0.Oppenheim in der Reformationszeit
0.1.Die ersten Reformationsjahrzehnte
Ratssitzung, 7. September 1566: Die Kampf um die Religion der freien Reichsstadt Oppenheim ist nach fast 50 Jahren konfessioneller Auseinandersetzung und Diskussion entschieden. Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz konnte sich durchsetzen: die freie Reichsstadt Oppenheim folgte dem reformierten Flügel der Protestanten, der Rat der Stadt fügte sich.
Oppenheim war eine freie Reichsstadt, deren Bürger und Räte die Geschicke ihrer Heimat schon lange selbst in die Hand nahmen. Allein schon die geographische Nähe zu Zentren des Humanismus wie etwa Straßburg wirkte auf die Stadtbewohner, hier fielen die Idee der Reformation auf einen geistig gut vorbereiteten Boden. Der humanistische Stadtschreiber, Drucker und Verleger Jakob Koebel brachte die Oppenheimer bereits 1519 mit den reformatorischen Ideen in Berührung.
Durchsetzten konnte sich die Reformation jedoch trotz starker lutherischer Strömungen nicht: der Rat blieb der alten Lehre verbunden. Als katholische Stadt litt Oppenheim auch unter den Plünderungen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg. Dieser war Heerführer des protestantischen Fürstenbundes (Schmalkaldischer Bund) gegen Moritz von Sachsen und eroberte die Stadt 1552.
0.2.Die Zeit nach 1555
Die Bestimmmung des Augsburger Religionsfriedens im Jahr 1555 hatte weitreichende Konsequenzen für die Stadt. Zwar kam für die Reichsstädte keine Neuregelung zustande - sie sollten beim status quo bleiben - aber die Zubilligung des ius reformandi für die Territorialfürsten hatte Auswirkungen. Die Stadt war seit 1375 an die Kurpfalz verpfändet, so dass der Landesherr Kurfürst Ottheinrich seine Hoheitsrechte auch in Oppenheim wahrnehmen wollte: er befahl dem städtischen Rat 1557 die Einführung des lutherischen Glaubens.
Dieser weigerte sich, man kam jedoch zu dem Kompromiss, lutherische Pfarrer einzustellen, was kein Bruch mit der Festsetzung des status quo von 1555 bedeutete, da wohl zuvor schon protestantische Prediger in der Stadt gewirkt hatten. Die reformatorische Bewegung erstarkte in Oppenheim: 1557 wirde der lutherische Theologe Adam Gelphius Rektor der Lateinschule, über das Schulwesen wurde auch die Stadt evangelisch. Es kam jedoch alsbald zu Protesten einflussreicher katholischer Bürger sowie des ortsansässigen Franziskanerordens - Gelphius wurde seines Amtes enthoben. Doch die Zeiten hatten sich geändert, der steigende Einfluss der Protestanten konnte nicht mehr ignoriert werden.
Unter Friedrich III. (Kurfürst 1559-1576), selbst Anhänger der von Zwingli und Bucer vertretenen Glaubensrichtung, wurden einschneidende Reformen umgesetzt. Lutherische Pfarrer und Rektoren wurden ihres Amtes enthoben, bei einem persönlichen Besuch in Oppenheim im Mai 1565 erschien Friedrich mit dem neuen, reformierten Pfarrer Burkhard Weber. Nach einer Disputation mit den Theologen und Amtsträgern vor Ort entließ er einen großen Teil der Amtsträger, wenige verbliebene Ratsherren mussten die kurfürstlichen Befehle umsetzen, u.a. Pflicht zur Teilnahme am Gottesdienst, weniger Glockengeläut, theologische Umerziehung und nicht zuletzt die Aufforderung zum 'Bildersturm' und zur Zerstörung anderer 'Götzen' - ein Teil der kostbaren Fenster und sakralen Geräte konnten jedoch gerettet werden. Mit seinen 'Verbesserungsvorschlägen' richtete sich die Politik des Kurfürsten gegen die Konkurrenten aus dem eigenen protestantischen Lager, die Lutheraner, weniger gegen die Katholiken.
Das Kloster Mariacron wurde in ein weltliches Damenstift umgewandelt, die Aufnahme neuer Stiftsdamen wurde verboten - mit dem Tod der letzten Nonne 1585 erlosch das Stift.
Nach dem erzwungenen Konfessionswechsel zum reformierten Glauben begingen Lutheraner und Katholiken einen Schulterschluss und überreichten im Mai 1566 eine Bittschrift an den Kaiser, den Missständen Abhilfe zu schaffen. Der Kaiser unterstützte deren Anliegen, doch gelang es den pfälzischen Kurfürsten mithilfe der Räte, die Stadt für den reformierten Glauben zu halten.
0.3.Die Zeit bis zum Dreißigjährigen Krieg
1609 wurden auf Initiative Kurfürst Friedrichs IV. reformierte Glaubensflüchtlinge im sog. Welschdorf angesiedelt. Sie stammten aus den Niederlanden und Frankreich und durften in der Folge eine französische Schule gründen und eigene Prediger einstellen. Auch brachten sie hochqualifierte Handwerker und Gewerbetreibende in die Stadt, so z.B. den Drucker de Bry.
Bearbeiter: Katharina Üçgül
Verwendete Literatur:
- Hanschke, Julian: Oppenheim am Rhein. Baugeschichte - Baudenkmäler - Stadtgestalt (Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte 16), Karlsruhe 2010;
- Licht, Hans (Hg.): Oppenheim - Geschichte einer alten Reichsstadt. Eine historische Monographie, Oppenheim 1975.
Erstellt am: 22.03.2013