- und Instandsetzungskosten gewesen sein, die irgendwie aufgebracht werden mussten, aber auch der Verlust von Ländereien während des Dreißigjährigen Krieges.[Anm. 29]
Wofür Adolf Bequerer die Obere Burg nutzte ist nicht überliefert. Die wahrscheinlichste Nutzung der Burg ist jedoch als landwirtschaftliches Gut oder als Landsitz, um Einkünfte zu beziehen. Auszuschließen ist die Nutzung der Burg als Verwaltungssitz aber auch nicht, da aus den Kreisen, aus welchen Bequerer kam, auch mit Rohstoffen wie Kupfer gehandelt wurde. Zu dieser Zeit wurden in Rheinbreitbach zwar durch die Zerstörungen des dreißigjährigen Krieges keine Kupfererze mehr gefördert, aber das Interesse an dem Erz war nach wie vor vorhanden.
Was jedenfalls feststeht ist, dass er die Obere Burg mit dem ersten Treppenturm versah und somit die Anbauten, die im 16. Jahrhundert wahrscheinlich schon durch die Herren von Lewendal getätigt worden waren, vollständig miteinander verband.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts muss die Obere Burg dann als Mitgift seiner Tochter oder Enkelin an das Geschlecht von Geyr gekommen sein. Maria Sibilla von Bequerer (gest. 1730) heiratete Peter von Geyr. Peter von Geyr war ein Generaleinnehmer des Erzstiftes Köln, der urkundlich 1683 gestorben ist und in irgendeiner Form mit der Kölner Goldschmiedekunst zu tun hatte. Unter seiner Federführung dürfte die Erweiterung des Treppenturmes stattgefunden haben. Ihm ist es auch zu verdanken, dass es eine Tuschzeichnung der Burg von Reiner Roidkin aus dem 17. Jahrhundert gibt.[Anm. 30]
Wofür Peter von Geyr die Obere Burg genutzt hat, ist genau wie bei der Familie Bequerer nicht erschließbar. Jedoch wird sie wieder als landwirtschaftliches Gut betrieben worden sein, um weitere Einkünfte zu erhalten und somit das Geyrsche Vermögen zu vergrößern, wodurch die Familie im frühen 18. Jahrhundert prachtvolle Wasserburgen wie Burg Müddersheim im barocken Stil erbauen konnten. Nach dem Tod von Peter von Geyr könnte das Dach durch seine Nachfahren verändert und das vierte aus Fachwerk bestehende Geschoß abgerissen worden sein.[Anm. 31]
Doch lange blieb die Burg nicht im Besitz der Familie von Geyr und gelangte wahrscheinlich wieder als Mitgift einer Heirat an die Familie von Buschmann. Maria Katharina v. Geyr heiratete ein unbekanntes Mitglied der Familie Buschmann, die zu dieser Zeit bedeutende Stellungen wie Domherr, Dompriester und Mitglied des Geheimen Rates im Erzstift Köln innehatte.
Wie bei der Familie von Geyr dürfte sich der Nutzen der Oberen Burg unter der Familie von Buschmann nicht verändert haben. Lediglich die landwirtschaftliche Nutzung in Bezug auf den Weinbau dürfte sich unter ihnen intensiviert haben, da zu ihrer Zeit an die Obere Burg der große Weinkeller angebaut wurde. Die Familie von Buschmann dürfte auch Kanoniker in einer Stiftskirche gewesen sein, sodass sie mit dem Wein die Kirche unterstützten. Somit scheint die Nutzung als Weingut sehr wahrscheinlich.[Anm. 32]
Einige Jahrzehnte blieb die Burg im Besitz derer von Buschmann und wechselte erst Anfang des 19. Jahrhunderts wieder ihren Besitzer. 1829 wird berichtet, dass die Obere Burg einem Weinhändler namens Wilhelm Schmitz gehörte, der aus Köln stammte. Schmitz dürfte die Burg als ein reines Weingut bewirtschaftet haben, um somit sein Geschäft mit dem „Breitbacher“ Wein zu erweitern.[Anm. 33]
Nach dem Weinhändler Schmitz gehörte die Burg noch verschiedenen anderen Besitzern wie z. B. der Familie Eich. Wie diese Besitzer die Burg genutzt haben ist nicht mehr erschließbar, da sie alle nur kurzzeitig im Besitz der Burg gewesen sind. Wahrscheinlich dürften sie die Burg aber vorwiegend als landwirtschaftliches Gut genutzt haben, um sich selbst zu versorgen. Wie aus einem Gemälde aus dem Jahre 1845 hervorgeht, nutzte wohl ein Besitzer der Burg sie als Kuhweide, wobei man dazu sagen muss, dass dies auch der künstlerischen Freiheit des Malers entsprungen sein könnte.[Anm. 34]
