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Rhotazismus
In den Dialekten Rheinhessens kann man häufig eine bemerkenswerte Lautentwicklung beobachten, bei der ein zwischen Vokalen – und nur dort – stehendes d (dem teilweise hochdeutsch t entspricht) zu r wird. Als Beispiele seien genannt: Klarer ʻKleiderʼ, schneire ʻschneidenʼ, Blärrer ʻBlätterʼ, Furer ʻFutter (Nahrung/Textil)ʼ und Zeire ʻZeitenʼ. Von dem Lautphänomen sind nicht alle Dialekte gleichermaßen erfasst. Die Karten Blätter, Futter und Zeiten zeigen exemplarisch, dass die räumliche Verteilung der Formen mit r von Wort zu Wort unterschiedlich ist.
Der Wandel von d zu r, der seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar ist, trägt die Bezeichnung Rhotazismus nach den griechischen Buchstaben Rho für r. Der Grund für die Lautveränderung ist Sprachökonomie. Um den Konsonanten d hervorzubringen, wird mit der Zunge ein Verschluss am oberen Zahndamm gebildet. Wenn auf Grund flüchtiger Artikulation die Zunge sich nur dem Zahndamm nähert, aber keinen vollständigen Verschluss ausführt, entsteht ein Reibegeräusch, das so ähnlich wie das englische th z. B. in mother ʻMutterʼ klingt. Zunächst ersetzte ein solcher Reibelaut, wie sich belegen lässt, das d. In einem weiteren Entwicklungsschritt hat sich anschließend aus dem Reibelaut das Zungenspitzen-r ergeben, das ebenfalls am oberen Zahndamm artikuliert wird.