Argenthal im Hunsrück

Zur Geschichte von Argenthal

Frühgeschichte und Römerzeit

Auf der Gemarkung des heutigen Argenthal siedelten spätestens seit der Spätlatènezeit (150 v. Chr. - 0) Menschen. Ein dort gefundener Getreidereibstein aus jener Zeit belegt dies. Zudem befinden sich Hügelgräber auf der Gemarkung, die auf menschliche Besiedlung schließen lassen.

Aus der Zeit nach der römischen Eroberung unter Gaius Julius Caesar zwischen 58 v. Chr. und 50 v. Chr. stammen drei römische Gutshöfe. Etwa auf halbem Weg zum benachbarten Mutterschied an der heutigen Straße lag einer der Höfe. An dieser Stelle wurde beim Bau der Bahnstrecke der 1889 eröffneten Hunsrückbahn ein römisches Gräberfeld freigelegt. Ein weiterer Hof lag in der Flur 33 im Gebiet „In der Bauersheck“ nördlich des Ortes und westlich des Aubach. Der dritte Hof wurde im Gebiet „Aufm Klopp“ im Norden der Bahnlinie am Waldrand lokalisiert. Bei Trockenheit lassen sich die Höfe im Gelände aus der Höhe erkennen. Eine kleine Ansiedlung wird in Flur 35 im Flurstück „Römerheck“ vermutet. In der Waldparzelle „Hinkelacker“ wird ein dazugehöriger Friedhof vermutet.[Anm. 1]

Die römische Fernstraße von Bingen nach Trier, heute Ausoniusstraße genannt, führte zunächst über die heutige Gemarkung Argenthal. Der Streckenverlauf wurde jedoch in diesem Bereich verändert, sodass Ausonius (~310-393/394) vermutlich über die jüngere Strecke über Rheinböllen gereist sein dürfte.[Anm. 2]

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Für den Zeitraum zwischen römischer Besiedlung und Mittelalter gibt es eine erhebliche Überlieferungslücke für den Hunsrück. Auf die römische Besiedlung folgte die fränkische Besiedlung. Unter den Franken wurde die Verwaltung intensiviert, ihr Reich in Gaue eingeteilt. Das heutige Argenthal lag im Nahegau. Die urkundliche Ersterwähnung von Argenthal datiert in das Jahr 1091. Kaiser Heinrich IV. schenkte der Domkirche zu Speyer seinen Besitz in Argenthal, Kappel, (Ober-) Hausen und Seesbach.[Anm. 3]

175 Jahre später, 1266, wurde Argenthal zum zweiten Mal urkundlich erwähnt. Argenthal war in der Zwischenzeit zurück in Reichsbesitz gelangt. Von der Schönburg bei Oberwesel am Rhein kam ein gewisser Merbodo nach Argenthal. Auf der Schönburg war es eng geworden, ein neuer Familienzweig wurde gegründet. Der 1266 erwähnte Merbodo ist der erste greifbare Vertreter der neuen Linie Schönburg-Argenthal. Er wird als „dictus de Argendal“ bezeichnet, also als „genannt von Argenthal“. Dies deutet darauf hin, dass er noch nicht lange in Argenthal ansässig war. Erneut urkundlich erwähnt wird Argenthal in einer Verkaufsurkunde aus dem April 1296. Auch hier tritt ein Merbodo auf, entweder derselbe wie 1266 oder dessen Sohn, Merbodo II. Dieser wird als „de Argendale“ bezeichnet, „von Argenthal“, und somit als dauerhaft dort ansässig. 1303 wird ein Merbodo erneut genannt. Diesmal unter der Bezeichnung „miles“, Ritter.[Anm. 4]

Bislang waren die Überlieferungen der mittelalterlichen Geschichte Argenthals Urkunden. 1988 kam ein neuer Fund hinzu. Im Sommer des Jahres wurde bei der Renovierung der katholischen Pfarrkirche „Unserer Lieben Frau“ in Oberwesel ein Grabstein gefunden. Er war bis dato Bestandteil eines Mitte des 19. Jahrhunderts zugemauerten Kirchenfensters. Durch seine Inschrift kann der Grabstein in das Jahr 1340 datiert werden. Ihn ziert das Wappen des Adelsclans Schönburg-Argenthal. Lediglich ein Name fehlt zur eindeutigen Zuordnung. Der Grabstein ist an der unteren Seite abgebrochen. Daher bleibt die Frage offen, wer 1340 beerdigt wurde.[Anm. 5] In Frage kommen Merbodo II. von Argenthal oder sein Bruder Humbert I., wobei die Forschenden zu Humbert I. tendieren.[Anm. 6]

