Laufersweiler im Hunsrück

Die Synagoge in der Kirchgasse und ihre Vorgängerbauten

Wir wissen von zwei Vorgängerbauten, die beide in der Kirchgasse standen. Eine Synagoge wird erstmals in einem Bericht vom 31. Juli 1840 erwähnt, wo es heißt: "Bei dem großen Brand in Laufersweiler (1839) ist den Israeliten ihre Synagoge, worin zugleich das Schullokal sich befand, gänzlich eingeäschert worden." Der Hinweis auf das ebenfalls zerstörte "Schullokal" und die Tatsache, dass Lehrer Scheuer, als er 1825 nach Laufersweiler kam, noch zwei Räume seiner Wohnung für Unterrichtszwecke zur Verfügung stellen musste da kein Schulsaal vorhanden war, lassen die Vermutung zu, dass die Synagoge erst nach 1825 erbaut oder erworben wurde. Angesichts der geringen Bevölkerungszahl zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist davon auszugehen, dass es sich bei der zerstörten Synagoge um das erste jüdische Gotteshaus in Laufersweiler gehandelt haben dürfte, da in den Akten nirgendwo Hinweise über eine ältere Synagoge zu finden sind.

1840 beauftragte die jüdische Gemeinde Baumeister Hahn aus Külz einen Plan zur Errichtung einer neuen zweistöckigen Synagoge nach dem "Muster der alten" anzufertigen. Aus eigenen Mitteln und 100 Talern geliehenem Kapital konnte das Gebäude nach drei Jahren Bauzeit 1844 fertiggestellt werden. Betrachtet man den um 1840 erstellten Bauplan der Synagoge genauer, so zeigt sich eine Besonderheit, die wohl nur im ländlichen Raum zu finden ist und auch da eher selten. So wurde der linke Teil des Gebäudes ausschließlich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Die Bezeichnungen "Kuhstall" und "Futterraum" weisen darauf hin.

Über die Einweihung der neuen Synagoge im August 1844 finden wir in der Beilage zur Kölnischen Zeitung einen großen Bericht. Hier ein kleiner Auszug: "Am 16. und 17. des Monats fand die Einweihung der Synagoge statt. Nachdem der Herr Oberrabbiner von der dortigen israelitischen Schuljugend feierlichst in Empfang genommen wurde, traf sich die Gemeinde des Nachmittags um 3 Uhr zum Vesper- (Mincha-) Gebet in dem Hause des dortigen Einwohners Joseph Löser. Der Zug, dem sich der sehr würdige evangelische Geistliche, Herr Pfarrer Lang, daselbst anschloss, bewegte sich nun zur neuen Synagoge. Hier sprach der Herr Oberrabbiner mit wahrhaft inbrünstigem Gefühle ein Gebet, und nachdem die Gesetzesrollen in die heilige Lade eingebracht waren, folgten die Weihepredigt und das Gebet für unseren allverehrten Landesvater. Nach beendigtem Gottesdienste versammelten sich die Gemeindeglieder zu einem festlichen Mahle, dem der Herr Pfarrer Lang und mehrere andere christliche Einwohner von Laufersweiler beiwohnten. So endete denn eine Festlichkeit, die in den Herzen aller Anwesenden und ohne Unterschied des Glaubens die gegenseitige Liebe und Achtung noch mehr erhöhte".

Als 1844 die Synagoge fertiggestellt war, bekamen jene 17 jüdische Familien, die sich finanziell am Bau der Synagoge beteiligt hatten, für sich und ihre Nachkommen zwei feste Sitzplätze pro Haushalt zugewiesen. Alle übrigen Juden (Neubürger und auswärtige Gottesdienstbesucher) mussten für ihre Plätze eine Miete bezahlen. Diese diente dazu, die Zinsen für das geliehene Kapital sowie die Kosten für die Beleuchtung und Unterhaltung des Gebäudes aufzubringen. Etwa 150 bis 160 Personen fanden in der Synagoge Platz.

