0.Kriegerdenkmal in Form einer Gedächtniskapelle
Das Kriegerdenkmal wurde 1953 nach einem Entwurf von Landesbaumeister Diel in Form einer Kapelle mit Namenstafeln errichtet und befindet sich am südöstlichen Dorfausgang von Untershausen an der Hauptstraße nach Stahlhofen. Das Grundstück liegt innerhalb der dort V-förmig nach rechts abbiegenden Stelzenbachstraße und gehörte zum Säjwosem.
Die Einweihung dieser Gedächtniskapelle erfolgte am 15. November 1953 zu Ehren der 36 Untershäuser Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs [Anm. 1] und wurde von Pfarrer Josef Kexel aus Holler vorgenommen, s. Foto. Die Kapelle besitzt einen Fachwerkgiebel im Eingangsbereich im Südosten, der lediglich durch ein schlichtes schmiedeeisernes Tor verschlossen ist, so dass der Blick frei auf die Namenstafeln der Gefallenen und Vermissten im Innern der Kapelle fällt.
Die Errichtung des Kriegerdenkmals erfolgte durch die Gemeinde Untershausen unter dem damaligen Bürgermeister Alois Ludwig, dessen zwei Brüder Anton und Josef in der NS-Zeit im Jahr 1941 in Hadamar durch Gas ermordet worden waren.[Anm. 2]
Die Steine für das Mauerwerk wurden in der Untershäuser Gemarkung aus einem Steinbruch in der Feldheck gebrochen, nördlich des stillgelegten Basaltsteinbruchs in der Seit; es handelt sich dabei um rote behauene Lavabrocken, wie sie auch als Kellerfundament im Haus von Hermann Neuroth H46 eingesetzt worden waren.
Die Kapelle wurde mit Hilfe freiwilliger Spenden der Bürger realisiert. Die Bauarbeiten erfolgten hauptsächlich durch den Maurermeister Alois Neuroth H33 und den Maurer Peter Dickob H7. Das Metallgitter im Eingangsbereich mit dem Törchen wurde von dem Schmied Werner Gilles H6 hergestellt und das Eichenkreuz auf dem Altar vom Wagnermeister Johann Dennebaum H20. Viele Untershäuser Bürger beteiligten sich an der Gestaltung der Außenanlagen.
An der Einweihungsfeier beteiligten sich das Mandolinen-Orchester 1932 Untershausen, ein Gesangchor, die gesamte Dorfbevölkerung [Anm. 3] sowie viele Einwohner aus Daubach, Holler und Stahlhofen; s. a. Text: Mandolinen-Orchester 1932 Untershausen.
Auf dem Foto sieht man: Arnold Mies (Mandola), Felix Becher (Cello), Lothar Weyand als Fahnenträger, Josef Gombert (Dirigent), Alwin Normann (Gesicht verdeckt), Edwin Diehl (Mandoline) und unter den Anteilnehmenden u.a. Lina D´Avis mit Sohn Günther, Franziska Frink mit Tochter Rita, Adolf und Anna sowie Maria Hannappel mit Enkelin Ursula Hübinger v.l.
0.1.Memento mori...
…steht auf dem schmiedeeisernen Törchen im Geländer des Eingangsbereichs. „Gedenke des Todes“. Die Namen der im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten sind auf zwei schwarzen Marmortafeln rechts und links neben dem Holzkreuz über dem Altar eingraviert.
Tafel links | Tafel rechts |
1914 – 1918 | 1939 – 1945 |
Peter Hübinger 1887–1914 | Rudolf Herrmann 1914–1942 |
Wilhelm Frink 1892–1914 | Hermann Born 1917–1943 |
Nikolaus Kaiser 1882–1914 | Günther Roth 1925–1943 |
Josef Hübinger 1879–1915 | Antonius Roth 1925–1944 |
Toni Gombert 1879–1915 | Ludwig Ortseifen 1909–1944 |
Johann Gombert 1874–1916 | Arnold Becher 1927–1945 |
Josef Hermes 1888–1916 | Erich Neuroth 1923–1945 |
Toni Gombert 1889–1916 | Paul Born 1908–1943 |
Wilhelm Born 1884–1916 | Karl Ferdinand 1924–1943 |
Adam Ferdinand 1877–1916 | Toni Becher 1915–1944 |
Christian Jösch 1880–1916 | Josef Daum 1911–1944 |
Peter Ludwig 1896–1917 | Toni Ferdinand 1916–1945 |
In der Gefangenschaft verstorben: | |
1939 – 1945 | Christian L. Holzenthal 1899–1945 |
Josef Ebert 1918–1941 | An den Kriegsfolgen gestorben: |
Josef Frink 1918–1941 | Karl Gremp 1913–1946 |
Johann Beck 1913–1942 | Alois Brill 1906–1949 |
Anton Dennebaum 1907–1942 | Felix Becher 1925–1994 |
Es fehlt: Herbert Gombert 1917–1942 |
Seit der Errichtung der Kapelle wird dort alljährlich am Volkstrauertrag (während der NS-Zeit Heldengedenktag genannt) der Gefallenen und der Verfolgten der beiden Weltkriege gedacht – und zwar immer auch mit einem musikalischen Beitrag des Mandolinenorchesters 1932 Untershausen, s.a. Text: Einzelaspekte Brauchtum.