Neben der adligen Herrschaft ist für Argenthal ab 1346 ein eigenes Gericht bezeugt. Ab 1367 können Schöffen und ein Schultheiß nachgewiesen werden. Ein eigenes Siegel besaß das Gericht zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das Jahr 1367 stellte einen Wendepunkt in der Geschichte von Argenthal dar. Bislang hatte der Ort den Zehnten und Zinsen an den Landesherren, Pfalzgraf Johann II., zu zahlen. 1367 wurde Argenthal zur Freiung ernannt. Zehnter und Zinsen mussten fortan nicht mehr gezahlt werden. Ein Vorteil für die Adligen in Argenthal. Der Pfalzgraf profitierte ebenfalls von der Freiung, da er durch sie den Ort militärisch ausbauen konnte. Zuvor war ihm dies rechtlich nicht möglich gewesen.[Anm. 7] 1379 ging die Herrschaft über Argenthal von den örtlichen Adeligen komplett an die Pfalzgrafen bei Rhein über. Bis zur Besetzung des linken Rheinufers 1794 durch französische Revolutionstruppen sollte der Ort zur Pfalzgrafschaft gehören.[Anm. 8] Während des Spätmittelalters wurden neben Argenthal neun Ortschaften im späteren Kreis Simmern gefreit oder zur Stadt erhoben. Zu Städten erhoben wurden Kirchberg (1259), Kastellaun (1305), Simmern (1330), Koppenstein (1330) und Dill (1427). Nur die ersten drei entwickelten sich tatsächlich zu Landstädten, während aus den letzten beiden Ortschaften wieder Dörfer wurden. Argenthal, Gemünden, Laubach und Horn wurden zu gefreiten Dörfern ernannt. Bei den sogenannten Stadtrechtsorten wird zwischen Vollstädten und Städten minderen Rechts, Minderstädten, unterschieden. Argenthal lässt sich aufgrund der zwischen 1379 und 1410 ausgebauten Befestigungsanlagen den Minderstädten zuordnen. 1379 noch eindeutig als Dorf bezeichnet, tauchte es 1410 erstmals unter der Bezeichnung „Stadt“ auf. Es wird daher davon ausgegangen, dass Argenthal im Jahr 1410 über eine voll ausgebaute Befestigungsanlage verfügte. Im Jahr 1963 konnte der Verlauf der Befestigungsanlage durch Heinrich Ihrle lückenlos festgestellt und nachgezeichnet werden. Das Zentrum des mittelalterlichen Argenthal bildete das Rathaus. Das Rathaus stand an der Stelle der heutigen katholischen Kirche. Umgeben wurde das Dorf von einer etwa 3 m dicken Mauer mit Brüstung und Wehrgang. Die Mauer umschloss eine beilförmige Fläche von etwa 3,5 ha. An drei Seiten der Mauer schützte ein vorgelagerter, etwa 20 m breiter Graben den Ort. Einzig im Süden gab es keinen Graben, dafür einen künstlich angestauten Weiher. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die letzten Reste des Weihers zugeschüttet. Auf der Kartenaufnahme der Rheinlande von Tranchot und Müffling (1803-1820) ist der Weiher jedoch noch zu erkennen. Bei seiner Anlage im Mittelalter war er noch doppelt so groß wie auf der Karte vom Beginn des 19. Jahrhunderts. An seiner breitesten Stelle maß der Weiher 125 m. Die heutige „Weihergasse“ ist nach ihm benannt. Im Inneren des mittelalterlichen Argenthal schützte der nördliche „hohe Turm“ das Dorf. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stand dieser mittelalterliche Turm, bis er baufällig wurde und man sich zum Abriss entschloss. Noch heute erinnert der Straßenname „Turmgasse“ an die mittelalterliche Befestigung von Argenthal.[Anm. 9]