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (um 1870) ging die Burg in den Besitz des Weinhändlers Martin Berger über, der 1874 mit seiner Familie in Bonn wohnte und von dort aus sein Weingeschäft führte. Nahe liegend ist, dass er die Obere Burg ebenfalls wie Wilhelm Schmitz als Weingut bewirtschaftete. Jedoch kann man auch die Vermutung äußern, dass er die Obere Burg auch als Sommerresidenz nutzte, da der unter seiner Federführung gemachte südwestliche Anbau auch eine breite und große Terrasse auf dem Dach beinhaltete. Diese Terrasse hatte wahrscheinlich keinen anderen Sinn als dort repräsentative Festlichkeiten abzuhalten. Falls diese Annahme stimmen sollte, könnte von ihm auch der große und prächtige Garten angelegt worden sein, der zu jener Zeit typisch für eine Sommerresidenz in der wilhelminischen Ära war. Nach ihm bewohnte die Obere Burg wohl um 1878 ein bedeutender Mann, namens Dr. Theodor Stromberg. Er war der Besitzer eines Privat-Lehr-Institutes in Bonn und mit Alexander Koenig bekannt.[Anm. 35]
0.2.3.II.3. Die Obere Burg im 20. Jahrhundert
Nach dem Weinhändler Martin Berger kaufte Rudolf Herzog die Obere Burg im Jahre 1907. Unter dem Schriftsteller dürfte die Obere Burg wohl zu einem Bekanntheitsgrad gekommen sein, den sie so in ihrer vorherigen Nutzungsgeschichte noch nie erlebt hatte. Hohe Persönlichkeiten wie Elly Ney und die zweite Frau von Kaiser Willhelm II verkehrten in ihr und sogar die Burg selbst wurde in dem Roman die „Burgkinder“ verewigt. Nachdem Rudolf Herzog die Burg erworben hatte, ließ er sie von dem Architekten Valentin Martin zu einer wahren Märchenburg umbauen. Zinnen, Tore und kleinere Anbauten im Stil der Gotik oder des damals üblichen Historismus ließ er erbauen und tätigte gleichzeitig die schon seit vielen Jahren nötige Reparatur. Um die Burg legte er einen zauberhaften Garten an, der nicht nur Besuchern, sondern Rudolf Herzog selbst immer wieder aufs Neue ins Staunen versetzte. Die Obere Burg wurde zu seinem Sommersitz, welchen er prinzipiell ständig bewohnte.[Anm. 36]
Trotz des 1. Weltkriegs, Wirtschaftskrise und Inflation schaffte es Herzog die Burg zu behalten. In dieser Zeit entstand verstärkt der Begriff der „Herzogsburg“, da viele hungernde Rheinbreitbacher neidisch auf Herzog und seinen Besitz schauten. Herzog war jedoch kein Unmensch. Ganz im Gegenteil zu mancherlei bösen Behauptungen, ließ er während des Krieges im Ort einen Hilfsdienst organisieren. Vor allem seine Frau Minnie brachte sich dort ein und wurde liebevoll der „Engel von Rheinbreitbach“ genannt.
In dieser Zeit dürften auch an Rudolf Herzog vor allem die finanziellen Probleme nicht spurlos an ihm vorübergegangen sein, sodass die Burg vielleicht nicht immer richtig in Stand gehalten werden konnte.
Nachdem Rudolf Herzog 1943 am Tag der Niederlage von Stalingrad in den Armen seines Freundes Hein gestorben war, ging die Obere Burg 1945 in den Besitz seiner Söhne Harald und Wolfgang Herzog über. Diese ließen die Burg wahrscheinlich auf Grund finanzieller Not brach liegen bis sie letzten Endes durch eine Auktion 1958 versteigert wurde.[Anm. 37]
Über diese Auktion wurde die Burg an eine Familie Moll aus Köln verkauft, die 1960 die Burgverwaltung an Johann Hermann Bechtold, einem ehemaligen Armeeoffizier, übertrug. Dieser wollte mit Hilfe seiner Tochter aus der Oberen Burg ein Altersheim machen. Deshalb kaufte er sie noch 1960 von der Familie Moll ab. Seinen Traum konnte er sich jedoch nicht mehr erfüllen, da er große finanzielle und gesundheitliche Probleme hatte. J.H. Bechthold verstarb 1970.
