Hachenburg im Westerwald

Das Beustsche Haus in Hachenburg

Beustsches Haus: Haus Pöttingen 1698-1766

Dem großen Stadtbrand von 1654 fielen nahezu alle Häuser der Stadt zum Opfer. Das in der Herrnstraße stehende und vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammende Burgmannenhaus brannte ebenfalls ab. Das Haus wurde über den alten Kellern mit den für Hachenburg einzigartigen Kreuzgewölben wieder aufgebaut.
Die Grafentochter Franziska Eleonore Clara (1657-1714), die nach ihrer Ehe mit dem Grafen Anton Leopold von Pöttingen, Herr zu Rabenstein und Erbburggraf zu Linz, als junge Witwe von Passau nach Hachenburg zurückkehrte,[Anm. 1] kaufte das Haus im Jahr 1698 für 900 Reichstaler von den Erben des Kanzleirates Conrad Fischer (gest. 1698) und machte es zu ihrem Wohnsitz. Die Gräfin ließ das Haus um 1698 umbauen.[Anm. 2] Aus dieser Zeit stammt wohl auch das Treppenhaus mit dem beeindruckenden Holzgeländer. Damals wurde das Gebäude nach der Gräfin das Pöttingensche Haus genannt.
Bei der Auflistung der Hinterlassenschaft der Burggräfin Magdalene Christine von Kirchberg im Jahr 1715 wurde bekannt, dass zum Besitz auch eine halbe Scheuer neben dem Haus des Herrn Haff in der Hinterstrase gehörte, ebenso ein Hofplatz hinter der Scheune des Apothekers Scheuer.[Anm. 3]

Oberstleutnant von Witzleben im Beustschen Haus

Eine Zeitlang bewohnte Ernst Christoph von Witzleben, Oberstleutnant bei dem Westerwäldischen Regiment zu Fuß, das Haus Pöttingen, eine umstrittene Persönlichkeit. Er wurde 1717 des mutwilligen Verstoßens seiner zeitweiligen Lebensgefährtin Geruda Busch beschuldigt. Dann war er im selben Jahr in eine Schlägerei auf der Hochzeit des Albertus Eiben aus Hachenburg in Hattert verwickelt. Das deshalb gespannte Verhältnis zur Herrschaft äußert sich 1717 in einer Klage vor dem Reichskammergericht, da seine Ehefrau hoffte, dort Recht gegen den Burggrafen und Kanzleidirektor Grün zu bekommen.[Anm. 4]
Am 19. Oktober 1717 wurde ihm zum wiederholten Male mitgeteilt, er wohne seit zwei Jahren in dem herrschaftlichen von der "hochseligen Frl. Gräfin zu Pöttingen" herrührenden Haus und habe in dieser Zeit keinerlei Pachtzins entrichtet. Da der Graf das Haus selbst nutzen wollte, wurde der Oberstleutnant aufgefordert, auszuziehen und sich binnen acht Tagen eine neue Bleibe auf dem Land zu suchen. Witzleben schrieb, er habe sich mehrfach um Wohnungen bemüht, allein es will niemand trauen mich ein zu nehmen, außerdem verbiete die Jahreszeit, daß man keinen hundt, viell weniger einen Menschen auff der straßen zu liegen an muthen kann. Doch alle Ausflüchte halfen nichts, am 1. Dezember 1717 wurde das Haus zwangsgeräumt, das Mobiliar des Oberstleutnants, der immer noch keine Bleibe gefunden zu haben schien, andernorts eingelagert.[Anm. 5]

Im März 1719 zog der Sohn der "Frau Mutter Pöttingen" in das Haus ein.[Anm. 6] Im Jahr 1724 pachtete Burggräfin Wilhelmina von Kirchberg das Pöttingensche Haus von den Erben Pöttingen.[Anm. 7] Nach dem Tod der Burggräfin 1735 übernahm zunächst die gräfliche Verwaltung das Haus.
Im Jahr 1737 erwarb Salentin Engelhard Avemann, burggräflich-kirchberg-saynscher Kanzleirat, das gräflich-pöttingensche Hauses von den pöttingenschen Erben[Anm. 8] samt Hofplatz, Stallungen und den beiden Scheunen sowie den benachbarten Hofplatz (sowie den Brenderischen Zehnten in Flammersfeld) für 1.350 Reichstaler, jeder zu 90 Heller gerechnet.[Anm. 9]
Im Herbst 1737 wurde der hochgräflich-salmsche Anteil des Hauses Pöttingen und der Zehnt in Flammersfeld für die gleiche Summe dem Hofjuden Samuel Lieb überlassen.[Anm. 10]

