Bingen in Rheinhessen

Redaktioneller Hinweis: Der nachfolgende Text stammt aus der Publikation "Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart" von Karl Johann Brilmayer, die 1905 erschienen ist. Brilmayer gab keine Belege an und die Aussagen sind auch nicht von der Redaktion überprüft worden. Im Allgemeinen gilt Brilmayer aber als recht zuverlässig. Bei einer Benutzung Brilmayers für eine Veröffentlichung sollten die Angaben im Detail überprüft werden.


Bingen bei Karl Johann Brilmayer

Die Geschichte Bingens reicht bis in die Zeit der Römer zurück. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte es zu den 50 Kastellen, welche Drufus im Jahr 11 v. Chr. gegen die Einfälle der Germanen am Rheinstrom errichtete. Das Kastell lag auf der Stelle der Burg Klopp, während die dazugehörige bürgerliche Niederlassung sich unmittelbar am Fuß der Festung gegen Rhein und Nahe erstreckte. Über die Nahe hatten die Römer schon eine Brücke gebaut. Nach dem Bericht des römischen Schriftstellers Tacitus wurde im Jahr 71 n. Chr. der Anführer der aufständischen Trevirer, Tutor, nachdem er vorher die Nahebrücke abgerissen hatte, durch den römischen Heerführer Sextilius Felix bei Bingium besiegt. Im Jahr 355 wurde Bingen von den Allemannen zerstört, aber der spätere römische Kaiser Julian baute 359 die Mauern der Stadt wieder auf. Doch bald darauf, um 405, wurde es in den Stürmen der Völkerwanderung durch die Vandalen, Alanen und andere nordische Völker und später durch die Hunnen verwüstet. Nach Vertreibung der Römer vom Rhein und der Besitzergreifung dieser Gegend durch die Allemannen, nachher durch die Franken, gehörte Bingen zum Rheinischen Franzien und nach der Einteilung in Gaue zum Nahegau und vorübergehend zum Wormsgau. In Urkunden damaliger zeit wird es vielfach ein Kastell (castrum) genannt, während die Umgebung die Binger-Mark heißt.

Im Jahr 765 [28.8.863 BW, RggEbMz 02 Nr.017] verkauft Graf Leidrat von Bingen dem Erzbischof Lullus zu Mainz für das Kloster Fulda alle seine Güter, welche er innerhalb und außerhalb der Mauern des Castrums Bingen (Pinginse) oder in der Mark desselben besitzt. Diese Besitzungen des Klosters Fulda wurden in den Jahren 793, 817, 824 durch Schenkungen noch bedeutend vermehrt. Ebenso erhielt das Kloster Lorsch in den Jahren 766 bis 793 reiche Schenkungen von Häusern, Gütern und besonders Weinbergen in Bingen und seiner Umgebung. Kaiser Ludwig der Fromme hatte ein eigenes königliches Kammergut im Kastell Bingen (Pingunio), wovon er einen Hof im Jahr 832 dem Kloster Hasenried schenkte. Auch das Kloster Prüm in der Eifel erhielt 868 von einem Edlen namens Hererich Häuser und Weingärten zu Bingen, in deren Besitz es 870 von König Ludwig II. geschützt wird.