1410 übernahm Pfalzgraf Stephan das Fürstentum Simmern. Er setzte eine erste Schatzung seiner Hunsrückgemeinden an, nach der Argenthal sich als vergleichsweise vermögend herausstellte. Für das Ende des 15. Jahrhunderts liegen zudem die ersten genauen Bevölkerungszahlen für Argenthal vor. Der Ort verfügte 1498 über 178 erwachsene Personen über 15 Jahren. Demnach war Argenthal der zweitgrößte Hunsrückort des mittlerweile zum Herzogtum Simmern ernannten Herrschaftsbereichs, nur Simmern verfügte über mehr Bevölkerung.[Anm. 10]

Ein Jahrhundert später wurde Argenthal von einer Naturkatastrophe verwüstet. Am 3. Juni 1593, dem christlichen Pfingstsonntag, schlug ein Blitz im Ort ein und verursachte einen Brand. 24 Häuser, etwa die Hälfte des Ortes, brannten nieder. Die nächsten Jahre waren vom Wiederaufbau geprägt. Argenthal sollte nach der Katastrophe finanziell entlastet werden. Herzog Reichard von Pfalz-Simmern stellte die Ablieferung der jährlichen Gült, 45 Goldgulden, für Argenthal ein. Reichards Vorgänger hatte sein Recht an der Gült jedoch der Kirche Unserer Lieben Frau in Spabrücken verschrieben. Die Provisoren der Kirche Unserer Lieben Frau klagten vor dem Reichskammergericht gegen die finanzielle Entlastung des von der Brandkatastrophe schwer getroffenen Argenthal. Die Provisoren waren Johann Schweickhardt von Cronberg, Domdechant und Probst zu St. Alban in Mainz und Johann Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg. Ihrer Klage wurde stattgegeben und am 8. Januar 1597 erging das Urteil des Reichskammergerichts. Kaiser Rudolph II. befand den Simmerner Herzog und die Gemeinde Argenthal des Vertragsbruchs für schuldig. Die ausstehenden Raten sollten beglichen werden und die Zahlungen wieder aufgenommen werden. Es wird davon ausgegangen, dass dem nachgekommen wurde und die Gemeinde Argenthal trotz Brandkatastrophe wieder 45 Goldgulden pro Jahr an die Kirche Unserer Lieben Frau zahlte.[Anm. 11]

