Die jüdischen Friedhöfe und die Geschichte der Juden in Niederkirchen
In Niederkirchen sind erstmals 1696 jüdische Einwohner:innen erwähnt. Damals lebten 14 Familien (ca. 50 – 60 Personen) in Niederkirchen von denen zwei Familien dem jüdischen Glauben angehörten. Die jüdische Zuwanderung in Niederkirchen dürfte jedoch schon deutlich früher unter der Herrschaft derer von Löwenstein (1426–1667) begonnen haben, die es Juden gegen hohe Abgaben gestatteten, sich in ihren Herrschaftsgebieten anzusiedeln.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert nahm die jüdische Bevölkerung in Niederkirchen stark zu und der Anteil der jüdischen Bevölkerung im Ort erreichte bis 1834/5 mit 114 Jüdinnen und Juden bei insgesamt 614 Einwohner:innen (18,5% der Niederkirchener Gesamtbevölkerung) einen Höchststand. Dieses Wachstum hing vermutlich mit der großen Anzahl an leerstehenden Wohnhäusern zusammen, die von den jüdischen Familien übernommen werden konnten, nachdem ihre Vorbesitzer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem nach Ost- und Südosteuropa ausgewandert waren. Im Jahre 1842/3 konnte die jüdische Gemeinde in Niederkirchen eine 1833 errichtete Scheune (Talstraße 15) erwerben, die zwischen 1852 und 1858 zu einer Synagoge mit Schule und Wohnung für den Rabbiner umgebaut wurde. Im Betsaal gab es im Erdgeschoss 90 Männersitze und auf einer Empore 50 Sitze für Frauen.
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war die jüdische Bevölkerung in Niederkirchen eng in das Gemeindeleben der Ortschaft eingebunden. Immer wieder waren jüdische Mitbürger im Gemeinderat oder gemeindlichen Ausschüssen vertreten und hatten einen großen Anteil am Handel und Gewerbe, der Niederkirchen Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem geschäftlichen Mittelpunkt machte. Der große jüdische Bevölkerungsanteil (1900 18,4%) von Niederkirchen ging jedoch bereits vor dem Ersten Weltkrieg zurück, da viele jüdische Familie u.a. nach Amerika auswanderten, während andere möglicherweise aus geschäftlichen Gründen einen neuen Wohnsitz in den Städten suchten.
Zum Zeitpunkt der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 lebten nur noch 27 jüdische Einwohner:innen bei insgesamt 747 Einwohner:innen in Niederkirchen. Wie überall in Deutschland wurden auch die Niederkirchener Jüdinnen und Juden schrittweise vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und die jüdischen Geschäfte boykottiert. Dies verstärkte die Auswanderungsbewegung der jüdischen Familien aus Niederkirchen noch einmal. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1939 wurde die Niederkirchener Synagoge von Nationalsozialisten in Brand gesteckt und vollständig zerstört. Die jüdische Familie Mayer, die zu dieser Zeit die Wohnung in der Synagoge mietete, befand sich zu diesem Zeitpunkt im amerikanischen Konsulat im Stuttgart, um die Auswanderungspapiere zu beantragen. Das in der Synagoge bereitgestellte Reisegepäck verbrannte trotz des beherzten Eingreifens eines Niederkirchener Bürgers beinahe vollständig, sodass die Familie die Reise nach Amerika ohne ihre Habseligkeiten antreten musste. Im Jahr 1942 wurde die letzte jüdische Einwohnerin deportiert, womit die Geschichte der jüdischen Gemeinde Niederkirchen ihr Ende fand.
Die jüdischen Friedhöfe
Der alte jüdische Friedhof in Niederkirchen wurde gegen 1650 angelegt und bietet damit einen weiteren Hinweis darauf, dass bereits vor der ersten Erwähnung jüdischer Einwohner:innen eine jüdische Ansiedlung in Niederkirchen vorhanden war. Der Friedhof befindet sich auf dem Hahnenhügel (Flurstück Nr. 237) und umfasst eine Fläche von 550 qm. Der Friedhof wurde bis 1860 von der jüdischen Kultusgemeinde in Niederkirchen genutzt. Heute sind noch zwei Grabsteine aus dem frühen 19. Jahrhundert erhalten.
Nachdem der alte jüdische Friedhof um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu eng geworden war, wurde 1860 ein neuer Friedhof im Kennelgraben (Flurstück Nr. 3651) angelegt. Das etwa 720 qm umfassende Gelände wurde mit einer Mauer abgegrenzt. Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde der Friedhof in Verbindung mit der Gemeinde Niederkirchen von einer internationalen Jugendgruppe wieder hergerichtet. Auf dem Friedhof befinden sich auch Grabsteine des abgeräumten Friedhofes in Olsbrücken. Heute sind sich noch etwa 70 Grabsteine aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert vorhanden.
Beide jüdische Friedhöfe in Niederkirchen sind jeweils als Denkmalzonen ausgewiesen.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert
Verwendete Literatur:
- Alemannia Judaica: Artikel „Niederkirchen (Westpfalz) – Jüdische Geschichte / Synagoge“ , In: www.alemannia-judaica.de , URL: http://www.alemannia-judaica.de/niederkirchen_synagoge.htm (aufgerufen am 08.08.2022).
- Alemannia Judaica: Artikel „Niederkirchen (Westpfalz) – Jüdische Friedhöfe“ , In: www.alemannia-judaica.de , URL: http://www.alemannia-judaica.de/niederkirchen_friedhof.htm (aufgerufen am 08.08.2022).
- Bäcker, Karl: Die Juden in Niederkirchen. In: Heimatjahrbuch des Landkreises Kaiserslautern 1991. S. 36–39.
- Bäcker, Karl: Chronik von Niederkirchen. Bd. 1. Ortsteil Niederkirchen. Niederkirchen 1995.
- Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz: Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler. Kreis Kaiserslautern. 2021. Online verfügbar: https://gdke.rlp.de/fileadmin/gdke/Dateien/landesdenkmalpflege/Verzeichnis_Kulturdaenkmaeler/Kreis_Kaiserslautern_Land_2021_09_14.pdf (aufgerufen am 08.08.2022).
- Strehlen, Martina (Bearb.): „Ein edler Stein sei sein Baldachin…“. Jüdische Friedhöfe in Rheinland-Pfalz. Hgg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Mainz 1996.
Aktualisiert am: 08.08.2022