Fast ein Jahrhundert lang war Bingen und Umgebung unmittelbares Reichsgebiet, bis es durch Schenkung des Kaisers Otto II. an Erzbischof Willigis im Jahr 983 an das Erzstift Mainz überging. Erzbischof Willigis (975-1011) war es nämlich, der es durch seine Befürwortung dahin brachte, dass auf dem Reichstag zu Verona die von Kaiser Otto II. (973-983) sehnlichst gewünschte Erwählung seines erst dreijährigen Sohnes Otto zum Nachfolger in der deutschen Königswürde stattfand. Aus Erkenntlichkeit dafür bestätigte Kaiser Otto II. dem Erzbischof Willigis von Mainz die von dessen Vorfahren und ihm selbst in der Stadt Bingen erworbenen Rechte und fügt auf Bitten seiner Mutter Adelheid, seiner Gemahlin Theophanu, des Erzbischofs Giselher und des Erzbischofs Theodorich von Metz alles hinzu, was er daselbst noch eigentümlich besaß, überdies den Bannpfennig von der Brücke über die Selz (Salisa) bei Ingelheim bis Heimbach und jenseits des Rheins von der Mündung des Elzbaches bei Östrich bis Kaub mit allen Nutzbarkeiten, als: Münzrecht, Leibeigenen, Höfen, Gebäulichkeiten, Wäldern, Jagdrechten, Wiesen, Weiden, Weinbergen, Flüssen, gebuten und umgebauten Feldern, Mühlen, Straßen und allem Zubehör. Auch Kaiser Otto III. zeigte sich dem Erzbischof Willigis wegen der großen Verdienste, welche er sich um seine Erziehung und um die Leitung der Staatsgeschäfte während seiner Minderjährigkeit erworben hatte, erkenntlich, indem er demselben am 6. November 996 einen großen Teil des königlichen Kammerforstes auf dem Hunsrück, dem jetzigen Binger Wald, für sich und seine Nachfolger zum Geschenk machte. Der Anfang der darüber ausgestellten Urkunde lautet: "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Otto von Gottes Gnaden Römischer Kaiser. Kundgethan sei allen Gläubigen in Christo, daß wir infolge der Verwendung des Herrn Hildebald, des hochwürdigen Erzbischof Willigisus, und dessen Nachfolgern mit Zustimmung des Herzogs Konrad und sehr vielen übrigen Getreuen, als Eigentum mit Machtfülle übergeben haben". Nun folgt die Grenzbeschreibung und dann schließt die Urkunde: "Diesen vorgenannten Forst haben wir , wie gesagt, auf den Altar des heiligen Martinus als Geschenk niedergelegt, in der Weise, daß kein Mensch es wagen soll, in eben diesem Forst zu jagen oder das Wild zu beunruhigen, wenn er nicht von dem obersten Vorsteher jener Kirche die Erlaubnis dazu erhalten haben sollte". Das ist der heutige Binger Stadtwald, welcher mit Ausnahme eines kleinen Teils, der Struht, eines an Oberheimbach später verkauften Distrikts, noch ganz in derselben Grenze liegt.

Im Jahr 1165 wurde die Stadt Bingen und die dabei gelegenen Drufenburg (später Burg Klopp) von dem Landgrafen Ludwig von Thübingen auf Befehl des Kaiser Friedrich I. aus Hass gegen den von ihm aus dem Erzstift vertriebenen Erzbischof Konrad von Mainz zerstört.

Im Jahr 1200 vertrieb der in Mainz gewählte Erzbischof Lupold den von einem Teil des Domkapitels zu Bingen gewählten Erzbischof Siegfried II. mit Hilfe des Königs Philipp aus dieser Stadt und ließ die unter Friedrich I. zerstörten Stadtmauern wieder herstellen. Siegfried, unterstützt von König Otto IV., zu welchem er nach Köln geflohen war, kehrte bald zurück und setzte sich wiederum in den Besitz von Bingen. Im Jahr 1201 wurde er jedoch zum zweiten Mal von Lupold aus Bingen verjagt. Auch in den folgenden Jahren, in denen sich die Könige Philipp und Otto in den Rheingegenden bekriegten, hat die Stadt viel gelitten.

Um den Gewalttaten und Räubereien des wegelagernden Adels in dieser Zeit ein Ende zu machen und dem Handel und Verkehr Schutz und Sicherheit zu verschaffen, hatten die Städte Mainz, Bingen, Worms, Speyer, Frankfurt, Gelnhausen und Friedberg einen Band untereinander geschlossen, aber König Heinrich VII. hob das Bündnis im Jahr 1226, weil es zum Nachteil der Mainzer Kirche geschlossen sei, wieder auf. Doch blieb dieser erste erfolglose Versuch der Städte nicht ohne Frucht. Im Februar 1254 schlossen die Städte Mainz und Worms ein Schutz- und Trutzbündnis. Die zweite Stadt im großen Bund mit Mainz war Bingen. Der Bund wurde am 23. Mai 1254 abgeschlossen und war der unmittelbare Vorläufer des sechs Wochen darauf am Margaretentage, den 13. Juli 1254 abgeschlossenen großen rheinischen Städtebundes, dem mehr als 60 Städte beitraten. Leider war er am Ausgang des Jahrhunderts schon wieder in Verfall geraten.