Von 1598 bis 1610 herrschte das Kurfürstentum Pfalz über das Herzogtum. 1610 fiel es an das wiedergegründete Pfalz-Simmern. 1612 brach die Pest im Herzogtum aus. Sechs Jahre später begann der Dreißigjährige Krieg. Im August 1620 wurde der Hunsrück von spanischen und wallonischen Truppen unter General Marchese Ambrosius Spinosa erobert. Spinosa stand auf der Seite des katholischen Kaisers Ferdinand II. Unter spanischer Besatzung war Argenthal Winterquartier. Eine Kompagnie Infanteriesoldaten und eine Abteilung Kavallerie war im Ort stationiert. Die Bevölkerung litt unter Kriegskontributionen, Räubereien und Erpressungen. Die spanische Besatzungszeit dauerte zehn Jahre. Ende 1631 / Anfang 1632 wurde das Herzogtum für kurze Zeit von einer schwedischen Abteilung unter Wild- und Rheingraf Otto Ludwig erobert. Nach dem Zusammenbruch der schwedischen Herrschaft 1634 wechselten die Besatzungen auf dem Hunsrück. Die Bevölkerung litt unter Brandschatzungen, Erpressungen und Raub. Eine geordnete Verwaltung wurde bis Kriegsende nicht mehr aufgebaut. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde das alte Simmerner Herzogtum restituiert. Es ging an den Wiederaufbau. In Argenthal wurde 1656 eine Schatzung durchgeführt. Lediglich 17 Familien lebten noch im Ort. 1672 waren es 27. Eine Einwohnerzahl wie vor dem Dreißigjährigen Krieg wurde erst wieder zur Mitte des 18. Jahrhunderts erreicht. Das Herzogtum Simmern fiel 1673 endgültig an Kurpfalz. Dort sollte es bis zum Ende des Alten Reiches verbleiben. 1685 machte der französische König Ludwig XIV. Ansprüche auf die Pfalz und somit auch auf Argenthal geltend. 1688 begann der Pfälzische Erbfolgekrieg. Im September 1688 eroberten französische Truppen Simmern. Zur Erzwingung von Kriegskontributionen nahmen sie Geiseln. Darunter ein Kaufmann aus Argenthal. Die Geiseln wurden für vier Wochen nach Mainz verbracht, bis das Lösegeld gezahlt wurde. Während des Krieges war der Hunsrück wechselseitig in französischer und deutscher Hand. Kontributionsforderungen und Verbrechen an der Zivilbevölkerung durch beide Seiten prägten die Zeit. Mit dem Frieden von Rijswijk vom 31. Oktober 1697 endete der Pfälzische Erbfolgekrieg. Doch die Friedenszeit währte nur kurz. 1701 begann der Spanische Erbfolgekrieg. Ab 1703 war der Hunsrück wieder Durchzugs- und Aufmarschgebiet. Französische und deutsche Besatzung wechselte. 1706 verlagerte sich das Kriegsgeschehen. Erst 1713 war die Bevölkerung wieder deutschen und französischen Steifzügen ausgesetzt. Ein Jahr später wurde der Spanische Erbfolgekrieg beendet. Die kurpfälzische Herrschaft über das Herzogtum Simmern wurde fortgeführt. Aus einer Schatzung von 1721 geht hervor, dass in Argenthal zu diesem Zeitpunkt 36 Familien lebten. Weniger stark betroffen war der Hunsrück von den folgenden Kriegen, namentlich dem Polnischen Erbfolgekrieg (von 1733 bis 1738), dem Österreichischen Erbfolgekrieg (von 1740 bis 1748) und dem Siebenjährigen Krieg (von 1756 bis 1763). [Anm. 12]

Die französische Zeit

1789 erreichten Nachrichten über die Französische Revolution den Hunsrück. Beflügelt von den Ideen der Revolution regte sich im Februar 1790 in Argenthal Widerstand gegen die Amtsführung des kurpfälzischen Amtsschreibers. Am 20. April 1792 begann der Erste Revolutionskrieg. Frankreich kämpfte gegen eine Koalition aus Österreich, Preußen und weiterer deutscher und europäischer Staaten. Von nun an war der Hunsrück umkämpftes Gebiet mit wechselnder Besatzung. Kontributionsforderungen bis hin zu Plünderungen belasteten die Bevölkerung. Im Oktober 1794 eroberten französischen Truppen den Hunsrück endgültig. Im Zusammenhang mit der französischen Besatzung steht ein verheerendes Unglück, das sich am 22. März 1796 in Argenthal ereignete. An diesem Tag brannte nahezu das gesamte Dorf nieder. Ausgelöst wurde der Brand durch den Gewehrschuss eines französischen Soldaten auf ein strohbedecktes Hausdach. Innerhalb einer halben Stunde brannten 81 Häuser und 62 Scheunen des dicht bebauten Ortskerns nieder. Das Rathaus, die katholische Kirche und andere öffentliche Gebäude verbrannten ebenfalls. Lediglich vier Häuser und sechs Scheunen sowie die reformierte Kirche blieben verschont. Von einem Moment auf den anderen war die Bevölkerung von Argenthal obdachlos. Elf Tage später verordnete die französische Besatzung eine Hilfsleistung von 2.400 Gulden, die temporäre Befreiung der Gemeinde von allen Steuern und Abgaben sowie kostenlose Holzlieferungen aus den Nationalwäldern. Über zwei Jahre lang kam in Argenthal jedoch kein Holz an. Die Bevölkerung war auf Hilfe und Beherbergung durch die Nachbargemeinden angewiesen. Ein Wiederaufbau blieb unmöglich. Vergeblich wurden Anträge gestellt. In der zentralistisch organisierten französischen Verwaltung schienen die untergeordneten Stellen nicht die nötige Genehmigungskompetenz zu haben. Die letzte Nachricht vom Kampf um das Bauholz stammt vom 31. August 1798. Über mehrere untergeordnete Stellen war das Anliegen an den Generalkommissar des Departements in Mainz überstellt worden. Dessen zuständige Abteilung wandte sich schließlich bis an den Minister in Paris, um Bauholz für Argenthal genehmigen zu lassen. Über den weiteren Verlauf ist wenig bekannt. Der Wiederaufbau lief vermutlich nur schleppend. Zur Vorbeugung weiterer Brandkatastrophen wurden die neuen Häuser mit größerem Abstand zueinander errichtet. Verwendet wurden die Steine der alten Stadtmauer. 1802 bestand das Dorf wieder aus etwa 22 Häusern, von denen 17 an der Hauptstraße gebaut worden waren. [Anm. 13] Dies stellt eine Besonderheit für den Hunsrück dar. Der Ort erstreckte sich entlang der nahezu völlig geraden Hauptstraße, was noch heute gut zu erkennen ist. Im Jahr 1806 wohnten wieder 572 Menschen in Argenthal. Bis 1811 stieg die Zahl auf 584. Eine enorme Steigerung im Vergleich zu den nur 345 Menschen, die in der Zeit des Wiederaufbaus 1798 gezählt worden waren.[Anm. 14]

