0.Gau-Odernheim in der Reformationszeit
0.1.Gau-Odernheim und die Pfalzgrafschaft bei Rhein
Die Reformation wurde in Odernheim in den 1550er Jahren eingeführt, wie in der gesamten Pfalzgrafschaft. Damit oblag das Kirchenregiment wieder dem Kurfürst, der umgehend Kirchenordnungen erließ, Pfarrstellen besetzte und Visitationen durchführen ließ. All diese Maßnahmen bedeuteten für die Bürger und die ganze Stadt massive Änderungen ihrer Rechte und Gewohnheiten. Viele empfanden die Maßnahmen als willkürliche Repressalien, war dies doch noch eine Steigerung der Einflussnahme durch den Pfalzgrafen, an den die Stadt 1402 verpfändet worden war. All die Auseinandersetzungen gipfelten in einen Aufstand, der jedoch misslang, so dass am 13. April 1579 die Unterzeichnung einer Kapitulation folgte , mit der sich die Einwohner der Kurpfalz unterwarfen. Der letzte Akt folgte im Westfälischen Frieden 1648, in dem die vollständige Übertragung der Reichspfandschaft auf den Pfalzgrafen bei Rhein auch rechtlich festgehalten wurde, was die ohnehin real vorherrschende Situation nur noch schriftlich fixierte.
0.2.Die konfessionelle Entwicklung Gau-Odernheims
Bekannt ist Gau-Odernheim vor allem für sein seit über 300 Jahren andauerndes Simultaneum. Die Mauer in der St. Rufuskirche, die den Kirchenraum der Protestanten von dem der Katholiken trennt, ist gemeinhin bekannt und vielfotografiertes Objekt von Touristen. Bis sich diese Situation im 17. Jahrhundert etabliert, hatte der Ort jedoch eine bewegte Reformationsgeschichte zu durchleben - die durch landesherrliche Politik ausgelösten Spannungen verschärften diesen Prozess noch. Zu Anfang sei noch ein Fakt bekanntgemacht, der maßgeblichen Anteil am Ausgang der Geschichte hat: für die dem Patronatsrecht des Mainzer Domkapitels unterstehende Odernheimer Kirche hatten seit dem Spätmittelalter drei verschiedene Parteien die Baupflicht: der Kirchenkasten Gau-Odernheim (seit dem späten 16. Jh.: die geistliche Administration) hatte das Schiff zu unterhalten, das Domstift Mainz den Chor und die bürgerliche Gemeinde Odernheim den Turm.
Nach einem zunächst langsam steigenden Zuspruch zur lutherischen Ideen steigerte sich zur Mitte des 16. Jh. hin die Begeistung für die neue Konfession, so dass 1555 die Bürgerschaft der damals noch Freien Reichsstadt die Einführung der lutherischen Konfession durchsetzte. Wie überall in Deutschland gewann nach dem Augsburger Religionsfrieden der Calvinismus an Aufschwung, obwohl er in den Bestimmungen von Augsburg nicht unter reichsrechtlichen Schutz gestellt worden war. In den kommenden Jahrzehnten rang mal die lutherische, mal die calvinistische Glaubenslehre um die Vorangstellung in der Stadt. Nachdem Gau-Odernheim 1579 per Dekret an die Kurpfalz überging - die sich in der Zwischenzeit per staatlicher Verordnung dem reformierten (calvinistischen) Glauben zugewandt hatte - hatte es die Calvinisten leichter und übernahmen das konfessionelle Zepter in der Stadt.
Durch den Einmarsch der spanischen Truppen im Zuge des 30jährigen Krieges kam es ab 1620 tatsächlich noch einmal zu einer katholischen Periode Gau-Odernheims, die jedoch von den Besatzern auferlegt wurde - Gau-Odernheim blieb stets im Geiste protestantisch. Durch die die Stadt einnehmenden Schweden wurde 1631 ein Pfarrer lutherischen Bekenntnisses eingesetzt, der jedoch 1635 nach der Eroberung der Kurpfalz wieder seiner Wege ziehen musste. Neuer Besatzer waren nämlich kaiserlich-habsburgische Truppen, so dass abermals das katholische Bekenntnis führend wurde: zwischen 1635 und 1648 waren außer den katholischen keine anderen Gottesdienste erlaubt.Mit den Bestimmungen des Westfälischen Friedens wurde Odernheim per Gesetz wieder der reformierten Konfession zugeschlagen.
