"Ich weiß nicht, ob ich noch lebe..."
Liebe Familie,
Ich weiß nicht, ob ich noch lebe oder schon tot bin. Es ist wie in einem schlechten Traum und man hofft jeden Moment wieder aufzuwachen, aber es geht nicht. Jeder Tag ist wie der vorherige. Zusammengepfercht mit 200 Mann auf engstem Raum versuchen wir etwas Schlaf zu finden, aber durch den ständigen Granatenhagel bekommen wir nur sehr wenig Schlaf und das Essen ist genauso knapp wie sauberes Wasser. Mit wenig Schlaf und nichts im Magen müssen wir früh morgens raus an die Front. Nun beginnt wieder der Alltag. Bei günstigem Wind und zur Vorbereitung des Angriffs kommt Giftgas zum Einsatz. Es ist eine heimtückische Waffe, da man es nicht sofort sieht und es nach kurzen Augenblicken unweigerlich zum Tod führt. Mit schwerem Artelleriegeschütz geht es sofort weiter. Und der schlimmste Augenblick ist, wenn die Fußtruppen losstürmen, denn man weiß nicht, ob man selbst lebend wiederkehrt und seine Freunde wieder sieht. Teilweise liegen wir bis morgens früh in einem Loch und können nicht vorwärts, da die Mulde vor uns stark beschossen wird. Es ist schrecklich mit ansehen zu müssen, wie Menschen verwundet ihren letzten Atemzug machen, wenn eine Kugel ihren Körper durchbohrt, und sie zu Boden sinken. Nichts ist so, wie es uns versprochen worden ist. Man durchlebt Tag für Tag die Hölle. Ich wünschte es wäre nur ein Traum.
In Liebe euer Sohn
Karl Schneider
(Jasmin Völker)