Das Grünsche bzw. das Beustsches Haus 1766–1845

Im Jahr 1766 überließ Burggraf Wilhelm Georg das Haus in der hintern Straße zu Hachenburg gegen dem Rathauß über, obig dem Magdeburgischen[Anm. 11] gelegen, dem Kanzleidirektor Detmar Henrich Grün (1714-1791). Er bekam das Haus kostenlos und lastenfrei, ohne Pflicht zur Einquartierung als freies Erbgut geschenkt.[Anm. 12] Kanzleirat Grün ließ das Haus umbauen und erweitern, wie dies die Jahreszahl über dem Eingang ausweist.
Der heutige Name des Gebäude Beustsches Haus geht auf den Geheimen Rat und herzoglichen Regierungsrat, den späteren Regierungsdirektor Ludwig August von Beust zurück. Er war der Schwiegersohn des Kanzleidirektors von Grün und seit 1770 mit Charlotte (geb. 1756), einer Halbschwester der Albertine von Grün, verheiratet. Kanzleirat Grün überließ seinem Schwiegersohn das Anwesen, das fortan als "Beustsches Haus« bezeichnet wurde.
Albertine von Grün (1749-1792) lebte von 1779 bis etwa 1789 und von 1791 bis zu ihrem Tod im Jahr 1792 in dem Haus. Das Zimmer, das Albertine von Grün bewohnte, hatte Aussicht auf den Hof und auf die Dächer der Nachbarhäuser.[Anm. 13] In einem Brief vom 4. Dezember 1782 schildert sie auch ihre nächtlichen Eindrücke: Der Wächter bläst zwölf unter meinem Fenster. Ich komme mir vor, wie er ist. Er könnte ja auch eins blasen, denn seine Welt schläft.
Nach dem Tod von Detmar Henrich Grün 1791 übernahm sein Schwiegersohn Geheimrat von Beust das. Haus. Er war mit Charlotte von Grün verheiratet. Charlotte starb 1810, ihr Mann drei Jahre später. Das Haus wurde öffentlich zur Versteigerung ausgeschrieben,[Anm. 14] blieb aber offensichtlich im Besitz der Familie Grün. Gleichwohl sind die Eigentums- und Besitzverhältnisse bisher nicht lückenlos geklärt.[Anm. 15] Um 1830 gehörte das Beustsche Haus dem fürstlich-russischen Präsidenten Ferdinand von Grün in Greiz. Dieser kaufte 1832 den gegenüberliegenden Platz des 1820 wegen Baufälligkeit abgebauten Rathauses (ehemaliges Kanzleidirektorenhaus) hinzu und legte auf dem Grundstück einen schönen eingezäunten Garten an. Später wurde der Garten wieder überbaut.
Im Jahr 1843 wurde das Anwesen des Präsidenten und Kanzlers von Grün von Greitz, bestehend aus dem dreistöckigen Wohnhaus, einer Holzremise, Hofraum und Scheunenplatz sowie Gartengrundstücken in der Umgegend zur Versteigerung angeboten.[Anm. 16]
Im Beutschen Haus wohnten dann Finanzrat Georg Drucker (1854), Simon August (1874), Adolf Drucker (1876) und die Familie Bohle (1878/1893). Zwischen 1907 und 1913 beherbergte das Haus die Vereinsbank und für eine kurze Zeit die evangelische Pfarrei (um 1919). Dann kaufte der Weinhändler Otto Schultz das Anwesen. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt kam das Haus in den Besitz der Stadt Hachenburg, blieb aber unbewohnt und verfiel zusehends.
1979 sollte es sogar abgerissen werden. Erst durch das Engagement der beiden Schwestern Rosemarie Goeke und Elisabeth van den Berge konnte der drohende Abriss verhindert werden. Die beiden Schwestern nahmen Kontakt zum Landesdenkmalamt in Mainz auf, wo man sich sehr interessiert zeigte. Man konnte die Stadt davon überzeugen, das Haus zu versteigern. Seit Herbst 1979 begannen die Schwestern zu renovieren. Der repräsentative Barockbau ist eines der bedeutendsten Gebäude der Stadt. Die beiden Schwestern bewohnen das Haus seit 1980.

Baudaten und Beschreibung

Das Haus stammt im rückseitigen Kern aus dem 16. Jahrhundert. Der Vorderteil, der rechtwinklig dazu angeordnet ist, wurde 1766 erbaut. Aus dieser Zeit stammt auch das sehenswerte hölzerne Treppenhaus im Inneren des Vorderhauses. Die Vorderfassade hat drei Stockwerke und ein hohes giebelförmiges Dach, zu beiden Seiten der aus Holz geschnitzten Haustür je drei Fenster, im ersten und zweiten Obergeschoss je sieben Fenster. Die Symmetrie ist ungleich, so sind z.B. die Fenster der oberen Etage etwa ein Viertel höher als die der unteren Stockwerke. Im 2. Obergeschoss der Fassade war 1980 das 3. Fenster von links zugemauert. Aus der Unsymmetrie der hinteren Giebelwand und der Dachfirste ersieht man, dass das Haus mehrere Anbauten erlebt hat. Der ursprünglich rechtwinklige Grundriss des Eckhauses ist durch die Erweiterungsbauten allmählich fest rechteckig geworden. Zum Anwesen gehörte auch noch eine Scheune, die 1842 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.
Den Kern des Hauses bildet jedoch eine Fachwerkkonstruktion beachtlichen Ausmaßes, die an der Nordwestseite sichtbar und dem 16. Jahrhundert zuzurechnen ist. Den ältesten Teil des Hauses bildet aber der Keller unter dem Nordteil des Gebäudes. Hier gibt es einen Raum von zwei Jochen mit Kreuzrippengewölbe. Dieser Kellerraum – vermutlich der Epoche der Spätgotik angehörend – zeigt, dass das jetzige Haus bereits Vorläufer gehabt haben muss. Auch ein vorhandener Brunnen deutet darauf hin, dass das Haus wohl ein ehemaliges Burgmannenhaus gewesen ist.[Anm. 17]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

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  4. HHStAW Abt. 340 Akten Nr. 1530 b, c und e. Zurück
  5. HHStAW Abt. 340 Akten 1530 d fol. 18 und 27. Zurück
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  17. Kwasnik, Beust'sche Haus S. 226ff.; Nassauischer Altertumsverein, Manuskript; KwasnikTrautmann Denkmäler S.22; Dehio, Rheinland-Pfalz Saarland S. 339; Struif, Zeitspiren S. 122f.Annonymus, Tag S. 30ff.; Backes, Hachenburg S. 26. Zurück