Im Jahr 1301 führte König Albrecht mit den drei Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier Krieg. Vom Monat August an belagerte er zehn Wochen lang von der Wasser- und Landseite Bingen, welches von dem Kern des erzbischöflichen Kriegsvolkes und 500 auserlesenen Rittern verteidigt wurde. Der König wurde unterstützt durch Hilfsvölker des Königs von Frankreich, die Herzöge Otto und Stephan von Bayern und 800 Mainzer, so dass das Heer allein an schweren Streitrossen 2200 zählte. Ein Kriegszeugmeister Rot Ermelin, welcher die Belagerung leitete, ließ die Mauern durch zwei große Belagerungsmaschinen, Krebs und Katze, erschüttern. Am 25. und 26. September ergab sich die Stadt und nun wurde die Belagerung der Festung Klopp fortgesetzt, die endlich auch wegen eines darin ausgebrochenen Brandes übergeben werden musste. Im folgenden Jahr schloss König Albrecht mit Erzbischof Gerhard Frieden, doch musste der Erzbischof als Sicherheit der Sühne Bingen mit der Burg fünf Jahre lang zum Unterpfand geben, welche Gottfried von Brunecke und nach dessen Tod sein Sohn auf des Erzbischofs Kosten während dieser Zeit besetzt halten solle.

Das Jahr 1321 war wieder aus einer geringen Veranlassung ein Unglücksjahr für die Stadt Bingen. Ein Metzger hatten einen Schiffer, mit dem er in Streit geraten war, weil er seinen Hund geschlagen hatte, getötet. Der Magistrat hatte den Metzger gefänglich eingezogen; seine Freunde und Handwerksgenossen verlangten jedoch seine Freilassung und als diese nicht erfolgte, befreiten sie ihn mit Gewalt und stürmten das Rathaus, aus dem 4 Ratsherren zum Fenster hinausgestürzt wurden, indes die anderen sich durch die Flucht retteten. 24 Bürger wurden bei diesem Aufstand getötet und viele andere wurden verwundet. König Ludwig ließ Kläger und Beklagte vor sich nach Mainz fordern, diejenigen der Schuldigen, welche, dem Urteil zu entgehen, aus der Satdt flüchten wollten, aufgreifen und an den Rädelsführern des Aufstandes die Todesstrafe vollziehen. Die übrigen wurden aus dem Reich verbannt. So wurden wegen jenes Schifferhundes mehr als 140 Menschen entweder hingerichtet oder aus dem Land verwisen.

Im Jahr 1346 wurde Erzbischof Heinrich von Mainz vom Papst seiner Würde entsetzt und Gerlach von Nassau zum Erzbischof ernannt. Heinrich, der von Kaiser Ludwig geschützt wurde, wich aber nicht und der Kaiser stellte dazu noch mehrere Verweser des Stiftes auf, unter ihnen den kriegerischen Domscholaster Kuno von Falkenstein. Gegenseitig verwüstete man das Land, welches der eine oder der andere Teil inne hatte. Endlich nach dem Tod Heinrichs 1353, willigte Kuno am 3. Januar 1354 in einen Vertrag ein, wodurch das Erzstift Mainz dem Erzbischof Gerlach überlassen wurde, dagegen ihm, als seitherigem Stiftsverweser, der Besitz der Stadt Bingen und des Schlosses Klopp und noch einiger anderer Burgen und Dörfer solange als Pfand überlassen bleiben solle, bis ihm Erzbischof Gerlach entweder 40000 Gulden bezahlt habe oder Kuno zu einem anderen Bistum gelangt sein würde. Im Jahr 1357 wurde diese Pfandschfat, namentlich die der Stadt Bingen, von dem Erzbischof Gerlach eingelöst. Damit war die Satdt wieder dem Erzstift heimgefallen. Zugleich erteilte Erzbischof Gerlach mit Zustimmung seines Kapitels, weil sie in seinem und des Stiftes Kriegen große Lasten hat  tragen müssen, eine Reihe von Gnadenerweisungen. Unter anderem beschenkte er sie mit dem Umgeld von Wein und Frucht. Das Geld sollte zum Bau der Stadt, der Festung, dem Nutzen und der Notdurft verwendet werden und jährlich vor einem vom Erzbischof dazu bestellten Mann darüber Rechbungsablage stattfinden.