0.3.Rekatholisierung und Beginn des Simultaneums (1685-1705)
1685 wurde Gau-Odernheim einem neuen Machthaber zugeschlagen: nachdem der reformierte pfalz-simmersche Zweig der Wittelsbacher ausstarb, ging der Besitz an die katholische Linie der Pfalz-Neuburger über - die Folge war eine Rekatholisierung des Gebietes, die sich unter der Besetzung durch französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688/89-1697) noch verschärfte. So wurde noch 1688 ein Dekret verkündet, dass diejenigen mit dem Tod bedrohte, die Bürger zur Abkehr vom Katholizismus zu bekehren versuchten.
Gleichzeitig wurde Katholiken das Recht zugesprochen, reformierte Kirchen mitzubenutzen - dies hatte zur Folge, dass im Chor der Odernheimer Kirche in katholischer Altar errichtet und der Gottesdienst von Oppenheimer Franziskanern, später vom Bechtolsheimer Pfarrer abgehalten wurde.
Doch die fast ausschließlich reformierten Bewohnter der Stadt hatten die von oben beschlossenen Konfessionswechsel satt und starteten eine Gegenoffensive: Zerstörung des katholischen Altars und Zugangsverweigerung zur Kirche für Katholiken waren die Folge.
Kurfürst Johann Wilhelm (1690-1716) verordnete seinen Landen 1698 ein allgemeines Simultaneum: auch Lutheranern und Katholiken sollte die Nutzung reformierter Kirchen ermöglicht werden, katholische Kirchen sollten jedoch den Katholiken vorbehalten bleiben.
Als der neue katholische Seelsorger Johann Konrad Dorn in Oppenheim dieses Recht 1699 einforderte, legte die reformierte Gemeinde Beschwerde ein, jedoch ohne Erfolg. Es kam zu einem Kompromiss, der bis in die heutige Zeit andauert: die Katholiken feiern ihren Gottesdienst im Chor, die Reformierten im Kirchenschiff.
Die Zusagen an die Katholiken standen in starkem Kontrast zu den gegebenen konfessionellen Verhältnissen vor Ort: 1703 gab es in Odernheim 454 Bewohner, davon 323 reformierten, 72 katholischen und 59 lutherischen Glaubens. Eine weitere Bevorzugung der Katholiken stellte das Dekret dar, dass katholische Feiertage von allen zu achten waren. Kinder aus gemisch-konfessionellen Verbindungen mussten katholisch getauft und erzogen werden.
0.4.Folgen des Simultaneums in kurpfälzischer, französischer und hessischer Zeit
Die Dekrete Johann Wilhelms bedeuteten in der gesamten Kurpfalz eine Benachteiligung der evangelischen Bürger, der landesweit zu Widerspruch evangelischer Reichsstände führte, hierbei übte besondern Preußen Druck auf den Kurfürsten aus. Es kam im November 1705 zur pfälzischen Religionsdeklaration, die sich auf die Situation im Jahr 1685 bezog und die eine Aufteilung von Kirchen regeln sollte. Für Odernheim trat dies jedoch nicht, die Kirchenteilungskomission bestimmte die Kirchenteilung als Lösung und forderte den Bau einer Trennwand. Rein existenzielle Probleme wie Missernten und finanzielle Requirierungen wegen des spanischen Erbfolgekrieges verzögerten dies jedoch, reformierter Widerstand stand außerdem weiter im Raum. 1728 kam es immerhin zum Bau einer Bretterwand, für den Bau einer Steinmauer gaben die Reformierten keine Zustimmung.
Unter französischer Herrschaft änderte sich wenig, nur für die Lutheraner kam es aufgrund der Union mit den Reformierten im Jahr 1821 zu einer Verbesserung: nun offiziell als Gemeindemitglieder verstanden, hatten sie nun Zugang zur Kirchen und mussten nicht mehr nach Undenheim pfarren.
Streit um die Gottesdienstzeiten hatte es von je her gegeben, der Ton verschärfte sich im späten 19. Jahrhundert jedoch drastisch, so dass seit 1887 ein Prozess geführt geführt wurd. Dieser endete 1890 mit einem Vergleich, der die Teilung der Kirche durch eine steinerne, schalldichte Mauer besiegelte.
Bearbeiterin: Katharina Üçgül
Verwendete Literatur:
- Reinhard, Christian: Die Integration der Reichsstadt Odernheim in die Pfalzgrafschaft bei Rhein, in: Themenheft Gau-Odernheim (Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, NF 6), Alzey 2004, S. 5-15;
- Schmahl, Helmut: Das Simultaneum in Gau-Odernheim vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, in: Themenheft Gau-Odernheim (Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde, NF 6), Alzey 2004, S. 17-24.
Erstellt am: 21.03.2013