Begriffsauswahl:
zwei
In den Dialekten um Simmern sagt man zwee Hiit (‘zwei Hüte’), zwoo Kih (‘zwei Kühe’), zwai Bään (‘zwei Beine’). Das Zahlwort zwei kommt also in drei unterschiedlichen Formen vor. Es handelt sich hier keineswegs um eine willkürliche Variation so wie im gesprochenen Standarddeutschen, wenn jemand z. B. einmal zwei Tische und ein anderes Mal zwo Tische sagt. Der Dreigliedrigkeit des Zahlworts zwei in den besagten Dialekten liegt vielmehr eine Regel zugrunde. Vor männlichen Substantiven (Hauptwörtern) tritt zwee auf, vor weiblichen zwoo und vor sächlichen zwai. Die Dialekte setzen ältere Sprachverhältnisse fort. Im Mittelhochdeutschen lauten die drei Formen zwêne (männlich), zwô (zwou, zwâ) (weiblich) und zwei (sächlich).
Dreigeschlechtigkeit bei zwei – der Sprachwissenschaftler spricht von Genusdifferenzierung – findet man in vielen Dialekten vor allem West- und Süddeutschlands, aber sie wird zunehmend abgebaut (selten über eine Zwischenstufe mit Zweigliedrigkeit). Meistens ist es das sächliche Element, das zur Einheitsform wird. Die in der neuhochdeutschen Standardsprache gültige Eingliedrigkeit beginnt sich in der Literatursprache des 18. Jahrhunderts herauszubilden, wobei die sächliche Form generalisiert wird. Die zuweilen in der heutigen Umgangssprache neben zwei zu hörende Variante zwo ist kein Rest der Dreigliedrigkeit, sondern eine Deutlichkeitsform, die gebildet wurde, um zwei vom ähnlich klingenden drei (vor allem am Telefon) lautlich zu unterscheiden. Die Verwendung von zwei und zwo unterliegt keiner Regel, beide können willkürlich füreinander ersetzt werden.
Die Karte zeigt, wo im linksrheinischen Rheinland-Pfalz und im Saarland die Dreigliedrigkeit bei zwei erhalten ist und wo sie zur Eingliedrigkeit (Einheitsform) abgebaut wurde. Auf die kartographische Darstellung der arealen Verteilung der Dialektbelege wird verzichtet, um die Lesbarkeit der Karte durch Präsentation von Detailinformationen nicht zu beeinträchtigen. In die Karte ist lediglich jeweils ein Beispiel für Dreigeschlechtigkeit und für die Einheitsform eingetragen. Die verwendeten Abkürzungen M., F., N. stehen für Maskulinum (männliches Geschlecht), Femininum (weibliches Geschlecht), Neutrum (sächliches Geschlecht). Die folgende Liste mit einer exemplarischen Belegauswahl ersetzt die nicht kartierte lautliche Variation der zwei-Formen. Zuerst (1.-6.) sind Belege für Dreigeschlechtigkeit jeweils in der Reihenfolge männlich – weiblich – sächlich aufgeführt, sodann schließen sich an (7.-9.) solche für Einförmigkeit.
1. Kehrig bei Mayen: zwinn – zwuu – zwai
2. Kinzenburg bei Prüm: zwing – zwuu – zwai
3. Grenderich bei Zell: zwiin – zwuu – zwai
4. Kirschroth bei Kirn: zween – zwuu – zwää
5. Wonsheim bei Alzey: zwee – zwoo – zwaa
6. Nittel bei Saarburg: zwee – zwoo – zwää
7. Brey bei Koblenz: zwai
8. Nackenheim bei Mainz: zwaa
9. Ilbesheim bei Landau: zwää
Die Entwicklung in den Dialekten unseres Gebietes verläuft in Richtung Abbau der Dreigeschlechtigkeit, und das sehr rasant. Um die Mitte der 1980er Jahre (Erhebungszeitraum der kartierten Dialektbelege) wurden bei der Generation der damals 30- bis 40jährigen die drei Geschlechter bei zwei, von Ausnahmen abgesehen, nur noch westlich einer Linie Merzig – Wittlich – Daun unterschieden.
Literaturverzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).
Hinweise zu den Karten
Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.
Zitierhinweis
[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.
z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.