Torwächter und Torschließer
Während des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren die beiden Hauptstadttore ständig mit je einem "hauptberuflichen" Wächter (portzenhuder) besetzt. Ihnen standen bürgerliche Helfer zur Seite, die im Rahmen ihrer Bürgerpflichten Wachdienste übernehmen mussten. Die beiden anderen Pforten, das Nottor und die Rahmpforte, scheinen nur bei besonderer Gelegenheit geöffnet worden zu sein und wurden deshalb nicht ständig bewacht.
Mit der Erwähnung der Wachthäuser, die 1441 beim Stadtbrand vernichtet wurden, werden die Torwächter erstmals indirekt genannt.[Anm. 1] Das Amt des Torwächters selbst wird dann 1461 erwähnt.[Anm. 2]
An bestimmten Tagen, wie etwa an der Kirchweih und den Märkten, wurden die Torwachen durch zusätzlich angeworbene "handfeste Leute" verstärkt.[Anm. 3] Dies galt auch bei besonderen Anlässen, wenngleich hier die zusätzlich angeworbenen Wachen eher polizeiliche Aufgaben wahrnahmen.[Anm. 4]
Die beiden Torwachen waren, so ist es erstmals 1495/96[Anm. 5] und dann 1551/52 erneut[Anm. 6] bezeugt, auch für das Abschließen der Ober- und Unterpforte verantwortlich.
Die beiden Pförtner, die 1590 die Tore bewachten, wohnten nicht in der Stadt. Sie galten als "Ausleute", da sie vor der Stadt in Portzheußern sitzen.[Anm. 7] Zu den beiden Pförtnern, Adam war Oberpförtner und Jakob Schneider Niederpförtner, gesellten sich 1595 noch Wilhelm Kopf als Schließer an der oberen und Jakob Schelt an der unteren Pforte. Auch sie standen auf der Lohnliste der Stadt.[Anm. 8]
Nicht immer versahen die Wächter und die Torschließer ihren Dienst mit dem nötigen Eifer. Sie vergaßen nachts die Tore zu schließen[Anm. 9] oder entfernten sich von ihrem Dienstort. Im Jahr 1626/27 hielten insgesamt vier Personen Wache an den Stadttoren. Da sie wegen der Belastungen durch die Einquartierungen ihren Posten verlassen und auch sonst nachlässig gewesen waren, wurden ihnen das Gehalt gekürzt.[Anm. 10]
Als 1636 immer mehr Kriegsvolk Hachenburg bevölkerte und darüber hinaus die Pest Einzug in deer Stadt grassierte, mussten die Torwächter die Stadtschlüssel auf dem Schloss abliefern. Dieses in Zeiten der Not verständliche Vorgehen bedeutete aber auch einen Verstoß gegen die Stadtrechte. Im Stadtprivileg heißt es eindeutig: Die Stadtschlüssel unterstehen dem Bürgermeister, der Männer anstellt, die Stadttore auf- und zuschließen zu lassen. [Anm. 11] Seit alters her stand demnach die Kontrolle über die Tore der Stadtverwaltung zu. 1641 musste die Stadt die Schlüssel (immer noch oder erneut?) zurückfordern. Die Herrschaft verweigerte dies mit dem lapidaren Hinweis, man müsse sich in die Zeit richten. Um was es der Herrschaft ging, zeigen weitere Versuche, Kontrolle über die Stadttore zu gewinnen. So befahl Bischof Franz Wilhelm von Osnabrück der Stadt am 19.9.1643, die Wachen wegen der anhaltenden Kriegsgefahr zum Wohl der Stadt beizubehalten[Anm. 12] und Bürger, die bei der Wache nachlässig gewesen waren, wie herrschaftliche Soldaten zu bestrafen. Energisch legte die Stadt Protest gegen dieses Vorgehen ein.[Anm. 13] Erst mit der Rückkehr der Gräfin Loysa Juliana 1649 sollten auch die Stadtschlüssel wieder in die Verfügungsgewalt der Stadtverwaltung gelangen.[Anm. 14]
Anfang des 18. Jahrhunderts erachteten es viele Bürger als nicht mehr so wichtig, Wache an den Stadttoren zu schieben, sie entzogen sich der Verpflichtung und zahlten lieber die fällige Strafe. Das Problem bestand Ende des Jahrhunderts immer noch. Da der Wachtdienst nicht mehr ernst genommen wurde,[Anm. 15] nutzten einige Wächter die Wachzeit, um privat Holz in der Gemarkung zu schlagen.[Anm. 16] Burggraf Wilhelm ließ daraufhin die Stadttore von seiner Hauptwache besetzen. Als die Stadt protestierte, versicherte die gräfliche Kanzlei dadurch ihren Gerechtsamen und Privilegien nicht zu nahe treten [zu] wollen, sondern sah dies als Ausnahmesituation an.[Anm. 17] In der Tat besetzten später die Bürger wieder die Tore, die Streiche, die man den Torwachen zuweilen spielte, zeigen aber, wie wenig ernst der Dienst genommen wurde.[Anm. 18]
Mitte des 18. Jahrhunderts bewahrte man die Feuerwaffen der Torwächter am Tor auf.[Anm. 19] Diese Torwaffen wurden 1771/72 auch für Paraden benutzt.[Anm. 20] Wie nützlich die Stadtmauern noch waren, zeigte sich im Verlauf der Revolutionskriege. Einer Armee mochten sie nicht mehr standhalten, gegen unerwünschte Besucher taten sie allemal noch ihren Dienst. So wurden 1796 die Wachen auf den Toren verstärkt. Auf jedem Tor waren ständig drei mit Flinten bewaffnete Wächter und drei Mann liefen Patrouille durch die Stadt.[Anm. 21]
Mit dem Ende der Revolutionskriege und den veränderten politischen Verhältnissen Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die Stadtmauer ihre Bedeutung endgültig verloren. Sie wurde nach 1815 anscheinend nicht mehr bewacht, verfiel und wurde seit den 1820-er Jahren nach und nach abgerissen.