Nicht zu vergessen sind auch die beiden in Hadamar ermordeten Brüder Josef und Toni Ludwig H26 und die vielen anderen hier nicht genannten Kriegsversehrten und Verfolgten der beiden Weltkriege, die der kleine Ort Untershausen mit seinen damals gut 200 Einwohnern zu beklagen hatte, s.a. Text: Einzelaspekte NS-Zeit 1933-1945.
2.2.Kriegsgefangenschaft
Der Unteroffizier Johann Dennebaum hat im Ersten Weltkrieg als Soldat in Frankreich gedient und bereits am 16.04.1915 das Eiserne Kreuz erhalten /103/; zwei seiner Brüder dienten als Soldaten in Russland, der dritte in Oberlahnstein, siehe Haus Nr. 33. Gegen Ende des Krieges geriet Johann Dennebaum in Abbeville durch britische Truppen in Gefangenschaft. Aus dieser Zeit 1918–19 hat er eine Art Tagebuch in Versform /133/ mitgebracht, in dem man u.a. folgende Zeilen findet:
2.2.1.Meine Gefangenschaft
Herbst wars gewesen im vergangenen Jahr
als der große deutsche Zusammenbruch war.
Erschöpft von den langen unseligen Kriegen
verzweifelten alle am endlichen Siege.
Keine Ruhe mehr fand der arme Muskote
man hetzte ihn stets von neuem zum Tode.
Heut wars zur Champagne und morgen nach Flandern
wohin er im Eilmarsch per Auto muss wandern.
Und dauernd lag er vorm feindlichen Graben
muss Gas und Granaten und Kohldampf ertragen.
Die Führung hatte längst schon versagt,
drum waren auch alle entmutigt, verzagt.
Wir lagen vorn in Divisionen,
die an Stärke kaum glichen Bataillonen.
Zwei Dutzend Gewehre die Compagnie
das war unsere letzte Strategie.
So waren wir dann endlich so weit
Zum allerletzten Gang bereit.
Beim Abschied vom Michel am letzten Morgen
tat Tommy uns das beste Feuerwerk besorgen.
Dazu fuhr er mit großen Tanks spazieren
und tat sich verdammt nicht genieren.
Derweil wir noch ahnungslos saßen
unsere Bagagen und Stäbe von hinten er fasste.
Es war eine tolle Schweinerei
Und leider waren wir auch dabei.
Wir hatten morgens den Karo kaum verdrückt,
da kamen die Tellerhelme schon angerückt.
Sie kriechen in Häuser durch Hecken und Zäune,
drangen in Keller, Haus und Scheune.
Sie waren auf einmal in allen Ecken
man konnte nicht stiften, sich noch verstecken.
Und musste sich wohl oder übel beeilen
Ganz schnell den Brotbeutel anzuseilen.
Der Tornister mit all den schönen Paketen
Der ging bei dieser Gelegenheit flöten.
„Come-on“ so rief der elende Brite
Und nahm uns all in seine Mitte.
Wir schleppten noch im Dutzend Verwundete
Und kamen so rückwärts ohne Tritte.
Und so sind wir alle mit Not und Sorgen
„Prisoners of war“ geworden.
Kaum waren wir aus dem ärgsten Feuer,
so wurden die Tommys frecher und freier.
Sie fingerten uns durch alle Taschen,
um billige Souvenirs zu erhaschen.
Uhr, Geld, Messer waren fort im nu –
Cigaretten, Schreibzeug und Ring dazu.
Nix Ring, nix Watsch, nix iron Kreuz?