Im gleichen Jahr noch wurde die Burg durch seine Erben verkauft. Ein Antiquitäten- und Kunsthändler namens Wolfgang Bartel kaufte sie. Er plante aus der Oberen Burg ein Antiquitätenzentrum zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war die Obere Burg schon ziemlich weit heruntergekommen. Eine fachmännische Restaurierung war dringend notwendig, sodass Wolfgang Bartel die Burg so gut es ging wieder in Stand setzte. Deshalb ist es ihm wohl auch zu verdanken, dass die Obere Burg nicht dem Verfall zum Opfer fiel so wie es bei der Unteren Burg der Fall war. Aus welchem Grund auch immer verkaufte er die Obere Burg 1990 an die Gemeinde Rheinbreitbach.[Anm. 38]
Diese hatte nur mit viel Überzeugungsarbeit des damaligen Bürgermeisters Königstein dem Projekt, die Obere Burg für insgesamt 1,15 Millionen Mark zu kaufen, zugestimmt. Königstein plante mit einigen Freunden (Dr. Ulrich Schmitz, Margret Stümpfig, Hildegard Zimmermann, Willi Pauli, Fritz Schatten und Klaus Henning Rosen) die Obere Burg als kulturelles Zentrum und Bürgermeistersitz des Ortes auszubauen. Dafür musste in die Burg jedoch noch viel Geld (ca. 990.000 Mark) von Bund, Land und Gemeinde gesteckt werden, sodass nicht jeder im Ort total von dem Projekt begeistert war, was aber auch mit der umstrittenen Schließung des Waldschwimmbades aus wasserhygienischen Gründen zusammenhing. Manch einer betitelte daher die wagemutigen Visionäre als „Spinner“ und „Fantasten“. Doch die Befürworter glaubten fest an ihre Sache und ließen die Burg leider nicht immer originalgetreu vollends in Stand setzen, was aber auch mit kommunalpolitischen und arbeitstechnischen Gründen zusammenhing. Insgesamt 2 Jahre dauerte es bis die Obere Burg größtenteils renoviert war und sich in ihren Mauern bei der Eröffnungsfeier am 7 Oktober 1992 der Förderkreis Obere Burg gründen konnte. Eine Woche vorher hatte Manfred Königstein auf dem alljährlich im August stattfindenden Rheinbreitbacher Parkfest dem damaligen Innenminister Walter Zuber und der Landtagsabgeordneten Renate Pepper für ihre Unterstützung durch Bund und Land bei dem kostspieligen Projekt gedankt.
Zu dieser Zeit rückte die Obere Burg wieder in den Mittelpunkt des Dorfgeschehens, sodass interessierte Bürgerinnen und Bürger, Forschungen über die Geschichte der Burg anstellten und erste Erkenntnisse über das einst herrschaftliche Haus gewonnen wurden. Auch der neu gegründete Förderkreis mit seiner stetig wachsenden Mitgliederzahl tat hierzu durch Zeitungsaufrufe nach historischen Dokumenten und Bildern über die Obere Burg sein Übriges. Er organisierte auch zusammen mit Manfred Königstein die historisierende Innenausstattung der Oberen Burg.[Anm. 39]
Dennoch sollte es noch lange kleinere Streitigkeiten um die Burg geben, vor allem in Bezug auf die Gemeindeverwaltung, die dort ihren Sitz hatte.[Anm. 40]
Mittlerweile ist die Obere Burg jedoch durch den Förderkreis Obere Burg (und auch durch das Rheinbreitbacher Vereins- und Gemeindeleben) zu einer Art Wahrzeichen und Mittelpunkt des Ortes geworden. Im Park finden zahlreiche Veranstaltungen statt wie z.B. das Parkfest. In der Burg selbst werden zahlreiche kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Kabarett im reizvollen Ambiente abgehalten, die durch den Förderkreis organisiert werden. Dieser Förderkreis ist auch mit dafür verantwortlich, dass die Obere Burg in Stand gehalten wird und weiterhin ihr historisches und kulturelles Flair entfalten kann.[Anm. 41]
0.3.Fazit
