Zur Geschichte von Burg und Stadt Hartenfels
Burg Hartenfels (heute auch »Schmanddippe« genannt) gehörte zu einer Kette von salischen Burgen, die zum Schutz der Köln-Frankfurter Straße in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurde. Wahrscheinlich wurde sie als Reichsburg gegründet und in die Verfügungsgewalt der Grafen von Sayn und Wied gegeben worden. Als Hartenfels im Jahr 1249 in der schriftlichen Überlieferung auftaucht, war sie in gemeinschaftlichem Besitz der Grafen von Wied und der Gräfin Mechthild von Sayn (1203-1291), die sie aus dem Erbe ihres am 1. Januar 1247 verstorbenen Gatten Heinrich III. von Sayn (reg. 1202-1246/47) übernommen hatte.[Anm. 1]
Der Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg-Braunberg (1242-1259) erwarb im Jahr 1249 Burg und Ort (»castrum seu oppidum«) von der Gräfin Mechthild von Sayn. Weitere Mitbesitzer an der Burgherrschaft, Heinrich von Isenburg,[Anm. 2] sowie Gottfried von Eppstein, sein Sohn Gottfried und sein Vetter Bruno von Braunsberg, die Erben des Grafen von Wied[Anm. 3] verzichteten in den kommenden Jahren ebenfalls auf ihre Anteile an der Herrschaft. Seit dem Jahr 1266 stand die Burg uneingeschränkt unter kurtrierischer Hoheit.
Die Burg wurde unter den Erzbischöfen in großem Umfang ausgebaut. Erzbischof Heinrich von Finstingen (1260-1286) verstärkte Hartenfels, auch Erzbischof Boemunds von Warsberg (1286-1299) nahm Bauten an den Grenzburgen Hartenfels und Molsberg vor.[Anm. 4]
Im Schatten der Burg siedelten sich rasch weitere Menschen an, wie etwa Beamte, Burgmannen und Bedienstete der Herrschaft. Zu ihnen gesellten sich Bauern und Handwerker, die für die Versorgung der Bewohner der Burgherrschaft sorgen konnten. So entstand zu Füßen der Burg ein Dorf.
Die strategische Bedeutung von Hartenfels wird deutlich, als im Jahr 1328 Hartenfels (Hartinfeld) Grenzpunkt eines Landfriedens war, den Erzbischof Balduin von Trier (1307-1354) mit den Grafen von Hanau, den Herren von Isenburg, Falkenstein sowie Falkenstein-Münzenberg schloss.[Anm. 5]
Erzbischof Balduin von Trier (1307-1354) erwirkte im Jahr 1332 von Kaiser Ludwig dem Bayern (1314-1347) die Stadtrechte für Hartenfels, mit den geleichen Rechten und Pflichten, wie die Stadt Frankfurt sie hatte. Bei seinem Regierungsantritt bestätigte Kaiser Karl IV. (1346-1378) die Stadtrechte der Stadt.[Anm. 6]
Hartenfels wurde nach der Stadterhebung mit Mauern umgeben. Erzbischof Balduin hatte der Stadt Bede- und Schatzungsfreiheit gewährt, damit sie die Pforten, Mauern und Gräben der Burg in Ordnung halten konnte. Den Schlüssel zu den Toren sollte der trierische Amtmann verwahren. Die Stadtbewohner hatten ihm als Sachwalter des Erzbischofs Gehorsam zu leisten. Sie durften aber frei entscheiden, wen sie in die Stadt ein- und hinauslassen wollten.[Anm. 7]
Zum militärischen Schutz von Hartenfels wurden Burgmannen rekrutiert, die auf der Burg und in der Stadt dienen sollten. Burgmannen waren u.a. die Schwalborn von Montabaur,[Anm. 8] Konrad Panai,[Anm. 9] die Nail von Hattert,[Anm. 10] die von Schupbach,[Anm. 11] die Grauesel von Weltersburg,[Anm. 12] die von Braunsberg,[Anm. 13] sowie der Edelknecht Philippes gen. Haynbuoch,[Anm. 14]
Im Jahr 1397 kam es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit einigen Herren der Umgebung. Am 27. April 1397 berichtete Erzbischof Werner von Trier (1388-1418), dass in einer Fehde Bernhard von Dernbach, Denhard von Lixfeld sowie Heidenrich und Eberhard Schenken von Schweinsberg plündernd vor seine Burg Hartenfels gezogen seien. Die Plünderer seien nach dem Überfall von seinem Neffen Graf Wilhelm zu Wied, Propst zu Aachen, Junggraf Gerhard von Sayn, Herr zu Freusburg und Homburg, Herrn Salentin von Isenburg, Herr Reinhard von Westerburg und Gerlach von Isenburg verfolgt worden. Sie hätten sich in die etwa 30 km entfernte Burg Liebenscheid geflüchtet, die dem Grafen Reinhard von Nassau gehörte, ebenfalls ein Neffe des Erzbischofs. Man habe sich aber gütlich wegen dieses Überfalls geeinigt und sein nunmehr vollständig ausgesöhnt.[Anm. 15]
Noch im 15. Jahrhundert genossen die Hartenfelser ihre städtische Freiheiten, die sich aber im Lauf der Zeit immer weiter verwässerten, bis im 18. Jahrhundert die meisten Hartenfelser keine freien Städter mehr, sondern vielfach in die Leibeigenschaft abgesunken waren.