So grabschte jeder englische Frosch
und was wir arme Teufel so nicht gaben,
das haben sie uns gestohlen wie die Raben.
Nur unser Commisbrot mochten sie nicht,
das war zu schwer für ihr Bleichgesicht.
Als sie uns zu Tausenden zusammengetrieben,
da ließen sie uns eine Nacht im Freien liegen.
Zwei Keks, ½ Büchse Cornet Beef,
das hielten sie für Ernährung stief.
Dieselbe Verpflegung an anderen Tagen,
das schrumpfte schon ganz bedenklich den Magen.
Tags drauf mussten wir marschieren
zusammengetrieben gleich Herdentieren.
Und nachts da stand im strömenden Regen
der Überrest vom deutschen Segen.
Schon oft war ich nass von außen und innen,
doch so saß niemals im Schlamm ich drinnen
wie damals auf Cambrais Triumpfgefilden.
Wo man zusammengepresst gleich Wilden,
wo der Dreck uns reicht bis an die Waden,
am ganzen Leib kein trockener Faden.
Nach mancher Müh und mancher Plage,
Nach manchen bitterbösen Tagen
die wir erlebten in Fochs-Camp [Anm. 4]
bei Futterkalk und Kartoffelstampf,
da hieß es plötzlich wir müssen wandern,
wir kommen aus diesem Schlamm in einen andern.
Das Zentrallager ist unser nächstes Ziel,
davon versprechen wir uns auch nicht viel.
In Pen 6 auf großem Schlamm,
haben wir zuerst unser Zelt gebaut alsdann
und haben uns dann am Latrineneck
ganz wohl gefühlt trotz Regen und Dreck.
15 Mann in allen Zelten,
ohne Tische, Stühle, Bänke,
auf der bloßen Erde hingekauert
müssen wir in unserer Gefangenschaft
vertreiben Tag und Nacht.
Die Wäsche zerrissen und verlaust
Noch kein einziges Stück bekommen,
vielmehr wurde uns alles abgenommen.
Noch keinen Brief haben wir geschrieben
nach daheim an unsere Lieben.
Gibt es ein trauriges Los auf dieser Welt,
als in Abbeville im Gefangenenzelt,
Tag und Nacht im Schmutz und Dreck,
zu Tausenden in den Drahtverhau gesteckt,
bei schmaler Kost und trocknem Brot,
warten auf der Freiheit Morgenrot?
Zweimal des Tags gab´s große Quälung
Das waren die Morgen- und Abendzählung.
„Zur Zählung“ ertönt es dann sofort,
ein jeder eilt an seinen Ort.
Der Tomy zählt und zählt,
ob von den Tausenden auch keiner fehlt,
denn sehr oft in dunkler Nacht,
hat mancher sich durch den Draht gemacht.
Des Morgens früh wird in Pen 6 exerziert
und ein Keks für Cigarette einsouveniert
Während die anderen gingen um Wasserholen
oder sie lauschten am Zaun nach andern Parolen.
Die Küchenbullen dort überzeugungstreu,
denn unsere erzählten täglich neu.
Im Lager wurde oft Krach geschlagen
über alle die ihren gierigen Magen
sich füllten von unserem Essen und Brot,
derweil wir hatten bittere Not.
Die Camp-Führer und jene Aspiranten
die mit Kochgeschirr stets vor der Küche standen,
die vollgefressene Kommission,
die so oft uns hat betrogen schon.
Die elenden Kerls die im Zelte saßen,
Klappen und warme Öfen besaßen,
dann geröstetes Weißbrot und Specksoße aßen.
Doch treffen wir sie im Leben später mal wieder
dann sollt ihr die Strafe ihr Hunde erleben.
Den Lagerchef haben wir schreien lassen,
uns mehr bekümmert ums Essenfassen,
doch nie war´s genug uns satt zu essen.
