4. Delinquenz in Koblenz unter amerikanischer Besatzung 1918-1930
Die folgenden Kapitel 4.1 und 4.2 richten sich nach der unter 1.5 Vorgehensweise dargelegten Methode, zunächst eine Aufteilung der überlieferten Fälle nach ihren Verursachern durchzuführen, sie dann den Deliktgruppen der Vermögens-, Personen- und Ordnungsdelikte zuzuweisen und schließlich nach ihren eigenen Merkmalen einzelnen Delikten zuzuordnen.
In den Quellen taucht eine Vielzahl von Fällen auf, doch waren die enthaltenen Informationen nur vereinzelt nachvollziehbar. Die nachvollziehbaren Fälle stellen jedoch das Fundament für diese Untersuchung dar, da sich nur anhand dieser Rückschlüsse auf die weniger gut dokumentierten Fälle bzw. die Delinquenz in ihrer Gesamtheit schließen lassen. Doch woran bemisst sich diese gewünschte Zuverlässigkeit der Informationen?
Jeder Einzelfall sollte Auskunft über drei essentielle Punkte geben, um als nachvollziehbarer Fall zu gelten und somit in die zahlenmäßigen Aufstellungen aufgenommen zu werden, sowie für exemplarische Hinzunahmen bei näheren Deliktbeschreibungen zu taugen:
- Name des Delinquenten oder Opfer
- Monat und das Jahr der Tat (Tagesangaben fehlen oftmals)
- Tatbestand
Diese Punkte sollten erfüllt sein. Die Bedingung eines klar nachweisbaren Urteils samt Strafbemessung wäre auch sehr sinnvoll und für eine umfassende Gesamtauswertung eigentlich zwingend notwendig gewesen, doch gaben die Überlieferungen derartige Informationen nur äußerst unzureichend wieder. Außerdem haben sich im untersuchten Material die Namen amerikanischer Delinquenten kaum erhalten, wohingegen die Berichte ihrer deutschen Opfer überliefert sind. Grob umrissene Beschreibungen von Delikten oder Tätern, wie sie häufig in Dossiers oder ähnlichen Berichten deutscher und amerikanischer Funktionäre auftauchten, waren demnach zwar nützlich für das Gesamtbild, boten aber nur ungenügende Informationen zu Einzelfällen, sodass diese in den folgenden, zahlenmäßigen Aufstellungen nicht aufgeführt werden können.
Die aktenkundigen Statistiken zu Personen- und Sachschäden, verursacht durch Amerikaner, führten hingegen Tatbestände, Orts- und Opfernamen auf, gaben aber meist keine Auskunft über die Namen der Täter sowie das Datum der Tat. Dadurch können die Fälle in den folgenden Aufstellungen ebenfalls keinen Eingang finden.
Nach dieser ersten Sortierung ergaben sich folgende Zahlen für exakt dokumentierte Fälle von Delinquenz zwischen Amerikanern und Deutschen in Koblenz von 1918 bis 1923:
Jahr | Amerikanische Delikte | Deutsche Delikte | Insgesamt |
1918 | - | - | - |
1919 | 1 | 3 | 4 |
1920 | 7 | 5 | 12 |
1921 | 21 | 11 | 32 |
1922 | 2 | 39 | 41 |
1923 | - | 2 | 2 |
Insgesamt | 31 | 60 | 91 |
Die Tabelle beziffert alle nachvollziehbaren Koblenzer Fälle innerhalb des untersuchten Aktenbestands und gibt demnach nur ein Extrakt des Materials wieder, was sich überhaupt erhalten hat. Die hohe Ziffer deutscher Fälle im Jahr 1922 beispielsweise beruht einzig auf der Fülle des zum Jahr gehörenden Aktenmaterials, während sich die hohen Zahlen amerikanischer Fälle im Jahr 1921 aus der eigens erstellten Polizeimeldungsakte[Anm. 1] erklären lassen, zu der kein Pendant für deutsche Delikte überliefert ist. Über Verurteilungen gaben die Quellen insgesamt kaum Auskunft, sodass über deren Anzahl keine Angaben gemacht werden können.