Die Nutzung der Oberen Burg von Rheinbreitbach war von ihrer Erbauung im 15. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhundert rein landwirtschaftlicher Natur. Durch immer größere und dem Nutzen der Burg entsprechenden Anbauten wuchs die Burg über die Jahre hinweg zu einem stattlichen Landsitz an, der sich jedoch von anderen Landgütern nicht wesentlich unterschied. Wahrscheinlich hätte sie dasselbe Schicksal wie die Untere Burg geteilt, wenn nicht Anfang des 20. Jahrhunderts der deutschnational gesinnte Autor und Dichter Rudolf Herzog die Burg gekauft und umgebaut hätte. Durch ihn erlangte sie einen ersten Bekanntheitsgrad und eine neue Verwendung als Sommerresidenz. Diese Phase war die Glanzzeit ihrer Geschichte. Nachdem Herzog verstorben war, schlummerte die Burg in einem Dornröschenschlaf, weil nach dem Krieg niemand das nötige Geld hatte, die Burg vollends in Stand zu setzen. Ehrlich gesagt wussten die Besitzer auch nicht so recht, was sie damit machen sollten. Erst Wolfgang Bartel, der die Burg als Erster umfassend mit seinem Privatvermögen renovierte, holte die Burg zurück ins Leben. Als später die Gemeinde Rheinbreitbach 1990 das Gebäude übernahm und die Burg der Öffentlichkeit zugänglich machte, war dies die sinnvollste Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt getroffen werden konnte. Die Obere Burg verwandelte sich von der „Herzogsburg“ zur „Bürgerburg“, was durch den Sitz der Gemeindeverwaltung in einen Teil des Gebäudes immer noch symbolisch dargestellt wird. Es war ein weiterer Wendepunkt in der Geschichte der Oberen Burg. Seitdem werden kulturelle Veranstaltungen und Feste in ihr abgehalten und vom Förderkreis Obere Burg geleitet. Somit ist die heutige Nutzung der Burg als regionales Kulturzentrum die sinnvollste Maßnahme.
Nachweise
Verfasser: Thomas Napp
Quellen und Literaturverzeichnis:
I. Primärliteratur
- Bachem, Ritter Herin von (28 Juli 1338). Ablösung des erzbischöflichen Schiedsmannes von Lewendal. Köln (Best. 1 (Haupt Urkunden Archiv), U 1/1417)
- Bentheim, Wilhelm Heinrich Graf von. Streitgegenstand: Ausgangspunkt des Verfahrens, das in den Zusammenhang der Streitigkeiten zwischen den Grafen von Bentheim und Kurköln um die Herrschaft Wevelinghoven gehört (B 648/2657, Reichskammergericht)
- Federhen, Franz-Josef (25.02.2009): Interview mit Thomas Napp.
- Federhen, Franz-Josef (17.03.2010): Schriftliche Mitteilung
- Löhr, Hermann Joseph (Autor): Wo Rudolf Herzog seine Romane schrieb- Die Obere Burg gehörte bis 1943 dem Schriftsteller und Journalisten -Gebäude ist heute Sitz der Gemeindeverwaltung, Artikel erschienen in Lokalzeitschrift
- Wrede, Wilhelm von (1731). Klage gegen eine Forderung von den Erben der Maria Sybilla von Geyr. Köln (Stadtarchiv Köln, A49, AS: W1027/2821)
II. Sekundärliteratur
- Brungs, Joseph J. / Ermert, Alfred (Hrsg.) (1952): Geschichte Rheinbreitbachs. Erweitert und bis zur Gegenwart fortgeführt von H. Vogts und J. Faber. Wanne-Eickel: Wolf.
- Frankfurt, Höchster Markt 3, Der oktogonale Treppenturm (2010): www.frankfurt-hoechst.info/Der-Turm-und-seine-Geschichte.htm (25.03.2010)
- Freier Haufen zu Krinvelde (2010): www.krinvelde.de/bibliothek/titel.htm (23.03.2010)
- General Anzeiger (August/Oktober 1992)
- Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. (2009): www.regionalgeschichte.net/index.php (Stand: 5.03.2010; 13:10)
- Irmscher, Günter (Autor) (2005): Das Kölner Goldschmiedehandwerk 1550 - 1800. 2 Bände. Eine Sozial- und Werkgeschichte. Tafelband und Textband
- Königstein, Manfred; Sammlung (Stand 2010): Zeitungsartikel seiner Amtszeit
- Neu, Heinrich / Weigert, Hans (1940): Die Kunstdenkmäler des Kreises Neuwied (= Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 16/2). Düsseldorf: Schwann.