Das ist des Prisoners Los auf Erden. [Anm. 5]
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die meisten Kriegsgefangenen der Gemeinde in den Jahren 1945 und 1946 wieder zurück. Zu den Spätheimkehrern aus Frankreich gehörte im Dezember 1948 Theo Dickob H7, er litt an einer extremen Hungerdystrophie, wog bei einer Körpergröße von 174 cm noch 40 kg und hatte wegen Skorbut seine Zähne verloren; aus Russland im Herbst 1949 Ewald Becher H2, Oswald Becher H36 und Otto Gombert H3; Hugo Herrmann kam als letzter erst an Silvester 1949 wieder zurück nach Hause. [Anm. 6]
Bei der Beschreibung der Häuser/Hofreiten sind die Gefallenen und Vermissten sowie die an den Kriegsfolgen gestorbenen Soldaten der beiden Weltkriege mit ╬ gekennzeichnet und dort ihren Familien zugeordnet:
Erster Weltkrieg mit
Peter Hübinger H7, Wilhelm Frink H22, Nikolaus Kaiser H5, Josef Hübinger H7, Toni Gombert H3, Johann Gombert H24, Toni Gombert H24, Josef Hermes H43, Wilhelm Born H35, Adam Ferdinand H11, Christian Jösch H2 und Peter Ludwig H26.
Zweiter Weltkrieg mit
Josef Ebert H12, Josef Frink H34, Herbert Gombert H17, Johann Beck H9, Anton Dennebaum H20, Rudolf Herrmann H39, Hermann Born H35, Günther Roth H1, Antonius Roth H29, Ludwig Ortseifen H17, Arnold Becher H2, Erich Neuroth H33, Paul Born H35, Karl Ferdinand H9, Toni Becher H36, Josef Daum H14, Toni Ferdinand H9, Christian Holzenthal H32, Karl Gremp H19, Alois Brill H30 und Felix Becher H36.
Im Jahr 1939 hatte die Ortschaft Untershausen 205 Einwohner. [Anm. 7] Im Ersten Weltkrieg waren 30 Männer als Soldaten eingesetzt, davon sind 12 gefallen anm>Ehrentafel der Kriegsteilnehmer der Gemeinden Holler und Untershausen im Weltkrieg 1914–1918. Gefallene und Überlebende sind mit Passfoto und Namen gekennzeichnet, Gemeinde Holler.; im Zweiten Weltkrieg waren 41 Männer als Soldaten eingesetzt, davon starben 21 [Anm. 8]
Das Foto aus dem Jahr 2009 zeigt den Eingangsbereich der Kriegergedächtniskapelle.
Der Bau dieser Gedenkstätte geht ganz wesentlich auf das Gemeinderatsmitglied Alois Neuroth H33 zurück, dessen Sohn Erich im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Auf maßgebliche Initiative von Alois Neuroth ist auch die Errichtung eines Untershäuser Friedhofs mit Trauerhalle zurückzuführen; seine Ehefrau Lina geb. Dennebaum war am 22.09.1967 die erste, die dort ihre letzte Ruhe fand.
Anmerkungen:
- Mandolinen-Orchester 1932 Untershausen: Festschrift anlässlich des 50-jährigen Vereinsjubiläums 1982, 4.–6. Juni 1982, 65. S. Zurück
- Schulchronik Untershausen 1843-1968; Teil-Abschrift mit Schreibmaschine durch den Lehrer Hermann-Josef Hucke. Das Original gilt als verschollen. Teilabschrift ist im Besitz von Reiner Dennebaum, Mainz. Zurück
- Schulchronik Untershausen 1843-1968; Teil-Abschrift mit Schreibmaschine durch den Lehrer Hermann-Josef Hucke. Das Original gilt als verschollen. Teilabschrift ist im Besitz von Reiner Dennebaum, Mainz. Zurück
- General Ferdinand Foch war im Ersten Weltkrieg Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte an der Westfront. Zurück
- Dennebaum, Johann: Handschriftlicher Bericht aus der Gefangenschaft 1918–19 in Versform. Verfasst von Stabsunteroffizier Johann Dennebaum H33 aus Untershausen. Abschrift in einem DIN A6-großen linierten Schreibheft, S1–36. In Besitz von Elisabeth Hannappel geb. Zurück
- Hugo Herrmann, Zeitzeuge, Untershausen H25. Zurück
- Söllner, Georg: Entwurf einer Gemeindechronik von Untershausen bis 1987 mit den Themen Geschichte, Gemarkung, Schule, Erster Weltkrieg, Wasserleitung, Wirtschaftskrise, Steinbruch, Kraftpostlinie, Zweiter Weltkrieg, Wahlen, Bürgermeister, Landleben, Vereine, Bauland, kirchliches Leben, Wald. Maschinengeschriebenes Manuskript, Untershausen 1987, 36 S. Zurück
- Liste der im Zweiten Weltkrieg von 1939-1945 eingesetzten Soldaten aus Untershausen; aufgestellt von Hugo Herrmann, Untershausen 21. Jan. 2011, 2 S. Zurück