Zwischenzeitlich führte die französische Besatzungsmacht eine neue Verwaltung ein. Am 23. September 1800 trat die neue, sogenannte Präfekturverwaltung in Kraft. Der Präfekt stand an der Spitze der größten Verwaltungseinheit, des Departements. Nächst kleinere Einheit war das Arrondissement mit einem Unterpräfekten an der Spitze. Hier war es das Arrondissement Simmern. Dieses war unterteilt in Kantone, welche sich wiederum in Mairien gliederten. Es wurde die Mairie Argenthal gebildet, zu der neben Argenthal selbst die Nachbarorte Riesweiler und Schnorbach gehörten. An der Spitze der Mairie stand der Maire, vergleichbar mit einem Bürgermeister. Ihm beigeordnet war der Adjunkt. Unter Maire und Adjunkt stand der Munizipalrat. Dieser Rat, der in Argenthal aus zehn Bürgern bestand, hatte jedoch lediglich beratende Funktion. Entscheidungen wurden durch den Maire, oder in nächst höherer Stelle, durch den Präfekten getroffen.[Anm. 15]

Ende 1813 waren 1.700 französische Soldaten in Simmern und Umgebung stationiert. Einquartierungen und Requisitionen belasteten die Bevölkerung. In der Neujahrsnacht 1813/1814 überquerten preußische und russische Truppen den Rhein bei Kaub, 17 km Luftlinie entfernt von Argenthal. Sie stießen auf den Hunsrück vor und eroberten am gleichen Tag Rheinböllen. In Argenthal waren noch etwa 100 französische Soldaten stationiert, die sich jedoch, vermutlich nach Artilleriebeschuss, am Abend des 2. Januar 1814 nach Simmern zurückzogen. Noch in der Nacht rückten preußische Einheiten bei Frost und Glatteis nach Argenthal vor. Die Zeit der französischen Besatzung endete. Die preußischen Soldaten nahmen einen Argenthaler Bauern gefangen, der ihnen als Ortskundiger den Weg nach Simmern weisen musste. Im folgenden, nächtlichen Überraschungsangriff eroberten die preußischen Soldaten Simmern. In der Folge wurde der Rest des Hunsrücks erobert und kam zunächst unter russische, dann unter österreichisch-bayerische und am 28. Mai 1815 schließlich unter preußische Verwaltung. [Anm. 16]

Das 19. und 20. Jahrhundert

Zu Beginn der preußischen Zeit blieben die französischen Verwaltungsstrukturen bis auf einige Änderungen unangetastet. Aus der Mairie wurde die Bürgermeisterei. Am 25. Januar 1817 wurde im Kreis Simmern die Zahl der Bürgermeistereien von zwölf auf sechs reduziert. Die Bürgermeisterei Argenthal wurde in die Bürgermeisterei Rheinböllen eingegliedert. Zu mehr Eigenständigkeit verhalf der Gemeinde Argenthal die am 8. Mai 1846 eingeführte neue Gemeindeordnung für die preußische Rheinprovinz. Ein Gemeinderat wurde gebildet. Aus dem Amt des Schöffen wurde das des Ortsvorstehers. Man begann, ein Beschlussbuch zu führen. Ab 1871 gehörte Argenthal zum Deutschen Kaiserreich. Bei den Wahlen zum Reichstag 1881 wählten die Argenthaler überwiegend die Nationalliberale Partei, gefolgt von der Zentrumspartei. [Anm. 17]