Das Jahr 1403 war für Bingen wieder ein Unglücksjahr. Am 13. August dieses Jahres entstand durch einen Zufall ein fürchterlicher Brand, welcher mehr als drei Viertel der Stadt in Asche legte. Es brannte zwei Tag lang, die Stifts- und Pfarrkirche, die Christophs-, Nikolaus-, Hl. Geist- und Egidiuskapelle, das Knabenschulhaus, die Georgskapelle, die Wohnungen der Stiftsherren und der größte Teil der Privathäuser wurden ein Raub der Flammen. Die Verwüstung war so groß, dass viele Bürger die Stadt ganz verlassen wollten, allein Erzbischof Johann II. munterte sie zu ihrer Wiederaufbauung auf und erteilte ihnen deshalb viele Freiheiten und Gerechtsame. Er befreite die Stadt unter anderem zwölf Jahre lang von jeder Steuer, Umlage und dem Zehnten. Im Jahr 1408 erneuerte er mit Bewilligung des Domkapitels diese Befreiungen und 1414 dehnte er sie nochmals auf weitere zwölf Jahre aus.

Bereits im Jahr 1392 hatte Erzbischof Konrad dem Domkapitel zu Mainz, das in Bingen und der Umgebung bedeutende Güter besaß, große Rechte eingeräumt, die aber sein Nachfolger Johann II. (1397-1419) namentlich in Bezug auf die Oberherrlichkeit und oberste Gerichtsbarkeit nicht anerkennen wollte. Der Erzbischof und das Domkapitel wählten den Bischof Johann von Würzburg zum Schiedsrichter, welcher am 5. Februar 1416 dahin entschied, dass die Stadt Bingen dem Erzbischof und dem Domkapitel zugleich huldigen und von beiden geschirmt werden soll. Rechtsstreite zwischen beiden sollen durch das Gericht zu Bingen aber durch gewählte Schiedsrichter entschieden werden, wenn die Schöffen sich nicht einigen könnten. Im Jahr 1420 räumt Erzbischof Konrad III. von Mainz seinem Domkapitel noch weitere Rechte in der Stadt Bingen und dem Schloss Klopp ein, so dass sich dasselbe schon als Herr der Stadt betrachtet und sie in Urkunden "unsere Stadt Bingen " nennt. Um die Bewohner für sich zu gewinnen, bestätigen der Dekan und das Kapitel am Tag vor Pfingsten dieses Jahres ihrer Stadt Bingen und allen Einwohnern ihre Rechte, Freiheiten, Ganden, redliche und alte löbliche Herkommen und Gewohnheiten, wie sie solche von den Erzbischöfen hergebracht haben. Doch gehörte die Satdt immer noch dem Erzbischof, denn am 2. Juli 1423 bestätigte Erzbischof Konrad von neuem der Stadt ihre Privilegien, Freiheiten und guten Gewohnheiten. Doch schon am 7. September 1424 trat derselbe Erzbischof Konrad gegen Flörsheim, Hochheim, Bischofsheim und Brgstadt die halbe Stadt Bingen und das halbe Schloss Klopp an sein Domkapitel ab und im Jahr 1438 überlässt Erzbischof Dietrich von Mainz die andere ihm noch zustehende Hälfte demselben mit allen Zubehörungen, Herrlichkeiten, Freiheiten, Märkten, Hütten, Gerichten, Weingärten, Zinsen, Gülten, Kolonien, Mauerwerken, Zöllen, Umgeldern, Krahnen, Bußen und gefällen, nichts ausgenommen als was dem Erzbischof besonders zuerkannt worden ist. So kam also Bingen an das Domkapitel zu Mainz und blieb in dessen Besitz beinahe vier Jahrhunderte bis zu den Umwälzungen am Ende des 18. Jahrhunderts.

