Die Hachenburger Ziegelhütte
Von der alten Ziegelhütte am heutigen Ziegelhütterweg, nordöstlich der Stadt, zeugen heute nur noch einige Geländespuren, die andeuten, wo sich einst die Häuser und Lehmgruben befunden haben. Das heute dort stehende Haus, etwa 50 Meter von der alten Produktionsstätte entfernt, ist neueren Datums und hat mit der ehemaligen Ziegelhütte nichts zu tun.
Die Ziegelhütte wurde 1536 auf Veranlassung der Stadt errichtet,[Anm. 1] um den steigenden Bedarf der Stadt an Dachziegeln zu befriedigen. Wegen der steten Brandgefahr sollten die noch vorhandenen Holz- und Strohdächer in der Stadt durch feuerfeste Dachpfannen ausgetauscht werden.
Die Ziegelhütte war verpachtet, offensichtlich überwiegend auf sechs Jahre. Der Pächter musste sich an eine eigens errichtete Ordnung halten.[Anm. 2] Der Ziegelbäcker, Meister Godart, erhielt sogar seine Kleidung von der Stadt. Auch das für den Ofen benötigte Brennmaterial bekam der Ziegelbäcker zu Sonderkonditionen von der Gemeinde. Doch es kam immer wieder zu Unstimmigkeit und Streit, der Brennofen musste häufig repariert werden.
1551/52 beauftragte die Stadt den Ziegelbäcker Godert mit dem Neubau des Ofens.[Anm. 3] Das erste Gebacke dieses Ofens, 4.000 Ziegel, wurde zum größten Teil zum Bau der Schule verwendet.[Anm. 4]
1584/85 sollte die Ziegelhütte verkauft und als Wohnhaus gebraucht werden.[Anm. 5] Ob dies geschah, ist unbekannt. Jedenfalls errichtete die Stadt 1691/92 an der gleichen Stelle eine neue Produktionsstätte.[Anm. 6]
Nach dem verheerenden Stadtbrand vom 24. August 1594, dem viele Gebäude zum Opfer fielen, erging der gräfliche Befehl, künftig alle Strohdächer durch Ziegel zu ersetzen. Viele der damals benötigten Hohlpfannen scheinen in der Ziegelhütte gebrannt worden zu sein, denn man liest in den folgenden Jahren öfter davon, dass neben Steinen auch Ziegeln gebrannt wurden.[Anm. 7]
Weitere Nennungen der Ziegelhütte
Im 17. und 18. Jahrhundert werden die Ziegelhütte und ihre Pächter immer wieder genannt, so etwa 1696/97,[Anm. 8] 1729/30,[Anm. 9] 1748/49,[Anm. 10] 1749/50,[Anm. 11] und 1752/53.[Anm. 12]
Zwischen 1760 und 1775 wird die Ziegelhütte mehrfach als Pachtgut erwähnt: 1760/61 war die Ziegelhütte für 9 Gulden an die drei Bürger Johan Peter Freudenberg, Johan Henrich Zeppenfeld und Georg Zeppenfeld verpachtet.[Anm. 13] 1761/62 kauften die Pächter 9 Klafter Holz für 6 Gulden und 45 Kreuzer, d.h. für die Klafter waren 49 Kreuzer zu zahlen.[Anm. 14] 1763/64 hatte Philipp Ernst Schmitt die Ziegelhütte gepachtet.[Anm. 15] 1770/71 hatte Philipp Ernst Schmitt die Ziegelhütte für 9 Gulden in Bestand.[Anm. 16]
Von 1775 bis 1799 ist die Familie Klein als Pächter bezeugt. Während ihrer Zeit wurde die Ziegelhütte 1779 umgebaut.[Anm. 17] 1783 bekam Klein die Ziegelhütte auf weitere sechs Jahre für eine jährliche Pachtsumme in Höhe von 6 Gulden verpachtet. Ihm wurde auferlegt, stets gute Ware zu liefern und zwar 100 Steine für 40 Kreuzer und 100 Ziegel für 45 Kreuzer. Die Stadt überließ dem Pächter nach wie vor verbilligtes Holz, 1798 kostete die Klafter einen Gulden. [Anm. 18]
Am 25. September 1795 wurde die Ziegelhütte von den zurückflüchtenden Kaiserlichen geplündert. [Anm. 19]
Am 17. Juni 1799 wurde die Ziegelhütte an Henrich Weigert zu den gewohnten Bedingungen auf sechs Jahre verpachtet. [Anm. 20]
Anschließend war sie der Familie Klein verpachtet.
