2.2 Abgesang des „Great Crusade“ und Einmarsch in Koblenz
Der Waffenstillstandsvertrag verlangte von Deutschland weitreichende Konzessionen: Die kaiserliche Armee sollte die besetzten westlichen Gebiete und die linksrheinischen Reichsteile unverzüglich räumen und sich auf die rechte Rheinseite zurückziehen. Sie musste all ihr schweres Kriegsgerät wie Flugzeuge, Geschütze und Maschinengewehre, aber auch tausende von Lokomotiven und Waggons, den Alliierten übergeben. Gleiches galt für die meisten Kriegsschiffe der kaiserlichen Marine. Deutschland sollte der Möglichkeit entzogen werden, den Krieg offensiv weiterzuführen. Im Baltikum hingegen wurden die Truppen teilweise belassen, um ein Ausbreiten des Bolschewismus zu verhindern. Weiterhin sollten Entente-Truppen ins linksrheinische Gebiet eindringen und dort Besatzungszonen einrichten sowie Brückenköpfe auf rechtsrheinischem Gebiet bilden, um im Falle der Wiederaufnahme der Kämpfe den deutschen Truppen kein Vordringen nach Westen mehr zu ermöglichen.[Anm. 1]
„The war actually was over! At the fateful hour of 11, a profound silence pervaded the land; […] and all thoughts turned towards home and country. […] in the joy of having come safe and sound out of the greatest struggle in history, the soldiers set of all the pyrotechnics […] in a heartfelt toast to peace and happiness.”[Anm. 2]
Mit dem Ende der Kampfhandlungen und dem nun ersehnten Frieden waren vielerlei Hoffnungen verbunden: Die alliierten Militärführer trafen eiligst Vorbereitungen dafür, den zurückweichenden deutschen Truppen nachzusetzen, sie weitgehend zu entwaffnen und letztlich ihre Besatzungszonen zu beziehen.[Anm. 3]
Auf amerikanischer Seite erhielt die eben aus Teilen der AEF aufgestellte Third United States Army den Befehl über Luxemburg entlang der Mosel ins Rheinland vorzustoßen und ihre vorgesehenen Stellungen innerhalb der Besatzungszone einzunehmen. General Dickman wählte für diese ihm unterstehende 3. US-Armee nur die besten, erfahrensten Einheiten der AEF aus. Während die Generalität den Einmarsch nach Deutschland für die ausgewählten Truppenteile als höchste Ehre und Belohnung für den erfolgreichen Abschluss des „Great Crusade“ gegen Deutschland ansah, hofften die kriegsmüden Soldaten hingegen, so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren zu können. Im Hinblick darauf, nun in ein fremdes, der Propaganda nach, finsteres Land mit einer ihnen durchweg feindlich gesinnten Bevölkerung einziehen zu müssen, legten die Soldaten auf die ihnen versprochene Ehre keinen besonders großen Wert.[Anm. 4]
Das deutsche Militär zog sich, wie vereinbart, binnen zweier Wochen ins Reich zurück. Zwar wurden die durchmarschierenden Abteilungen vielerorts feierlich empfangen, doch entgegen des im Reich gerne rezipierten Eindrucks von heroischen, im Feld letztlich unbesiegten deutschen Helden, gaben sie oftmals ein eher klägliches Bild von unterernährten, erschöpften und manchmal plündernden Soldaten ab.[Anm. 5]
Die deutsche Bevölkerung plagte beim Einzug der Amerikaner Unsicherheit, was nun folgen würde. Den einrückenden amerikanischen Truppen sollte ein respektvolles, aber kein unterwürfiges Verhalten entgegengebracht werden. So zitiert ELBE den Aufruf eines örtlichen Landrats:
„Nur wenn die Bevölkerung dem Feind mit deutschem Stolz begegnet, wird sie auch von ihm diejenige achtungsvolle Behandlung erfahren, auf welche sie nach den Heldentaten unserer Armee vollen Anspruch hat.“[Anm. 6]
Generell standen sich beide Seiten skeptisch gegenüber. Die Amerikaner beäugten argwöhnisch diese angeblich heimtückischen Hunnen, die deutsche Bevölkerung wiederum bangte um ihr Hab und Gut und fürchtete Repressalien.[Anm. 7]
Die Existenzängste der Deutschen waren begründet: Die britische Seeblockade bestand weiterhin und mit Einrichtung der Besatzungszonen wurden vorerst die Verbindungen zum Reich gekappt; die Versorgungslage war miserabel. Zusätzlich drangen nun knapp 250.000 amerikanische Soldaten ein, die nicht nur alle Arten der Unterbringung nutzten, sondern zunächst auch von der Bevölkerung mitversorgt werden mussten.[Anm. 8]
Für Koblenz, das Zentrum der amerikanischen Zone, bedeutete dies die Stationierung von ca. 15.000-17.000 US-Soldaten.[Anm. 9] Nach einem paradeartigen Einmarsch am 12. Dezember 1918 begann diese Truppe umgehend damit sich einzurichten, d. h. die Festung Ehrenbreitstein bzw. die Kasernen der ehemaligen Garnisonsstadt zu beziehen und zusätzlich privaten Wohnraum zu requirieren. Bis der Nachschub stabil floss, wurden außerdem die Güter der Stadt und ihrer Bürger zur Versorgung der Truppen herangezogen.[Anm. 10]
Anmerkungen:
- Vgl. BARNES, 2011, S. 14; WINKLER, 2014, S. 379. Zurück
- DICKMAN, 1927, S. 198. Zurück
- Vgl. BARNES, 2011, S. 14. Zurück
- Vgl. BARNES, 2011, S. 40; DICKMAN, 1927, S. 199; ELBE, 1996, S. 62; INMAN GREENMAN-CLAWSON, 1929, Eintrag – Friday, November 15, 1918. Zurück
- Vgl. BOAS, 1943, S. 545; ELBE, 1996, S. 55f.; KUHLMAN, 2007, S. 1084. Zurück
- Zitiert nach ELBE, 1996, S. 57. Zurück
- Vgl. BARNES, 2011, S. 40; BOAS, 1943, S. 546. Zurück
- Vgl. BARNES, 2011, S. 96f. Zurück
- Über die genaue Anzahl ist sich die bisherige Forschung uneins. Während ELBE und GOLECKI von 15.000 Besatzungssoldaten sprechen, notiert GRÄWEN 17.000; Vgl. ELBE, 1996, S. 58; GOLECKI, 1995, S. 75; GRÄWEN, 1979, S. 12. Zurück
- Vgl. BARNES, 2011, S. 8; GOLECKI, 1995, S. 75f. Zurück