Auf infrastruktureller Ebene hielt die Moderne Einzug. Eine eigene Wasserversorgung durch Wasserhausanschlüsse wurde 1906 realisiert. [Anm. 18] Im Jahr 1910 wurde das Rathaus von Argenthal errichtet. [Anm. 19]

Vier Jahre später begann der Erste Weltkrieg. Die Gemeinde Argenthal tätigte in dessen Verlauf einige Investitionen. Darunter mehrere Käufe von Kriegsanleihen sowie Geldspenden, u.a. an die Familien von im Krieg kämpfenden Soldaten. Im Oktober 1915 stimmte der Gemeinderat gegen den Einsatz russischer Kriegsgefangener bei örtlichen Holzfällarbeiten. Im März 1916 ließ die Gemeinde einen sogenannten Heldenhain für die gestorbenen Argenthaler Soldaten einrichten. Es waren zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Männer des Ortes im Krieg gestorben. Auch die Kinder litten – mehrere Diphterie-Erkrankungen sind überliefert. Der kriegsbedingten Rohstoffknappheit versuchte man durch den Bau einer Transportbahn für das örtliche Erzbergwerg zu begegnen. Am Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 hatte die Gemeinde Argenthal den Verlust von 34 Soldaten zu beklagen. [Anm. 20]

Infolge des Weltkriegs wurde Argenthal Teil der französischen Besatzungszone. Der Lehrer des Dorfes wurde aus nicht näher bekannten Gründen vom französischen Militärgericht zu einer Geldstrafe und vier Wochen Gefängnis verurteilt und musste das Land verlassen. Am 2. November 1919 wurde der Gemeinderat neu gewählt. Die frühen Zwanzigerjahre waren geprägt von der Inflation, die 1923 ihren Höhepunkt erreichte. Nichtsdestotrotz konnte das Dorf zwischen 1922 und 1923 an die elektrische Stromversorgung angeschlossen werden. Um die Toten des Weltkriegs wurde ein Heldenkult entwickelt. Dieser beinhaltete Denkmäler, ein Gedenkbuch und Trauerfeiern. Im Zuge des bis 1923 dauernden Eisenbahnerstreiks verurteilte das französische Militärgericht einen Argenthaler zu drei Jahren Gefängnis. Weitere kamen in Untersuchungshaft. Im Juni 1930 endete mit der Räumung des Rheinlandes auch in Argenthal die französische Besatzung. Noch im selben Jahr lassen sich nationalsozialistische Aktivitäten ausgehend von Argenthal nachweisen. Zwei Argenthaler organisierten eine illegale NSDAP-Versammlung im Nachbarort Ellern. Etwa 100 Personen besuchten die Veranstaltung. Am 6. Juni 1931 wurde in Argenthal eine von 60 Personen besuchte NSDAP-Versammlung durchgeführt. [Anm. 21]

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Im April sollte in Argenthal ein neuer Gemeinderat und ein neuer Vorsteher gewählt werden. Vor der Abstimmung am 4. April verließen jedoch einige Ratsmitglieder die Versammlung und machten sie so beschlussunfähig. Dies wiederholte sich am 10. April. Über den weiteren Verlauf der Wahlen fehlen Eintragungen im Beschlussbuch der Gemeinde. Am 2. September 1935 fasste der Gemeinderat von Argenthal folgenden Beschluss: „Wer mit Juden Geschäfte macht, wird von sämtlichen Einrichtungen der Gemeinde, wie Backhaus, Kelter, Früchtereinigungsmaschine, Stiere, usw. ausgeschlossen mit sofortiger Wirkung.[Anm. 22] Der Beschluss des Gemeinderats wurde bereits vor den antisemitischen Nürnberger Gesetzen gefasst. In Argenthal lebten keine Juden. Die Bestimmungen betrafen daher vor allem jüdische Viehhändler und Argenthaler Landwirte, die mit ihnen handeln wollten.[Anm. 23]

