Niederlahnstein am Mittelrhein

Allerheiligen-Kapelle

Niederlahnstein Allerheiligenkapelle 1895-1901.

Die katholische Allerheiligen-Kapelle in Niederlahnstein steht auf dem Allerheiligenberg mit Blick über das Lahn- und Rheintal. Die Entstehung der Kapelle geht auf folgende Überlieferung zurück: Johann Philipp von Trarbach war als fünfjähriger Junge von einer Zigeunerbande entführt worden. Auf dem Eilsberg traf die Bande auf eine Jagdgesellschaft und ergriff die Flucht. Dabei ließen sie mehrere entführte Kinder, darunter Johann Philipp von Trarbach, zurück. Er wurde seinen Eltern zurückgegeben und seine Mutter fastete und pilgerte an jedem Vorabend vor Allerheiligen als Dank zu dem Berg, auf dem man ihren Sohn gefunden hatte. Als Johann Philipp von Trarbach herangewachsen war, wollte er Priester werden und schließlich wurde er Frühmesser an der St. Johanniskirche in Niederlahnstein. Als Dank für die wundersame Rettung auf dem Berg, errichtete er 1671 eine Kapelle mit einer angegliederten Eremitage.[Anm. 1] Sie war der Vorgänger der heutigen Kirche und war der Allerheiligsten Dreifaltigkeit geweiht.[Anm. 2] Nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870–1871) beschloss der Kirchenvorstand von Niederlahnstein den Bau einer neuen Kirche als Gedenkstätte und Ehrenmal der im Krieg gefallenen Soldaten. Mit der Errichtung des Baus wurde der bekannte Architekt Max Meckel (1847–1910) beauftragt. Unter den Gönnern des Baus befand sich an prominenter Stelle der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859–1941; Amtszeit: 1888–1918). Die Bauarbeiten dauerten bis 1901 an. Seit 1919 war an der Allerheiligenkapelle ein Oblatenkloster angesiedelt. Im Jahr 2012 wurde das Kloster aufgegeben und zu einer Wohngemeinschaft und Tagungsstätte umgewandelt. gekauft.[Anm. 3] In das ehemalige Oblatenkloster ist noch die alte Dreifaltigkeitskapelle von 1671 integriert.[Anm. 4]

Die Formensprache der Kirche entspricht der rheinischen Spätgotik. Der gewestete Turm mit markanten Turmhelm hat sein entsprechendes Vorbild in der katholischen Kirche von Münster-Sarmsheim. Das Innere zeichnet sich durch weite Proportionen und einer wiederhergestellten neugotischen Raumfassung aus. Der Saal ist von einem Netzrippengewölbe überspannt.Von der Ausstattung ist der neugotische Hochaltar von Caspar Weis (1849–1930) hervorzuheben, der den Chorraum ziert.[Anm. 5] Caspar Weis war seit 1903 in Oberlahnstein ansässig und ist auch dort auf dem Friedhof am Allerheiligenberg bestattet. Seine Altäre gehören zu den herausragenden Werken des Historismus in Deutschland.[Anm. 6] Er zeigt als zentrale Szene die Rosenkranzspende an den Hl. Dominikus (um 1170–1221). Die zentrale Szene wird flankiert von den Hll. Franziskus (um 1181/82–1226) und Klara von Assisi (um 1193/94–1253). Die zentrale Aussage des Hochaltars nimmt Bezug auf die Doppelmadonna im Rosenkranz am Chorscheitel.

An der Schwelle zum Chorraum hängt das Gnadenbild der alten Kirche, eine sogenannte Doppelmadonna von einem Strahlenkranz umgeben in einem Rosenkranz. Doppelmadonnen sind insbesondere in Westfalen häufig anzutreffen, aber auch in unserem Raum nicht selten. Am Mittelrhein gibt es diese Tradition seit dem Spätmittelalter. Unter den Doppelmadonnen am Rhein ist besonders die sogenannte Leuchtermadonna von Peter Schro (um 1485–um 1544) in der Michaelskapelle in Kiedrich zu erwähnen.[Anm. 7] In unmittelbarer Nähe zu Niederlahnstein gibt es eine weitere Doppelmadonna in der Karmeliterkirche in Boppard.[Anm. 8] Die Doppelmadonna zeichnet sich dadurch aus, dass die Vorderseite Maria als Immaculata zeigt und die Rückseite Maria mit dem Jesuskind. Die Gruppe ist oft sowohl von einem Rosenkranz als auch von einem Strahlenkranz umgeben.