Durch einen 1856 angefertigten Bericht erfahren wir erstmals von dem Vorhandensein einer Mikwe (Judenbad) in der Synagoge. Schon 1857 befand sich die Synagoge in einem "kläglichen Zustand". 1909 wurde das Gebäude aufgegeben und abgerissen. An gleicher Stelle entstand in den Jahren 1910/11 nach den Entwürfen des Hirschfelder Baumeisters Nikolaus Elz eine stattliche zweigeschossige Synagoge, die am 1. und 2. Juni 1911 feierlich eingeweiht wurde. Im Erdgeschoss befand sich der Gebetsraum und ein kleiner Nebenraum. Die Treppe im Eingangsbereich führte zur Frauenempore und zu einem weiteren kleinen Nebenraum. Stilistisch greift die Gestaltung der Außenfront der Synagoge Einflüsse des sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Historismus auf.

Festkarte zur Einweihung, 1911[Bild: Bildarchiv des Rhein-Hunsrück-Kreises www.rheinhunsrueck-bild.de [CC BY-SA 3.0]]

Die Zerstörung der Synagoge in der Pogromnacht 1938

Bis zu Beginn der Naziherrschaft (1933) wurde die Synagoge von den Juden unbehelligt genutzt. Im Mai 1933 fand die letzte jüdische Hochzeit in der Synagoge statt. Als am 7. November 1938 der siebzehnjährige Jude Herschel Grynszpan in Paris den deutschen Legationsrat Ernst vom Rath erschoss, nahmen die Nationalsozialisten dieses Attentat zum Anlass, unter dem Deckmantel einer angeblichen Volkswut, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 Ausschreitungen gegen die deutschen Juden zu organisieren. In dieser Pogromnacht, später beschönigend „Reichskristallnacht“ genannt, wurden im ganzen Deutschen Reich auf Anordnung der Parteiführung Synagogen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, jüdische Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe zerstört oder verwüstet, jüdische Menschen gedemütigt, geschlagen und sogar getötet, Zehntausende verhaftet und in Konzentrationslager eingeliefert.

Auch die Laufersweiler Synagoge wurde von fanatischen Nazis heimgesucht und dabei innen völlig verwüstet. Das Gebäude blieb jedoch erhalten, da es mitten im eng bebauten Ortskern lag und wegen der hohen Brandgefahr für die umliegenden Anwesen nicht niedergebrannt werden konnte. Den Befehl, die „Judenaktion“ in Laufersweiler durchzuführen, erhielten die örtlichen SA-Führer von Büchenbeuren, Sohren und Laufersweiler von dem SA-Standartenführer Schwarzer aus Idar-Oberstein und dem Sturmbannführer Spesser aus Traben-Trarbach. Im Hunsrücker Anzeiger vom 21. Juli 1949 finden wir einen ausführlichen Bericht über den sogenannten „Juden-Prozess Laufersweiler“, der am 18. Juli 1949 vor dem Amtsgericht in Kirchberg begann und schon am 22. Juli 1949 endete.

Die Ereignisse der „Kristallnacht“ werden dort wie folgt zusammengefasst: „Bis zum Mittag des ersten Verhandlungstages wurden die Angeklagten vernommen, von denen der größte Teil an Gedächtnisschwund zu leiden schien, wie der leitende Landgerichtsrat hervorhob. K. und C. begaben sich zusammen mit dem Beschuldigten G. und dem verstorbenen L. G. aus Büchenbeuren mit dem Kraftwagen des Beschuldigten G. nach Laufersweiler, um hier die Synagoge und die jüdischen Anwesen zu besichtigen. Hier besorgte der Beschuldigte G. den Schlüssel zur Synagoge bei dem jüdischen Pferdehändler Mayer, der ihn zunächst nicht herausgeben wollte. G. erzwang die Herausgabe, indem er dem Juden auf den Kopf schlug. Die Beschuldigten wollten nun an sich ganze Arbeit leisten und die Synagoge mit Hilfe von Benzin- und Petroleumkanistern in Brand stecken. Dazu kam der inzwischen verstorbene Lebensmittelhändler B., der sich mit seinem Kraftwagen gerade in Laufersweiler aufhielt. Durch das Dazwischentreten des Zeugen A. und anderer Einwohner von Laufersweiler, die auf die Brandgefahr für die unmittelbar benachbarten Häuser hinwiesen, unterblieb schließlich die Brandstiftung. Wohl wurde die Synagoge mit Hämmern, Äxten und anderen Werkzeugen von allen Beschuldigten gründlich zerstört.