Zwischen 1935 und 1937 wurde das HJ-Heim Argenthal errichtet. Nach dem Krieg wurde dieses an den örtlichen Sportverein verpachtet. Zwischen 1935 und 1936 wurden in Argenthal sogenannte Notstandsarbeiten durchgeführt. Wiesen wurden trockengelegt, der Weiher des Ortes zugeschüttet. Die Arbeiter aus Städten wie Bad Kreuznach, Koblenz und Duisburg wurden im Saal einer Gastwirtschaft untergebracht. Die hygienischen und sanitären Verhältnisse der Unterbringung und der Arbeitsorte waren schlecht. Verschiedene Krankheiten wie Typhus und Geschlechtskrankheiten traten auf.[Anm. 24]

Auf der Gemarkung von Argenthal wurde eine Leitzentrale für den Militärflugplatz Kirchberg sowie Flugabwehr eingerichtet. Bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das Areal Ziel alliierter Bombardierungen. Bis zum Kriegsende 1945 wurde auch der Ort bombardiert, das Rathaus wurde beschädigt und zwei Argenthalerinnen kamen ums Leben. Insgesamt starben 60 Personen, 20 galten als vermisst. Am 15. und 16. März 1945 rückten amerikanische Soldaten im Dorf ein. Ab dem 25. März ruhten die Kampfhandlungen auf der linken Seite des Rheins. Im Juli 1945 löste die französische Besatzungsmacht die amerikanische ab. Am 30. August 1946 wurde Rheinland-Pfalz gegründet. Bereits am 15. September des gleichen Jahres fanden die ersten Gemeindewahlen in Argenthal statt.[Anm. 25] Das Rathaus wurde 1948 wieder aufgebaut. Einen eigenen Kindergarten bekam Argenthal 1954. Am 1. August 1970 wurden die evangelische und die katholische Schule Argenthal aufgelöst. Stattdessen richtete man eine simultane Grundschule ein. Ende der 1970er Jahre dachte man über den Bau einer neuen Schulsporthalle nach. 1983 entschied der Gemeinderat, eine Mehrzweckhalle errichten zu lassen. Der Bau der neuen Mehrzweckhalle, der Chur-Pfalz-Halle, begann noch im gleichen Jahr. Sie wurde im Sommer 1984 eingeweiht.[Anm. 26]

Nachweise

Verfasser: Konstantin Arnold

Red. Bearb.: Lutz Luckhaupt

Verwendete Literatur:

  • Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991.

Erstellt am: 01.02.2022

Anmerkungen:

  1. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991. S.19-24. Zurück
  2. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991. S.24-35. Zurück
  3. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 36-46. Online verfügbar ist eine Abschrift der Quelle unter: RI III,2,3 n. 1345, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/a8a3860e-687c-4db9-9f7e-44823caec8db (Abgerufen am 19.05.2021). Zurück
  4. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 36-50. Zurück
  5. DI 60, Rhein-Hunsrück-Kreis I, Nr. 34 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0003400. (Abgerufen am 19.05.2021). Hier findet sich auch ein Foto des Grabsteins. Zurück
  6. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 50f. Zurück
  7. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 51-59 Zurück
  8. Baumgarten, Achim R. /  Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 67. Zurück
  9. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 74-78. Zurück
  10. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991, Argenthal 1991. S.120f. Zurück
  11. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991, Argenthal 1991. S. 122f. Zurück
  12. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 125-136. Zurück
  13. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 239-250. Zurück
  14. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 260. Zurück
  15. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 253-260. Zurück
  16. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 271ff. Zurück
  17. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 276-281. Zurück
  18. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 312. Zurück
  19. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 281. Zurück
  20. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 281-284. Zurück
  21. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 284-290. Zurück
  22. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 290. Zurück
  23. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 291. Zurück
  24. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 291-294. Zurück
  25. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991. Argenthal 1991, S. 294-302. Zurück
  26. Baumgarten, Achim R. / Schellack, Fritz: 900 Jahre Argenthal. 1091-1991, Argenthal 1991. S. 304-355. Zurück