Wachtgelder
Für die Bewachung der Tore waren neben den „hauptamtlichen“ Torwächtern bzw. Torschließern die Bürger der Stadt mit verantwortlich. Der Pflicht zur Mitbewachung der Tore verdanken wir eine erste Bürgerliste, die man am 12. Februar 1461 erstellte, um die Namen derer festzuhalten, die Wache hielten bzw. der Stadt ersatzweise Wachtgeld zahlten.
Die Höhe des Wachtgeldes richtete sich nach dem Vermögen und wurde jedes Jahr von Schultheiß und Schöffen festgesetzt. Die Einnahmen aus dem Wachtgeld dienten der Bezahlung der besoldeten Torhüter.[Anm. 22]
Anfang des 18. Jahrhunderts mussten die Bürgerwachen – mit Sicherheit zum wiederholten Male – ermahnt werden, ihren Dienst mit bestem Fleiß zu versehen und sich an die Wachtordnung zu halten.[Anm. 23]
In den Stadtrechungen der Bürgermeister erscheint zwischen 1460 und 1792 stets der Posten der eingenommenen Wachtgelder.
Mit dem Ende der selbständigen Grafschaft Sayn 1799 scheint das Institut des Wachtgeldes eingeschlafen zu sein.
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.
Anmerkungen:
- Brommer, Inventar Nr. 28 zum 30.7.1441. Zurück
- Söhngen S. 207; HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 1 zum 12.2.1461. Zurück
- Rechnung des Bürgermeisters Heinrich Webach gen. Weschbach 1463/64 (HHStAW Abt. 1098 Nr. I, 98). 1551/52 hieß es, dass am Katharinen- und am Bartholomäustag "wie seit Jahrhunderten üblich", besondere "portzenhuder" zu stellen seien. (HHStAW 360 Hachenburg Nr. 2). Zurück
- Vgl. dazu Söhngen S. 60 anlässlich des "Wittgensteiner Beylager und Heimführung" 1591/92 und S. 161 beim Einzug der Gräfin Isabella Auguste 1772 in die Stadt. Zurück
- 1495-1496 wurden der Sohn des Pruster und Henrich Doichscherer dafür bezahlt, dass sie Wache schoben und die Pforte verschlossen (HHStAW Abt 360 Hachenburg Nr. 2; Söhngen S. 45). Zurück
- Im Jahr 1512 war Heinrich Fleischhenger Pförtner (Söhngen S. 47). 1551/52 schlossen Sander Schmid und Gerhard Preuster die Tore. (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 2; Söhngen S. 52). Zurück
- Söhngen S. 207. Zurück
- Söhngen S. 64. Zurück
- Rudolf Helt vergaß zwischen 1625 und 1628 mehrfach das Schließen des Stadttores und wurde entsprechend gemaßregelt (LHAKo Best. 620 Nr. 501). Zurück
- Söhngen S. 80. Zurück
- HHStAW 360 Hachenburg Nr. 9 pag. 1-21). Zurück
- HHStAW 360 Hachenburg Nr. 3). Zurück
- Söhngen S. 90. Zurück
- 1693/94 verwahrte der Wachtmeister den Stadtorschlüssel wie gewohnt an einem Riemen (Söhngen S. 155). Zurück
- Schneider Leutzbach und Jakob Bierbrauer nahmen sich 1776 vor, die Wächter zu erschrecken. Sie hatten ein Tuch um den Kopf gehängt und trommelten vor dem Tor auf einem Blecheimer (Söhngen S.165). Zurück
- Christian Meyer und Georg Elben hatten am 3.3.1780 Wache am Obertor. Sie gingen jedoch in die Holzbach und machten dort Holz. Jeder kam deshalb 3 Tage in den Turm. (Söhngen S. 169). Zurück
- Söhngen S. 164 zum 1.2.1775. Zurück
- Während am 3.12.1781 Anton Bitzer, Nikolaus Bungeroth und Robert Altbürger am Untertor wachten, wurde ihnen das Schloss vom Tor gestohlen. Sie mussten ein neues Schloss beschaffen und jeder 1 Reichstaler Strafe bezahlen (Söhngen S. 170). Zurück
- Söhngen S. 156 zu 1.5.1766. Zurück
- Söhngen S. 161 zum 1.5.1772. Zurück
- Söhngen S. 186. Zurück
- HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr.1. Zurück
- HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 10 pag. 24ff. Zurück