Der Beschuldigte K. beteiligte sich selbst mit einem schweren Hammer daran und feuerte die anderen Täter durch brüllende Zurufe fortgesetzt zu den Ausschreitungen an. Unter Anführung von C. schleppte die Menge auch einen Teil des Inventars aus der Synagoge heraus und warf ihn auf die Straße. C. forderte mehrere Jugendliche auf, den Davidstern vom Turm zu holen. Die Jungens wollten aber nichts davon wissen. Da erkannte C. den Beschuldigten W., einen Dachdecker, den er nun mit sich nahm und mit dem er auf das Dach stieg. W., der damals siebzehn Jahre alt war, wollte nicht mitmachen und meinte, er würde von seiner Mutter deswegen geschlagen. Die beiden kletterten durch das Dachfenster auf das Dach. C. gab W. einen Hammer, mit dem dann beide den Stern abschlugen.

Von den Beschuldigten ist nur W. voll geständig. Die übrigen Beschuldigten versuchten ihre verantwortliche Tätigkeit zu verkleinern und geben mehr oder weniger nur das zu, was zu leugnen sinnlos wäre.“

Im November 1939 wurde der Wert der Synagoge vom Landratsamt in Simmern auf 3.800 Reichsmark geschätzt.

„Die Synagoge als Symbol der Mahnung erhalten“

1955 erwarb die Gemeinde Laufersweiler die Synagoge und nahm mehrere bauliche Veränderungen vor. So wurde z. B. die Frauenempore entfernt und der zweigeschossige Kultraum durch eine Geschossdecke geteilt. Im Erdgeschoss richtete man eine Wäscherei und Gefrieranlage ein, im Obergeschoss entstand ein Schulraum, der später von der katholischen Kirchengemeinde genutzt wurde. Im Zuge anstehender Restaurierungsarbeiten geriet die Synagoge zu Beginn der 1980er Jahre wieder in das öffentliche Bewusstsein.

Im Jahre 1985 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Ein Jahr später begann die Gemeinde mit den Restaurierungsarbeiten, die im Dezember 1987 abgeschlossen waren. Der Kirn-Sulzbacher Künstler Karl-Heinz Brust hatte im Rahmen der Sanierungsarbeiten in der ehemaligen Toranische ein aus drei Teilen bestehendes Bronzerelief geschaffen, das an jene jüdischen Einwohner erinnert, die noch im Dorf wohnten und in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Die ehemalige Synagoge als Lernort

Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten begann der Förderkreis 1987/88 mit dem Aufbau einer Dauerausstellung im Erdgeschoss der Synagoge. Im Obergeschoss wurde am 6. Juli 2014 das „Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum für das Landjudentum“ eröffnet. Das Studien- und Begegnungszentrum ist nach den zwei jüdisch-deutschen Familien Forst und Mayer benannt, die vor allem in Kastellaun und Laufersweiler beheimatet waren und seit Generationen im Mosel-Rhein-Hunsrück-Raum lebten. Der 1989 gegründete Förderkreis Synagoge Laufersweiler e.V. erneuerte im Jahre 2020 die Dauerausstellung und passte sie neuen Erfordernissen und dem aktuellen Forschungsstand an.