Im Jahr 1594 zogen Truppen unter dem Oberbefehl des Grafen Wilhelm von Nassau-Weilburg (1570-1597) plündernd durch das Land. Sie waren von Oppenheim kommend durch den Camberger Grund gezogen, hatten bei Diez die Lahn überschritten und waren so nach Hartenfels gelangt. Schließlich lagerten 2.000 Reiter und 500 Mann Fußvolk vor der Burg. Viele der schottischen, irischen und holländischen »Freibeuter« wurde in Hartenfels einquartiert, mussten verpflegt, mit Brennholz und Futter für die Pferde versorgt werden. Innerhalb einer Woche - so hieß es - hätten sie die Stadt ruiniert. Bei ihrem Abzug steckten sie darüber hinaus die Stadt Hartenfels in Brand.[Anm. 16] Ob die Burg, die bereits 1477 bei einem Brand schwer beschädigt, aber wieder instandgesetzt worden war, 1594 in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist nicht überliefert. Doch in gutem Zustand dürfte sie sich nicht mehr befunden haben. Ohnehin kam mittelalterlichen Burgen, die nicht zur Festung ausgebaut worden waren, zu dieser Zeit kein besondere strategische Bedeutung mehr zu.
Seit 1593 wechselte die Burg als Teilruine mehrfach den Besitzer. Georg Hans Freiherr von Reifenberg wurde 1593 vom Trierer Erzbischof mit Hartenfels belehnt. Nach seinem Tod 1604 ging das Lehen seinen Kindern 1610 wieder verloren. Danach werden die Herren von der Lippe gen. Huhn als Pfandherren erwähnt.[Anm. 17] Über eine Erbtochter kamen um 1630 die Frei von Dehrn in den Besitz der trierischen Unterherrschaft Hartenfels. Das Erzstift zog im Jahr 1737 Hartenfels wieder ein.[Anm. 18] Burg Hartenfels war zu dieser Zeit bereits unbewohnbar.
Amt und Gericht Hartenfels
In Hartenfels hat zwischen 1249 und 1802 ein trierisches Amt bestanden. Unter Erzbischof Boemund I. von Trier (1289-1299) wird im Jahr 1293 erstmals ein trierischer Amtmann im Erzstift genannt. Vielleicht kam es unter Boemund bereits zur Ausbildung einer trierischen Amtsverfassung, die allerdings erst unter seinem Nachfolger Dietrich von Nassau (1300-1307) greifbar ist.
Die Amtleute auf Hartenfels, die später auch als »Offizial« oder »Amtsverwalter« bezeichnet wurden, bekamen ihre Anweisungen direkt vom Erzbischof bzw. von einem dazu bestimmten Vertreter. Zur Durchsetzung ihrer Weisungen hatten sie bewaffnetes Personal zur Verfügung.[Anm. 19] Gelegentlich übten sie das Amt aber nicht als tätige Beamte aus, sondern hatten den Titel als »politische« Amtmannschaft übernommen. Solche Amtmänner wurden vom Erzbischof für bereits geleistete oder zukünftig erwartete Hilfe belohnt.