Ein Sohn der Familie, Philipp Klein, wurde nassauischer Infanterist, beteiligte sich 1808 an den napoleonischen Kriegen in Spanien und war auch in Waterloo mit dabei. Bei einer sich anschließende Parade in Wiesbaden/Biebrich wurde er aus dem Militärdienst entlassen. Als er nach Hachenburg zurückkam, fand der seine Eltern verstorben, das elterliche Habe hatten die zahlreichen Geschwister untereinander aufgeteilt, nur ein Bruder war verarmt in Hachenburg zurückgeblieben. Für Philipp war kein Platz mehr vorhanden. Bei der Abschiedsparade in Biebrich hatte der Herzog seinen Veteranen versprochen, jeder könne jederzeit mit einem Anliegen an ihn herantreten. Daran erinnerte sich Philipp jetzt und reiste nach Biebrich. Dort wurde ihm mitgeteilt, der Herzog weile auf seinem Jagdschloss Platte. Dort angekommen, wurde Philipp vorgelassen. Der Herzog übergab ihm ein Schreiben an die Stadt Hachenburg mit der Aufforderung, Philipp 4 Morgen Land für Haus, Hof und Garten anzuweisen. Weiterhin überreichte ihm der Herzog eine Anweisung über 100 Gulden als Startkapital.
Zufrieden machte sich Philipp auf den Heimweg. Vorher grub er zwei Eschenschösslinge mit der Wurzel aus und nahm sie mit nach Hachenburg. Diese beiden Schösslinge von der Platte pflanzte er vor die Tür seines Elternhauses.
Doch die Familie Klein blieb bei der Ziegelhütte wohnen. [Anm. 21]
Die alte Ziegelhütte wird noch 1810/14[Anm. 22] 1718/19[Anm. 23] und 1838 in den Stadtrechnungen erwähnt. [Anm. 24] Im Jahr 1828 baute sich Franz Klein an der Ziegelhütte ein neues Haus. [Anm. 25] Ob damals die Häuser der alten Ziegelei bereits abgrissen waren und der Betrieb bereits ruhe ist unsicher.
In den Flurkarten der Gemarkung Hachenburg, die vor dem 20. Juli 1877 gefertigt wurden sind die fünf Gebäude der alten Ziegelhütte noch eingezeichnet. Neben zwei der drei Baugruppen steht der Name „Dietrich“, vielleicht der eines Bewohners. [Anm. 26] Ein weiterer Philipp Klein wanderte 1888 nach Amerika aus. [Anm. 27]
Die Stadt ließ die Gebäude um 1890 abreißen und das Gelände einebnen. Angeblich sollen die Wurzeln der beiden Eschen, die zu dicht am Haus gepflanzt waren, das Mauerwerk unrettbar zerstört haben. [Anm. 28] Von den beiden Eschen steht heute nur noch eine.[Anm. 29] Unmittelbar bei dem Baum lassen sich noch schwache Spuren der ehemaligen Gebäude im Gelände ausmachen.
Eine Nachfahrin der Pächterfamilie Klein war die in den 1950er Jahren noch lebende Witwe des Wilhelm Dietrich Klein, genannt Ziegelhütter Nannchen. Ihr Mann war Waldarbeiter und Holzfäller gewesen. Ihr beider Sohn Willy war der letzte seines Stammes. Er hatte eine früh verstorbene Tochter und einen Sohn, der seit dem Krieg in Russland vermisst ist. [Anm. 30]
Die beiden Eschen vor der Ziegelhütte
Ein Sohn der Familie Klein, Philipp, wurde nassauischer Infanterist, beteiligte sich 1808 an den napoleonischen Kriegen in Spanien und war auch in der Schlacht von Waterloo 1815 mit dabei. Bei einer sich anschließenden Parade in Wiesbaden/Biebrich wurde er aus dem Militärdienst entlassen.
Als er nach Hachenburg zurückkam, waren seine Eltern verstorben, das elterliche Habe hatten die zahlreichen Geschwister untereinander aufgeteilt, nur ein Bruder war verarmt in Hachenburg zurückgeblieben. Für Philipp war kein Platz mehr vorhanden. Bei der Abschiedsparade in Biebrich hatte der Herzog seinen Veteranen versprochen, jeder könne jederzeit mit einem Anliegen an ihn herantreten. Daran erinnerte sich Philipp jetzt und reiste nach Biebrich. Dort wurde ihm gesagt, der Herzog weile auf dem Jagdschloss Platte. Dort angekommen, wurde Philipp vorgelassen. Der Herzog übergab ihm ein Schreiben an die Stadt Hachenburg mit der Aufforderung, Philipp 4 Morgen Land für Haus, Hof und Garten anzuweisen. Weiterhin überreichte ihm der Herzog 100 Gulden Startkapital.