Bemerkungen zur Architektur

Die Synagoge 2007[Bild: gemeinfrei]
Eingangsportal 2008[Bild: Wikipedia-Nutzer Schuppi [CC BY-SA 3.0]]
Eingangsportal 2013[Bild: Wikipedia-Nutzer Kasimix [CC BY-SA 4.0]]
Löwe am Fuß des Portals, 2013[Bild: Wikipedia-Nutzer Kasimix [CC BY-SA 4.0]]

Stilistisch greift die Gestaltung der Außenfront der Synagoge Einflüsse des sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Historismus auf. Die Frage nach evtl. Vorbildern, an denen sich damals Baumeister Nikolaus Elz orientierte, konnte noch nicht geklärt werden. Heute präsentiert sich das Gebäude in nur leicht veränderter Erscheinungsform. Der zweigeschossige Massivbau, 11,70 m lang und 9,80 m breit, ruht auf einem Sockel von gebrochenen Sandsteinquadern und schließt mit einem Satteldach ab. Die südliche Längsseite zur Kirchgasse zeigt im Obergeschoss drei einfache und im Untergeschoss drei gekoppelte Rundbogenfenster. Die nördliche Seitenfront weist dagegen nur zwei einfache und zwei gekoppelte Rundbogenfenster auf, da man hier im Treppenhaus auf Fenster verzichtete. Alle Fenster sowie das Portal sind mit schlichten Sandsteingewänden ausgebildet, die 1986 erneuert wurden.

Bestimmt wird der Bau, der traufseitig zur Kirchgasse hin orientiert ist, durch Lisenen in den Längsfronten, die wie gotische Strebpfeiler behandelt sind und in der Kämpferzone der Obergeschossfenster einen Giebelabschluss tragen sowie durch Ecklisenen, die turmartig über das Traufgesims hinausragen. Die westlichen Lisenen haben steinerne Aufsätze in Schweifhaubenform über einem kassetierten, achteckigen Block. Hier handelt es sich um ein Stilelement, das oft im Synagogenbau vorkommt. Es sind Andeutungen der beiden Säulen in der Vorhalle des Jerusalemer Tempels, die in der Bibel nach 1 Kön. 7,21 Jachin und Boas heißen. Am Ostgiebel sind die Türmchen sparsamer in Form einer quadratischen Abdeckung mit je einer Kugel als Bekrönung ausgebildet. Ebenfalls im Ostgiebel befindet sich der fünfseitig geschlossene Aron, in dem die Thorarollen aufbewahrt wurden sowie ein kleines Rundfenster im Giebel. Die beiden Rundbogenfenster links und rechts des Thoraschreins wurden bei den Umbauarbeiten in den 1950er Jahren zugemauert. Auf der Westseite befindet sich der Eingang, den man über eine Treppenanlage erreicht. Nach Arbeiten im Jahre 2000 wurden 20 Jahre später im Außenbereich erneut umfangreiche Restaurierungsarbeiten notwendig, die von der Gemeinde Laufersweiler, der Verbandsgemeinde Kirchberg, dem Dorferneuerungsprogramm und dem Förderkreis finanziert wurden.

Der Rundbogen über dem Portal trägt die hebräische Inschrift „Wie fein sind deine Zelte Jakob und deine Wohnung Israel“. Flankiert wird der Eingangsbereich im Erdgeschoss von zwei gekoppelten Rundbogenfenstern. Über dem profilierten Gesimsband, das hier giebelartig geknickt ist, befinden sich im Obergeschoss drei einfache Rundbogenfenster und im Giebel ein Kreisfenster. Ursprünglich wurde der Westgiebel von den beiden steinernen Gesetzestafeln mit hebräischer Inschrift und einem Davidstern gekrönt. Weitere Zierelemente befinden sich an den beiden Pfosten des Eingangsportals, die Flachreliefs mit kauernden Löwen zeigen. Die Löwen stellen den Löwen Juda dar, eines der gebräuchlichsten jüdischen Symbole.

Die Synagoge ist heute integriert in überregionale Wanderwege und eingebettet in ein Erinnerungsensemble, bestehend aus dem ehemaligen Synagogengebäude, einem künstlerischen Erinnerungsort, dem Weg der Erinnerung, einem Pfad der jüdischen Lyrik und dem jüdischen Friedhof. Alle Bestandteile bieten heute einen tiefen Einblick in das gewaltsam zerstörte Landjudentum.

Nachweise

Autor: Hans-Werner Johann

red. Bearb. Konstantin Arnold

 

Erstellt am 23.01.2021