Im Rahmen der Finanzverwaltung der Burg und des Amtes wird 1344/48 eine Kellerei bzw. ein Keller in Hartenfels erwähnt. Dessen Aufgaben wurden von 1359 bis 1698 von der Kellerei Montabaur, dann zwischen 1698 bis 1802 von der Kellerei Herschbach wahrgenommen.[Anm. 20]
Im Jahr 1249 ist auch das kleine Gericht Hartenfels entstanden. Gerichtsherr war der Erzbischof von Trier. Gerichtsbezirk waren Burg und Stadt Hartenfels sowie der Bereich unmittelbar vor der Ringmauer »auff drie fuesz nahe« (1557 erwähnt). Von 1739 bis 1803 war das Gericht Hartenfels dem Amt Herschbach zugeordnet. Das Hochgericht, zuständige für Kapitalvergehen, befand sich in Montabaur. Außerhalb der Stadt hatten die Grafen von Wied (1342)[Anm. 21] und die Grafen von Isenburg (1437, 1350) nicht näher zu beschreibende gerichtliche Rechte.[Anm. 22]
Das Burggrafenamt ist seit 1302 auf Hartenfels belegt. Erster Burggraf war Kraft von Greifenstein. Erzbischof Diether von Trier (1300-1307) verlieh Kraft, der ihm Geld geliehen hatte, nicht nur die Burggrafenschaft, sondern wies ihm auch gewisse Einkünfte an, damit er die laufenden Ausgaben bestreiten konnte.[Anm. 23]
Liste der Burggrafen, Amtleute, Keller und Schultheißen
1302 | Kraft von Greifenstein, Burgraf |
1324 | Johannes Swalburne, Burggraf |
1339 | Rorich von Schupbach, Burggraf |
1346-1347 | Heynrich Panard, Keller |
1347 | Diederich von Stockheym 1347, Burggraf. |
1359 | Ludwig Walpode von der Neuerburg, Herr zu Reichenstein, Amtmann |
1370 | Gotfried von der Erlen gen. Kutmyl, Amtmann |
bis 1381 | Johann von Bicken, Amtmann |
vor 1390 | Johan Schönhals von Westerburg der alte, Amtmann |
1408 | Wigandt von Steinebach, Amtmann |
1446 | Graf Dietrich von Sayn, Amtmann |
1452 | Gerlach von Isenburg-Grenzau, Amtmann |
1459 | Christian von Seelbach, Amtmann |
1475-1478 | Henrich von Nassau, Amtmann |
1496-1511 | Johan von Steinbach, Amtmann |
1534-1557 | Mant von der Lippe genannt Huhn, Amtmann |
1538-1565 | Arnold Schmidt, Schultheiß |
1580-1587 | Philip Hauprecht von der Lippe genannt Huhn, Amtmann |
1575-1593 | Thönnes Geck, Schultheiß |
1588/1592-1604 | Georg Hans von Reifenberg, Amtmann (1588 Verwalter) |
1597 | Thil Schmitt, Schultheiß |
1606-1609 | Melchior New, Schultheiß |
1620-1622 | Manth Friedrich von der Lippe gen. Huhn, Amtmann |
1652-1685 | Mandt Friedrich Reiffenberg, Schultheiß |
1688 | Henrich Stein, Schultheiß |
1692 | Johannes Urbanus, Schultheiß |
1692 | Neander, Keller der Frei von Dehrn für Hartenfels zu Eltville |
1696 | Mandt Reiffenberg, Schultheiß |
1701-1722 | Henrich Geck, Schultheiß |
1713-1735 | Gotthard, Keller der Frei von Dehrn für Hartenfels zu Eltville |
1734-1741 | Petri, Keller der Frei von Dehrn für Hartenfels zu Eltville |
1734 | Albert, Schultheiß |
1743-vor 1749 | Anton Ebertz, Schultheiß |
1744-1759 | Johannes Michels, Schultheiß |
1770 | Anton Reiffenberg, Schultheiß |
1786-1787 | J. Bruller, Schultheiß |
1800 | Beuller, Schultheiß |
1803-1804 | Zeitz, Schultheiß |
Seit dem Jahr 1739 gehörte Hartenfels zum kurtrierischen Amt Herschbach.
Zur späteren Geschichte von Hartenfels
Nach dem Ende des Trierer Kurstaates im Zuge der französischen Besetzung der Rheinlande kam Hartenfels im Jahr 1803 unter die Hoheit des Großherzogtums Nassau und gehörte zum nassau-weilburgischen (1802/03) bzw. herzoglich-nassauischen Amt Herschbach (ab 1806) und seit 1817 zum herzoglich-nassauischen Amt Selters.
Ein Großbrand traf am 30. Mai 1863 die Stadt. Die Schäden wurde schnell wieder beseitigt. 300 Handwerker setzten zunächst die Scheunen für die bevorstehende Ernte instand. Als Baumaterial dienten die Steine der Burgmauer und des Turms. Die preußische Regierung verhinderte, dass der Turm ganz abgerissen wurde, und beteiligte sich an den Wiederaufbaukosten.[Anm. 24] Nach der Annektion des Großherzogtums im Jahr 1866 gehörte Hartenfels zum Königreich Preußen. Hartenfels wurde seit 1867 dem preußischen Unterwesterwaldkreis zugewiesen.
Nach dem 2. Weltkrieg war Hartenfels ein Ort im Bundesland Rheinland-Pfalz, seit 1974 Teil des Westerwaldkreises. Seit 1972 ist die Ortsgemeinde Hartenfels Teil der Verbandsgemeinde Selters.
