Bad Sobernheim im Naheland

Das Rathaus

0.1.1. Das Rathaus von 1535

Abb. 1: Das Sobernheimer Rathaus [Bild: G. Kneib]

Das Sobernheimer Rathaus wurde im Jahre 1535 als Steinbau mit typisch spätgotischen Formen errichtet. Wie die ein Vierteljahr vor dem Abriss von Johann Caspar Scheuren (1810-1887) angefertigte Steinzeichnung zeigt, war es mit der Giebelseite zum Markt ausgerichtet. Im Parterre erkennt man zwei spitzbogige Zugänge. Über diesen erstreckte sich ein auf hohen Kragsteinen ruhender Balkon mit einer mit Maßwerk verzierten Balustrade. [Anm. 1] Im Giebelfeld war eine runde Uhr angebracht. Das hohe Satteldach wurde von einem Dachreiter mit Glocke bekrönt.

Abb. 2: Steinzeichnung von J. C. Scheuren von 1833[Bild: Sammlung Melsbach]

Das Erdgeschoss bestand aus einer offenen vierschiffigen Halle, in deren Innern man von drei Seiten aus durch jeweils zwei spitzbogige Zugänge gelangen konnte. Die Obergeschosse wurden von runden Säulen getragen. In sie gelangte man mittels eines Treppenturms an der Rückwand zur Pfarrkirche hin. Über der offenen Halle des Parterres lag direkt hinter dem Balkon der Ratssaal. [Anm. 2]

Der Überlieferung zufolge befand sich auf der Innenseite der Türflügel das Mainzer Wappen, das vielleicht von einem Vorgängerbau übernommen worden war und an die bis 1471 währende frühere Stadtherrschaft des Mainzer Erzbischofs erinnerte. Daneben soll die folgende Inschrift in lateinischer Sprache angebracht gewesen sein:

„Cum pietate Deum summum reverenter adora.

Atque Magistratum cum pietate time.”

„Mit Ehrfurcht bete den höchsten Gott andächtig an

Und fürchte ebenso die Obrigkeit mit Ehrfurcht!“

Abb. 3: Ansicht des Parterres des alten Rathauses [Bild: Stadtverwaltung Bad Sobernheim]

In der Mitte der Maßwerkbrüstung war ein Wappenstein mit dem Erbauungsjahr in lateinischen Ziffern angebracht. Auf der von dem Meisenheimer Baumeister Kreusch vor dem Abriss angefertigten Zeichnung ist seine ursprüngliche Position als ein ausgespartes rechteckiges Feld festgehalten.

Abb. 4: Wappenstein am Rathaus von 1535 [Bild: Eberhard J. Nikitsch]

Die beiden oberen Wappen zeigen den pfälzischen Löwen und die bayerischen Rauten. Das untere stark verwitterte Schild stand vermutlich für das Kurpfälzer Reichsvikariat bzw. das Reichsrichteramt. [Anm. 3]

0.2.2. Der Neubau von 1861

Abb. 5: Altes Rathaus ca. 1842[Bild: Sammlung Hans-Eberhard Berkemann]

Nachdem das alte Rathaus zunehmend baufälliger geworden war, entschloss man sich im Jahre 1853, den Altbau durch einen neuen zu ersetzen, und beauftragte den Baumeister Kreusch mit dem Entwurf von Neubauplänen.

Da im Jahre 1837 hinter dem Ratsgebäude eine evangelische Volksschule und 1841/42 auf der rechten Seite das Friedensgericht errichtet worden war, wollte man, dass diese Bauten mit dem zu erbauenden Rathaus ein zusammengehöriges Ensemble bilden. Die Planungen und Überarbeitungen zogen sich bis 1861 hin, und Kreusch kündigte verärgert seine Mitarbeit. Der Kreuznacher Baumeister Peters übernahm die Bauleitung.

Im Jahre 1861 wurde das alte Rathaus abgebrochen und unter teilweiser Verwendung alter Bauteile neu errichtet. Laut Bauplan war im Parterre ein Gefängnis mit vier Zellen sowie ein Spritzen- und Wagenlokal eingerichtet. Das Obergeschoss beherbergte das Friedensgericht, das Bürgermeisteramt, den Ratssaal und zu einem geringen Teil eine Höhere Töchterschule. Der Wappenstein wurde erst 1879 an der heutigen Stelle der Fassade angebracht. [Anm. 4]

0.3.3. Der heutige Verwaltungsbau

Abb. 6: Das heutige Verwaltungsgebäude [Bild: G. Kneib]

Rathaus, Friedensgericht und Volksschule wurden im 20. Jahrhundert in ein Verwaltungsgebäude für das kontinuierlich wachsende Amt Sobernheim umgewandelt. Trotz der mehrfachen Umgestaltung erinnert der gegenwärtige Gebäudekomplex an die Baukonzeption seiner Vorgänger, insbesondere durch die drei torartigen, spitzbogigen Fenster, den Balkon und den Wappenstein. Dieser ist in einem zwerchhausartigen Giebel angebracht und verweist darauf, dass das ursprüngliche Rathaus mit seiner Giebelseite zum Marktplatz hin ausgerichtet war. [Anm. 5]

Nach der Verwaltungsreform von 1970 dient der Gebäudekomplex als Verwaltungssitz der Verbandsgemeinde (Bad) Sobernheim und nach dem Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Meisenheim im Jahre 2019 als Verwaltungszentrum der neu geschaffenen Verbandsgemeinde Nahe-Glan.

NACHWEISE

Verfasser: Gottfried Kneib

Redaktionelle Bearbeitung: Marion Nöldeke

Verwendete Literatur:

  • Freckmann, Klaus: Die profane Architektur in Sobernheim – 16.-18. Jahrhundert. In: Sobernheim - eine volkskundlich-historische Studie, hg v. Klaus Freckmann, Hildegard Frieß-Reimann und Werner Vogt, Bad Kreuznach 1980, S. 178-208, bes. S. 184-188.
  • Fuchs, Joannes Casimirus: Oratio de Dioecesi Beckelhemensi veteris comitatus Spanhemensis olim Portione, Zweibrücken 1732.
  • Nikitsch; Eberhard J.: Die Inschriften des Landkreises Bad Kreuznach (Die Deutschen Inschriften, Bd. 34; Mainzer Reihe, Bd. 3), Wiesbaden 1993.
  • Stadtverwaltung von Bad Sobernheim: Tit. XVI, Sect. 13. – Siehe: Freckmann 1980, mit Abbildungen.
  • Weidenbach, A. J.: Das Nahethal - historisch und topographisch, Band 3, Coblenz 1870 [= Rheinischer Antiquarius, Bd. II 18].
  • Zimmermann, Walter: Die Kunstdenkmäler des Kreises Kreuznach (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 18 Abt. 1), Düsseldorf 1935 (unveränderter Nachdruck 1985).

Erstellt am: 09.09.2022

Anmerkungen:

  1. Kragstein = herausragender, als Träger verwendeter Stein.  Zurück
  2. Zimmermann 1935, S. 369 / Freckmann 1980, S. 186.  Zurück
  3. Fuchs 1732, S. 9 / Weidenbach 1870, S. 228 / Freckmann 1980, S. 185-188 / Nikitsch 1993, S. 199f. mit Abb. Nr. 121.l.  Zurück
  4. Freckmann 1980, S. 185-195.  Zurück
  5. Freckmann 1980, S. 195. Zwerchhaus = ein- oder mehrgeschossiger Aufbau eines geneigten Daches.  Zurück