Unter der figürlichen Ausstattung aus der Erbauungszeit stechen eine Pietà von Caspar Weis (1901) sowie mehrere Heiligenfiguren hervor. Über der Pietà ist noch das einzige erhaltene Fenster aus der Erbauungszeit zu sehen. Zur den zahlreichen Darstellungen der Muttergottes gesellt sich in einer Kapelle noch eine Darstellung der Muttergottes von Fatima.[Anm. 9]

Vor der Kirche steht eine eindrucksvolle Kreuzigungsgruppe (1901) aus der Werkstatt von Caspar Weis. Unter der Kreuzigungsgruppe befindet sich eine Nachbildung eines Felsengrabs mit einer Skulpturengruppe der Grablege Christi.[Anm. 10]

Die aktuelle Glocke wurde von August Mark in Brockscheid umgegossen. Sie stammt eigentlich aus dem 16. Jahrhundert von dem Glockengießer Hieronymus Hach aus Aschaffenburg und hing in der St. Martinskirche von Oberlahnstein, wurde aber im Zweiten Weltkrieg derart beschädigt, dass sie umgegossen werden musste.[Anm. 11] Die Inschrift berichtet darüber: Sanct Martin ward ich eins genannt. Im Krieg entführt von Frevlerhand. Im Frieden habe ich heimgefunden. Das Feuer heilte meine Wunden. 1583 Hieronymus Hach Aschaffenburg. 1948 August Mark Brockscheid.[Anm. 12]

Zur Wallfahrt und zur Kapelle gehören auch die Rosenkranzkapellchen auf dem Weg zum Allerheiligenberg. Sie sind zwischen 1854 und 1886 entstanden. Die alten figürlichen Reliefs wurden 1935 durch Fresken im Beuroner Stil ersetzt.[Anm. 13] Ebenso gehört zum Kloster eine vielbesuchte Lourdes-Grotte.

Nachweise

 

Verfasser: Alexander Wißmann M.A.

Verwendete Literatur:

  • Eisenbarth, Willi: Stadtführer Lahnstein. Historische Stätten und Sehenswürdigkeiten in Lahnstein, 2. Aufl., Koblenz 1994.
  • Imhof, Michael: Die Kirchen im Mittelrheintal. Führer zu den Bauten des UNESCO-Welterbes Mittelrhein, Petersberg 2004.
  • Lühmann-Schmid, Irnfriede: Peter Schro. Ein Mainzer Bildhauer und Backoffenschüler. In: Mainzer Zeitschrift 71/72, 1976/1977, S. 57–100.
  • Nicol, Wolfram: Gottes Häuser. Bauen im Bistum Limburg, Limburg (Lahn) 1999.
  • Stramberg, Christian von: Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, welcher die wichtigsten und angenehmsten geographischen, historischen und politischen Merkwürdigkeiten des ganzen Rheinstroms, von seinem Ausflusse in das Meer bis zu seinem Ursprunge darstellt. Mittelrhein, II. Abtheilung 2. Band. Das Rheinufer von Coblenz bis zur Mündung der Nahe, 1. Band, Koblenz 1851.

Aktualisiert am: 17.05.2017.

Anmerkungen:

  1. Siehe Von Stramberg 1851, S. 783. Zurück
  2. Siehe Eisenbarth 1994, S. 33. Zurück
  3. http://www.orden-online.de/news/2011/03/24/oblaten-geben-kloster-allerheiligenberg-auf/; http://allerheiligenberg.de/index.php; zuletzt geprüft am 16. Mai 2017. Zurück
  4. Siehe Eisenbarth 1994, S. 33. Zurück
  5. Siehe Nicol 1999, S. 50. Zurück
  6. Siehe Eisenbarth 1994, S. 168. Zurück
  7. Siehe Lühmann-Schmid 1976/1977, S. 62. Zurück
  8. Siehe Imhof 2004, S. 128. Zurück
  9. Siehe a.a.O., S. 274f. Zurück
  10. Siehe a.a.O., S. 275. Zurück
  11. Siehe Eisenbarth 1994, S. 34. Zurück
  12. Ebd. Zurück
  13. Siehe a.a.O., S. 36 Zurück