- Neuwieder Zeitung (16 Juli 1991): „Die Burg wird gekauft“
- Rosmanitz, Harald, (Neustadt a. d. Aisch 2006): Die Ketzelburg in Haibach. Eine archäologisch-historische Spurensuche.
- Thon, Alexander/ Ulrich, Stefan (2010): „… wie ein Monarch mitten in seinem Hofstaate thront“. Burgen am unteren Mittelrhein. Regensburg.
- Turba Delirantium (2010): turba-delirantium.skyrocket.de/wissenschaft/universitaet_faecher.htm (23.03.2010)
- Voigtländer, Dorothea F. (Hrsg.) (1974): Rheinbreitbach - einst und jetzt. Rheinbreitbach: Selbstverlag.
- Wikipedia- Die freie Enzyklopädie (2010): de.wikipedia.org/wiki/Unkel (28.03.2010); de.wikipedia.org/wiki/Drei%C3%9Figj%C3%A4hriger_Krieg (28.03.2010); de.wikipedia.org/wiki/Wohnturm (28.03.2010); de.wikipedia.org/wiki/Kanoniker (23.03.2010); de.wikipedia.org/wiki/Dalmatik (17.04.2010); de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_von_L%C3%B6wendal (17.04.2010)
- Wochenkurier (1 Oktober 1992): Titelblatt
Erstellt am: 23.03.2020
Anmerkungen:
- Vgl. preuß. Katasteramt; Brungs (1952, S. 18). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Roidkin. Zurück
- Vgl. Brungs (1952, S. 67). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Burg Nideggen. Zurück
- Vgl. Brungs (1952, S. 18); Bildquelle: Roidkin. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Burg Nideggen. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Lund; Napp; Federhen (25.02.2009). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Lund. Zurück
- Vgl. Rosmanitz (2006, S. 125-128). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Napp; regionalgeschichte.net (05.03.2010). Zurück
- Vgl. Rosmanitz (2006, S. 125-128); Bildquelle: Roidkin. Zurück
- Vgl. Thon (2010, Obere Burg). Zurück
- Vgl. Ebd. Zurück
- Vgl. Ebd. Zurück
- Vgl. Voigtländer (1974, S. 20); Neu (1940, S. 351-352). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Napp, Heimatarchiv Rheinbreitbach. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Napp. Zurück
- Vgl. Ebd. Zurück
- Vgl. Brungs (1952); Bildquelle: Napp. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Napp. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Napp; Heimatarchiv Rheinbreitbach; Schatten (Oktober 2002). Zurück
- Vgl. Bachem (Landesarchiv NRW, U1/1417). Zurück
- Vgl. Neu (1940, S. 351-352); wikipedia (02.04.2010). Zurück
- Vgl. Bentheim (Landesarchiv NRW, B 648/2657). Zurück
- Vgl. wikipedia (17.04.2010). Zurück
- Ebd. Zurück
- Vgl. Irmscher (2005, S. 232-310). Zurück
- Vgl. Turba (23.03.2010). Zurück
- Vgl. wikipedia (28.03.2010); Sellen (1999, S. 139-143). Zurück
- Vgl. wikipedia (28.03.2010); Wrede (Stadtarchiv Köln, A49). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Wasserburg Müddesheim. Zurück
- Vgl. wikipedia (29.03.2010). Zurück
- Vgl. Bildquelle: Lund; Neu (1940, S. 351-352). Zurück
- Vgl. Federhen (17.03.2010); Bildquelle: Lund. Zurück
- Vgl. Bildquelle: Heimatarchiv Rheinbreitbach.>/ANM> Zurück
- Vgl. Thon (2010, Obere Burg). Zurück
- Vgl. Voigtländer (1974, S. 20); Löhr. Zurück
- Vgl. Löhr. Zurück
- Vgl. Königstein. Zurück
- Vgl. Förderkreis Obere Burg (2009), Schatten (Oktober 2002). Zurück
- Vgl. Ebd. Zurück