Dautenheim in Rheinhessen

Die römischen Funde bei Dautenheim

In der Gemarkung des Ortes Dautenheim wurden Anfang des letzten Jahrhunderts Reste von mehreren römischen Gutshöfen – villae rusticae – gefunden.

Die villa rustica „In den Kirschkläuern“, deren Überreste im Winter 1905/06 ausgegraben wurden, ist der wohl bedeutendste dieser Funde.[Anm. 1] Der Gutshof ist der einzige in Rheinhessen, dessen Grundriss vollständig erhalten ist.[Anm. 2] Das Gebäude hatte ursprünglich eine rechteckige Form mit den Maßen 24,70 x 22,60 Meter.[Anm. 3] Die zwei Eckbauten an der Frontseite des Gebäudes wurden wahrscheinlich nachträglich angebaut. Dafür sprechen die sehr dicken Mauern der Räume neben den Anbauten, die zuvor wahrscheinlich Außenmauern gewesen waren.[Anm. 4] Die Eckbauten sprangen aus dem, die komplette Frontseite des Gebäude einnehmenden, Portikus – einem Säulengang - hervor und bildeten so eine Variante des Portikus-Risalit-Typus.[Anm. 5] Als Risalit bezeichnet man ein zumeist auf ganzer Höhe des Gebäudes aus der Fluchtlinie hervorspringendes Bauteil. Durch Funde einer Münze des Kaisers Valentinian (363-375), eines Bronzemedaillons aus vermutlich trajanischer Zeit (98-117) und Keramik aus dem 2.-4. Jahrhundert geht man von einer Nutzung der Villa in eben jenem Zeitraum vom 2.-4. Jahrhundert n. Chr. aus.[Anm. 6]

Ein Modell des Hauptgebäudes wurde 1982 gefertigt und steht heute im Museum Alzey. Obwohl dieses Modell den Innenhof der Villa überdacht darstellt ist diese Interpretation nicht sicher zu belegen. Auch ein nicht überdachter Innenhof ist möglich.[Anm. 7] Laut Jakob Curschmann, einem einheimischen Lehrer, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele archäologische Funde seiner Heimat untersuchte,[Anm. 8] lassen sich die einzelnen Räume nach ihrer Nutzung bestimmen. So gab es einen Speise- und Aufenthaltsraum, Wohnräume in denen farbiger Wandverputz gefunden wurde und ein kleines Bad mit Heizanlage. Im rechten Anbau vermutete Curschmann aufgrund der Brunnennähe eine Küche. Beim linken Anbau handelte es sich um ein Badegebäude mit den Maßen 13,75 x 7,30 Metern.[Anm. 9]

Die meisten römischen Bäder waren nach dem gleichen Schema aufgebaut und die verschiedenen Räume wurden in einer festgelegten Reihenfolge aufgesucht. Dies war auch in der Villa in Dautenheim der Fall. Als erstes betrat man das Apodyterium, den Auskleideraum. Dort legte man seine Kleider ab und verstaute sie in Boxen aus Stein oder Holz. Danach ging der Badegast in die Palaestra, einer Art Sportanlage, auf dem man durch sportliche Betätigung seinen Körper erhitzen sollte.[Anm. 10] Diese Anlage war in dem privaten Badegebäude der Villa in Dautenheim nicht vorhanden. Vorhanden war aber ein Praefurnium, ein Heizvorraum.[Anm. 11] Danach folgte das Frigidarium, das Kaltbad zum Abkühlen des Körpers. Der nächste Raum war das Tepidarium, ein lauwarmer Raum, der zum Caldarium führte, dem Warmbad. Dieser Raum erreichte durch das in diesem Raum immer vorhandene Hypocaustum, einer Art Fußbodenheizung, sehr hohe Temperaturen. Die Bodentemperaturen werden auf 50-60 Grad Celsius geschätzt, weswegen in dem Raum Holzpantoffeln getragen werden mussten.[Anm. 12] Die kegelförmigen Reste der Hypocausti jener Räume helfen den Ausgräbern des Öfteren bei der Identifizierung einzelner Gebäudekomplexe als Badeanlage. Dies war auch in Dautenheim der Fall.[Anm. 13] Ein weiterer üblicher Raum in römischen Bädern war das Schwitzbad, Sudatorium oder Laconicum genannt.[Anm. 14]