Weitere Nachrichten: 1815 lebten 429, im Jahr 2019 774 Menschen im Ort - 1893 Inbetriebnahme der Wasserleitung - 1914 Anschluss an die Stromversorgung - 1916 Erster Telefonanschluss - 1957 Einweihung des Gemeinschaftshauses.[Anm. 25]
Nachweise
Verfasser: Stefan Grathoff
Literatur:
- Hellmuth Gensicke, Landesgeschichte [Literaturverzeichnis]
- Alexander Markovic, Verbandsgemeinde [Literaturverzeichnis]
- Jösch/Jungbluth, Juden im Westerwald [Literaturverzeichnis]
Literaturhinweise:
- Hartenfels. In: Staatliche Burgen, Schlösser und Altertümer in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Landesamt für Denkmalpflege, Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz. Koblenz 2003 (Heft 7). S. 82 f.
- Josef Marx: Chronik der Ortsgemeinde Hartenfels. Hachenburg 1999.
- P. Wagner: Burg Hartenfels. In: Nassauische Heimatblätter 14 (1910/11), S. 37-51.
Erstellt am: 12.09.2020
Anmerkungen:
- Gensicke, Landesgeschichte S. 18 und 64; Roth, Westerwald S. 54; Hartenfels. In: Staatliche Burgen S. 82f. Zurück
- Er war ein Verwandter der Mechthild und war in Hartenfels begütert (Gensicke, Landesgeschichte S. 142 und 293). Vgl. ebd. S. 296 die Abtretung anderer isenburgischer Ansprüche - Gericht und Herrschaft - unter Gerlach von Isenburg (1319-1371) an Trier. Vgl. auch ebd. S. 394. Zurück
- Sie besaßen auch die angrenzende Grundherrschaft Rückeroth. (Gensicke, Landesgeschichte S. 143f. und S. 254). Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 236. Zurück
- RIplus Regg. EB Mainz 1,2 n. 2985 vom 27.12.1328 Zurück
- [RIplus] Regg. Karl IV. (Diplome) [n. 38] vom 25.11.1346. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 440 zitiert Wagner, Hartenfels. Zurück
- Die Schwalborner, zwischen 1334 und 1400 belegt, hatten 1378 ein Burglehen (Bern Swalborn) in Hartenfels (LHA Koblenz, Best. 35 Urk. 150; Gensicke, Landesgeschichte S. 216). Zurück
- Er war 1378 Burgmann (LHA Koblenz Best. 35 Urk. 150). Zurück
- Sie hatten einen Burgsitz auf Hartenfels (Gensicke, Landesgeschichte S. 221). Zurück
- Einem Zweig der von Schupbach gehörte ein Hartenfelser Burgmann von Herschbach an. (Gensicke, Landesgeschichte S. 229). Zurück
- Die Grauesel, zwischen 1295 und 1395 belegt, waren Burgleute auf Hartenfels (Gensicke, Landesgeschichte S. 231). Zurück
- Ritter Johann von Braunsberg war 1351 Burgmann in Burg und Stadt Hartenfels (HHStA Wiesbaden Best. 121 Nr. U von Braunsberg 1351 April 14). Zurück
- Er war 1347 Burgmann Erzbischof Balduins (HHStA Wiesbaden Best. 121 U von Haynbuch 1347 Mai 12). Zurück
- HHStA Wiesbaden Abt. 170 I Nr. 848 und ebd. II Nr. 1397. Zurück
- Markovicz, Verbandsgemeinde S. 77. Zurück
- Ein Zweig der von Lippe genannt Huhn, die sonst auch bei Freusburg begütert waren, hielten sich seit 1500 zu Hartenfels auf und waren zeitweise im Besitz von Hof Erlen und Hofgericht Ransbach (Gensicke, Landesgeschichte S. 234). Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 210, 220, 330 und 393. Zurück
- Im Jahr 1359 hatte der Amtmann zu Hartenfels zum Schutz des Amtes sechs bewaffnete (reisige) Knechte zur Verfügung (Gensicke, Landesgeschichte S. 376). Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 393. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 340 Nr. 1924b. Zurück
- Siehe dazu Gensicke, Landesgeschichte S. 440f. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 375. Zur folgenden Tabelle siehe Gensicke, Landesgeschichte S. 320 und S. 506 und LHA Koblenz Best. 1 A Urkunde 8975 zu Johann von Steinbach als Amtmann. Zurück
- Markovic, Verbandsgemeinde S. 76ff. Zurück
- Mehr bei Markovic, Verbandsgemeinde S. 78. Zurück