Zufrieden machte sich Philipp auf den Heimweg. Vorher grub er auf der Platte zwei Eschenschösslinge mit der Wurzel aus und nahm sie mit nach Hachenburg. Diese beiden Schösslinge von der Platte pflanzte er vor die Tür seines Elternhauses.
Von den beiden Eschen steht heute nur noch eine. Sie ist als Naturdenkmal unbedingt erhaltenswert.[Anm. 31]
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.
Anmerkungen:
- StAH; Vom Leben S.115; KwasnikTrautmann Denkmäler S. 31. Zurück
- Söhngen S. 51f. Zurück
- Die Steine für diesen Ofen, 300 Stück, kaufte der Rat in Schönberg. Merten Knoden und seine Gesellen bauten den Ofen. Jeder bekam pro Tag 3 Albus Lohn. Das Holz für die Ziegelhütte fuhr Haroxen von Selbach und bekam dafür 3 Gulden und 6 Albus dafür. Zurück
- Heuzeroth Ziegelhütte. 1572 wird die "siegelhutt(e)n" erneut genannt (LHA Koblenz Best. 620 Nr. 227). Zurück
- Söhngen S. 58. Zurück
- Die gesamten Kosten beliefen sich auf 46 Gulden (Söhngen S. 166ff.). Zurück
- Heuzeroth Ziegelhütte. Zurück
- 1696/97 wird ein namenloser Ziegelbäcker genannt (Söhngen S. 121). Zurück
- 1729/30 verkaufte die Stadt dem Ziegelbäcker Kammer das „gelachter“ Holz aus dem Stadtwald für 1 Gulden. Er lieferte 3.300 Steine für den Ausbau des städtischen Brauhauses. Er bezahlte 20 Gulden Pacht im Jahr (Söhngen S. 126; Heuzeroth, Ziegelhütte). Zurück
- 1748/49 zahlte der Ziegelpächter der Stadt Pacht und bekam das Holz von der Stadt verkauft. 1749 lieferte er 1.175 Steine und 150 Ziegel für ein neues Wachthaus (Söhngen S. 138ff.; Heuzeroth, Ziegelhütte). Zurück
- 1749/50 lieferte der Ziegelbäcker der Stadt 1.175 Ziegelsteine und 150 Ziegeln (Söhngen S. 141). Zurück
- 1752/53 war die Ziegelhütte an Philip Schmidt verpachtet, der der Stadt Backsteine und Hohlziegel lieferte (Söhngen S. 143). Zurück
- Söhngen S. 151. Zurück
- Söhngen S. 152. Zurück
- Söhngen S. 155. Zurück
- Söhngen S. 160. Zurück
- Der Ziegelbäcker lieferte 10.450 Backsteine und 1.525 rauhe Steine für das städtische Kornhaus (Söhngen S. 167). Zurück
- Söhngen S. 172f. und 188f. Zurück
- Heuzeroth, Ziegelhütte. Zurück
- Söhngen S. 189f. Zurück
- Philipps Sohn, Philipp [II] Klein diente erfolgreich als Kanonier in der nassauischen Artillerie Kompagnie 27 im deutsch-dänischen Krieg (1849) (Heuzeroth, Ziegelhütte). Zurück
- In der Gemeinderechnung von 1810/14 wird die Ziegelhütte genannt, (HHStAW Abt. 343 Nr. 55 Stadtegemeinderechnung 1810-1814). Zurück
- Rechnung des Bürgermeisters Jakob Öhlorth 1718-1719 (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 2). Zurück
- HHStAW Abt. 224 Nr. 4675 Rechnung der Stadtgemeinde Hachenburg 1838. Zurück
- HHStAW Abt. 255/3 Nr. 55. Zurück
- StAH. Zurück
- Heuzeroth, Ziegelhütte. Zurück
- Schild am Objekt; Heuzeroth, Ziegelhütte. Zurück
- KwasnikTrautmann Denkmäler S. 31. Zurück
- Heuzeroth, Ziegelhütte. Zurück
- Vgl. zum gesamten Abschnitt: Heuzeroth, Ziegelhütte; Söhngen S. S. 51f., 58, 114, 143f., 172f., 188ff.; Gensicke S. 66.Vom Leben S.115; Kwasnik/Trautmann, Denkmäler S. 31 Zurück