Manchmal gehörten einzelnen Fällen mehrere Delikte an, z. B. wenn eine Person wegen mehrerer Delikte in einem Fall angeklagt war oder wenn zu einem Fall mehrere Delinquenten gehörten. Dies wird in der obigen Aufstellung nicht deutlich. Die folgende Tabelle[Anm. 2] zeigt daher eine Auflistung aller nachvollziehbaren Delikte und ihrer Deliktgruppen:
Deutsche Delikte | 1918 | 1919 | 1920 | 1921 | 1922 | 1923 |
Betrug | - | - | - | 1 | - | - |
Diebstahl u. Hehlerei | - | - | - | 1 | 14 | 1 |
Raub | - | - | - | - | 1 | - |
Schleichhandel u. Schmuggel | - | 2 | 6 | 8 | 7 | - |
Unerlaubter Besitz | - | - | - | - | 6 | 1 |
Beleidigung u. Bedrohung | - | 2 | - | - | 1 | - |
Körperverletzung | - | - | 1 | - | 7 | - |
Sittlichkeitsdelikte | - | - | - | - | 2 | - |
Amtsdelikte | - | 1 | 1 | - | 1 | - |
Auflehnung | - | - | 3 | - | 5 | - |
Insgesamt | - | 5 | 11 | 16 | 44 | 2 |
Amerikanische Delikte | 1918 | 1919 | 1920 | 1921 | 1922 | 1923 |
Betrug | - | - | - | 1 | - | - |
Diebstahl u. Hehlerei | - | - | - | - | 1 | - |
Raub | - | - | 1 | - | - | - |
Schleichhandel u. Schmuggel | - | - | 1 | 1 | - | - |
Beleidigung u. Bedrohung | - | - | 1 | 6 | - | - |
Körperverletzung | - | - | 5 | 24 | 1 | - |
Mord u. Totschlag | - | - | 2 | 1 | - | - |
Sittlichkeitsdelikte | - | - | - | 2 | - | - |
(versuchte) Vergewaltigung | - | - | 2 | 2 | - | - |
Insgesamt | - | - | 12 | 37 | 2 | - |
Diese Untersuchung wäre unzureichend, wenn nicht auch näher auf die einzelnen Delikte und ihre Hintergründe eingegangen würde. Wie sich gezeigt hat, bildet das vorhandene Aktenmaterial zu den Einzelfällen jedoch nur einen kleinen Teil der vergleichsweise hohen Delinquenzzahlen der untersuchten Jahre ab; die vorhandenen Verstoßlisten zeugen von bis zu mehreren hundert behandelten Fällen pro Monat.[Anm. 3] Um trotzdem diese Untersuchung in so vielen Bereichen wie möglich zu vervollständigen und letztlich einen umfassenden Gesamteindruck über das bisher kaum aufgearbeitete Thema der Besatzungsdelinquenz in Koblenz zu geben, werden die beiden folgenden Kapitel 3.1 und 3.2 nach amerikanischer und deutscher Delinquenz getrennt, die einzelnen Delikte herausgearbeitet und ihrer Tatbestände nach exakt definiert. Um einen Eindruck von den Vorkommnissen zu erhalten werden diese Erläuterungen mit beispielhaften Einzelfallbeschreibungen unterfüttert.
Des Weiteren wird im Kapitel 3.3 exemplarisch, anhand dokumentierter Einzelfälle im Zusammenspiel mit Informationen aus den diversen Berichten und den Kapiteln 3.1 und 3.2 ein Eindruck über das Zustandekommen und das weitere Verfahren bei den aufgetretenen Delikten vermittelt. So wird eine präzisere Einordnung bzw. Deutung der Delikte in ihren Kontext ermöglicht und herausgestellt, warum entsprechende Delikte überhaupt im untersuchten Rahmen auftraten.
Das letzte Kapitel der Untersuchung widmet sich den Auswirkungen und Folgen der Delinquenz zwischen Deutschen und Amerikanern. Nicht nur zogen die begangenen Straftaten für die Opfer und Täter unmittelbare Konsequenzen nach sich, sondern bedeuteten zum Teil langjährige und schwerwiegende Folgen für die einzelnen Beteiligten. Weiterhin wirkten sich einige Delikte und der gesellschaftliche Umgang mit ihnen auf die weitere Besatzung aus. Dies soll im Kapitel 3.4 kurz beleuchtet werden.
Anmerkungen:
- Vgl. SA, KO, Best. 623, Nr. 4563. Zurück
- Erläuterung: Die Tabelle listet die nachweisbaren Delikte nach der unter 3.1 und 3.2 angewendeten Kategorisierung auf. Zu einem Fall können mehrere Delikte aber auch mehrere Delinquenten gehören. So wird beispielsweise ein als Einzelfall behandelter Diebstahl mit drei beteiligten Dieben, mit einer entsprechenden Deliktanzahl von drei Delikten aufgelistet. Zurück
- Vgl. SA, KO, Best. 623, Nr. 5103, S. 32-34, 132, 143; SA, KO, Best. 623, Nr. 5104, S. 14, 18, 19, 29f., 34. Zurück