Jakob Curschmann erwähnte neben dieser villa rustica noch drei weitere auf der Dautenheimer Gemarkung. In der Gewanne „Hinterer Hundertmorgen“ fand man Reste von mehreren Einzelgebäuden und einer 33 Meter langen Mauer, die eventuell die Hofmauer gewesen sein könnte. Außerdem wurden ein gemauerter Keller und sehr schwache Fundamentreste einer umschließenden Villa gefunden, die etwa 12 Meter lang und 14 Meter breit gewesen war. Auch wurde eine Dole, eine röhrenförmiger Kanal zur Entwässerung des Kellers, gefunden.[Anm. 15] Weitere Reste mehrerer Gebäude wurden in der Gewanne „Hinterer Achtzehnmorgen“ gefunden. Das Hauptgebäude dieses Gutshofs hatte in etwa die Maße 17 x 13 Meter. Etwa 10 Meter vor diesem Gebäude wurde eine etwa 102 Meter lange Hofmauer gefunden. Mehrere Gruben im Umkreis jenes Gebäudes wurden als Überreste von Wohn- oder Arbeitsgebäuden gedeutet.[Anm. 16] Eine Häufung von römischer Tonware, sowie eine Münze aus dem 4. Jahrhundert im Gewann „Im Loch“ deuten auch hier auf ein Hofgut hin.[Anm. 17]

Des Weiteren wurde in Dautenheim ein römisches Gräberfeld mit 25 Gräbern aus dem 1. bis 3. Jahrhundert gefunden.[Anm. 18] Das Gräberfeld war mit einer teilweise erhaltenen Mauer umfasst und gehörte wohl zu einer villa rustica. Die ältesten Bestattungen in diesem Gräberfeld stammen aus der Zeit nach 40 n. Chr.[Anm. 19]

Nachweise

Verfasser: Lutz Luckhaupt

Verwendete Literatur:

  • Bernhard, Helmut: Die römische Besiedlung von Alzey-Dautenheim. Alzeyer Geschichtsblätter 17 (1982), S. 25-34.
  • Burger, Daniel/Richter, Jan M.: Verborgenes wird sichtbar. Die Dautenheimer villa rustica am Römertag. Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 1 (2008), S. 67-69.
  • Curschmann, Jakob: Die älteste Besiedlung der Gemarkung Dautenheim bei Alzey. MZ 17-19 (1921-24), S. 79-107.
  • Curschmann, Jakob: Ein römischer Friedhof und römische Villen bei Dautenheim, Kr. Alzey. MZ 37/38 (1943/44), S. 69-82.
  • Lenz-Bernhard, Getrud: Das römische Gräberfeld von Alzey-Dautenheim. Alzeyer Geschichtsblätter 17 (1982), S. 35-44.
  • Rupprecht, Gerd: Alzey-Dautenheim. Gutshof. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 304.
  • Weber, Marga: Antike Badekultur. München 1996.

Erstellt am: 14.10.2016

Anmerkungen:

  1. Curschmann, Jakob: Die älteste Besiedlung der Gemarkung Dautenheim bei Alzey. MZ 17-19 (1921-24), S. 79-107, hier S. 96. Zurück
  2. Burger, Daniel/Richter, Jan M.: Verborgenes wird sichtbar. Die Dautenheimer villa rustica am Römertag. Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 1 (2008), S. 67-69, hier S. 68. Zurück
  3. Curschmann 1921-24, S. 97. Zurück
  4. Bernhard, Helmut: Die römische Besiedlung von Alzey-Dautenheim. Alzeyer Geschichtsblätter 17 (1982), S. 25-34, hier S. 26. Zurück
  5. Rupprecht, Gerd: Alzey-Dautenheim. Gutshof. In: Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 304. Zurück
  6. Curschmann 1921-24, S. 97. Zurück
  7. Bernhard, S. 26 und 28. Zurück
  8. Ebenda, S. 25-26. Zurück
  9. Curschmann 1921-24, S. 97. Zurück
  10. Weber, Marga: Antike Badekultur. München 1996, S. 54-55. Zurück
  11. Curschmann 1921-24, S. 97. Zurück
  12. Weber, S. 54-56. Zurück
  13. Curschmann 1921-24, S. 97. Zurück
  14. Weber, S. 54. Zurück
  15. Curschmann, Jakob: Ein römischer Friedhof und römische Villen bei Dautenheim, Kr. Alzey. MZ 37/38 (1943/44), S. 69-82, hier S. 75-76. Zurück
  16. Ebenda, S. 78-79. Zurück
  17. Ebenda, S. 82. Zurück
  18. Ebenda, S. 75. Zurück
  19. Lenz-Bernhard, Gertud: Das römische Gräberfeld von Alzey-Dautenheim. Alzeyer Geschichtsblätter 17 (1982), S. 35-44, hier S. 35. Zurück