Im Jahr 1485 entstand zwischen dem Domkapitel zu Mainz einerseits und der Bürgerschaft zu Bingen andererseits ein Streit wegen verschiedener Gerechtsame, namentlich aber wegen der Jagd im Wald, wozu sich die Binger Bürger allein berechtigt glaubten. Diese Streitigkeiten wurden durch Erzbischof Berthold am 29. Juni desselben Jahres geschlichtet. Die Bürger von Bingen hielten aber den Entscheid des Erzbischoffs bezüglich der Jagd für ungerecht, indem sie behaupteten, solche stets ausgeübt zu haben. Sie schickten deshalb 1486 eine bewaffnete Macht mit Hunden und Jagdnetzen in den Wald, um sich mit Gewalt in den Besitz ihres Rechtes zu setzten. Auf Ersuchen des Domkapitels eilte nun der Erzbischof mit 400 Bewaffneten insgeheim nach Bingen und wird vor Tagesanbruch durch eine Hintertür auf Klopp eingelassen. Am 27. Novvember berief er den Magistrat vor sich, setzte einige ins Gefängnis und verbannte die anderen aus dem Bistum. Am 1. Dezember setzte er einen neuen Magistrat, andere Schöffen , Richter und Beamte ein und reformierte die Stadt nach seinem Gutdünken. Darauf bekannten an demselben Tag Bürgermeister, Rat und Bürger der Stadt Bingen eidlich, dass sie in den Irrungen zwischen ihnen und dem Domkapitel die Entscheidung des Erzbischofs Berthold annehmen und halten wollten, sowie sie sich weiter verpflichteten, das Kapitel stets als ihre Oberherrschaft anzuerkennen und Folge und Diesnte ohne Wiederrede getreulich zu leisten. Im Januar des folgenden Jahres 1488 gab Erzbischof Berthold zur Beseitigung der vielen Irrungen, welche zwischen dem Domkapitel zu Mainz und der Stadt Bingen wegen des obrigkeitlichen Regiments und anderer Dinge entstanden sind und weshalb er selbst nach BIngen gekommen sei, mit Zustimmung beider Parteien der Stadt eine aus 46 Artikeln bestehende neue Verfassung, aber schon am 5. Januar 1489 entbindet er die Binger von den ihm geleisteten Pflichten und befahl ihnen, das Domkapitel als ihren rechtnmäßigen Herren anzuerkennen und ihm gehorsam zu sein.

Auf Pfingsten des Jahres 1490 entstand in Bingen wieder ein großer Brand, welcher 240 Häuser, die Laurentius- und Nikolauskapelle sowie das Rathaus in Asche legte. Um die Kosten, die der Wiederaufbau der Stadt erforderte, decken zu können, war der Rat gezwungen, verschiedene Auflagen und Zölle auf alle mittwochs zum Markt gebrachten Gegenstände und auf alle an der Stadt vorüberfahrenden Waren zu legen. Darüber enstand ein großer Streit der Binger mit dem Kurfürsten Philipp von der Pfalz, dessen Untertanen sich darüber beschwerten. Der Kurfürst errichtete deshalb nach vergeblichen Mahnungen einen Markt in dem nahegelegenen Münster, wo jeder, mit Ausnahme der Binger, die nicht zugelassen wurden, frei kaufen und verkaufen konnte. Dadurch zog er allen Verkehr dorthin und schnitt der Stadt die Zufuhr von Lebensmitteln ab. Das dauerte so 3 Jahre, während welcher sich die Binger ihrerseits wieder dadurch zu rächen suchten, dass sie die Nahbrücke sperrten, welche die pfälzischen Ämter Bacharach und Kaub mit Alzey verband. Nachdem die Binger durch ein Urteil des Kaisers gezwungen wurden, die Straße bei Tag und Nacht frei und offen zu lassen, vermittelten 1495 die Kurfürsten von Köln, Trier und Sachsen den Streit dahin, dass der Pfalzgraf den Markt zu Münster einstellte und auf eine Meile Weges von Bingen keinen neuen Markt mit Ausnahme eines Jahrmarktes errichtete, während die Binger ihre Marktbeschwerungen unterließen. Zur Zeit dieser Befehdungen wurde der Turm bei Münster an die Landstraße bei der Binger Grenze gebaut und Trutzbingen genannt.

Im Jahr 1632 währen des Dreißigjährigen Krieges war Bingen in der Gewalt der Schweden, denen es am 26. Juni 1635 durch den kaiserlichen Feldherren Gallas entrissen wurde. Aber wenige Wochen darauf musste sich die kaiserliche Besatzung dem Herzog Bernahrd von Weimar auf Gande und Ungnade ergeben, er besetzte Stadt und Burg, musste sie aber 1636 wieder räumen. Die Stadt wurde jetzt von Kaiserlichen besetzt, kam aber im November 1639 wieder in den Besitz der verbündeten Weimarer und Franzosen. Im Februar und März 1640 wurde die Stadt von Bayern und Spaniern belagert, aber die Weimarer aus dem Rheingau rückten zum Entsatz heran und zugleich machten die Belagerten einen Ausfall, so dass sich die 1000 Mann Belagerer mit Hinterlassung mehrer Kanonen zurück ziehen mussten. Aber im August desselben Jahres wird die Stadt von neuem durch kaiserliche und spanische Truppen belagert. Die Satdt wird trotz der geschossenen Breschen von den Belagerten hartnäckig verteitigt, bis der kaiserliche General Geelen heranrückt, Stadt und Schloss zwei Tage lang unablässig beschießen ließ, so dass wiederum ein Stück Mauer sowei der Munitionsturm zusammenstürzten und er so am 16. August in die Stadt eindringen konnte. Nach zwei Tagen übergaben die Weimarer auch das Schloss. So war Bingen wieder in deutschem Besitz. Aber im Jahr 1688 musste Stadt und Burg von neuem den Franzosen eingeräumt werden und da sie sich beim Anzug der Kaiserlichen nicht mehr hallten konnten, steckten sie vor ihrem Abzug am 4. Juni 1689 Stadt und Burg in Brand, welche mit Ausnahme einiger Häuser, des Hl. Geistspitals und der Pfarrkirche ganz eingeächert wurde. In ihrer Not wandten sich der Rat und die Bürger der Stadt an das Domkapitel zu Mainz mit der Bitte der Stadt, welche gänzlich abgebrannt und und durch die französischen Erpressungen völlig erschöpft sei, auf eine Reihe von Jahren Freiheit von Kontributionen zu gewähren, damit die Bürgerschaft ihre Plätze wieder bebauen könne, worauf ihr sechsjährige Freiheit von allen Schatzungen gewährt wurde.

Im Jahr 1734, im Krieg Ludwig XV. von Frankreich gegen den Kaiser wegen der polnischen Königswahl, besetzten die Franzosen abermals Bingen und brandschatzten die Stadt, sowie die zum Amt gehörigen Dorfschaften und 39000 Gulden.

Im französischen Revolutionskrieg hat Bingen manches Ungemach ausgesatnden. Im Oktober 1792 war die Stadt, wie Mainz, von den Franzosen besetzt. Im folgenden Jahr wurden sie von den Preußen daraus vertrieben und das Domkapitel kam wieder in ihren Besitz. Dieses dauerte nur bis zum Ende des Jahres 1797, wo Bingen mit dem ganzen linken Rheinufer durch den Frieden von Campo-Formio den Franzosen überlassen wurde. Die Stadt kam zum Departement Donnersberg und bildete den Hauptort eines Kantons mit 26 Ortschaften. So blieb es bis zur Vertreibung der Franzosen aus unseren Gegenden in den Jahren 1813 und 1814.