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suchen
Vorab seien einige Hinweise zur Schreibung und Aussprache der Dialektvarianten gegeben: Bei normaler Schriftgröße des Vokalzeichens vor ch oder k (z. B. soche, seche, sike) ist der Vokal (Selbstlaut) gedehnt zu sprechen, also beispielsweise das o wie in rot. Kleinere Schriftgröße auf der Karte (z. B. suche, siche) steht für kurze Artikulation.
Östlich einer Linie etwa Merzig – Koblenz weisen die Dialektformen von suchen keinen hervorhebenswerten Kontrast zu der standardsprachlichen Entsprechung auf. Sie lauten: suche, soche und suche. Westlich der Linie hingegen zeigen die Dialektvarianten eine besonders markante lautliche Abweichung von dem standardsprachlichen Wort. Hinter Lautungen wie seche, siche, söke oder sücke wird ein Dialektunkundiger kaum das Wort suchen vermuten. Wie lassen sich die unterschiedlichen Varianten erklären?
Die oben zuerst erwähnten suche, soche, suche wie auch das standarddeutsche suchen haben sich aus mittelhochdeutsch suochen entwickelt. Den moselfränkischen Varianten mit i, e, ü oder ö (z. B. seche, söke) liegt dagegen wohl eine regional verbreitete historische Form mit Umlaut zugrunde, die im Mittelhochdeutschen wohl süechen gelautet hat. Umlaute sind ü, ö, ä, in manchen Fällen auch e. Diese haben sich unter bestimmten Bedingungen aus althochdeutsch u, o bzw. a entwickelt, vgl. z. B. althochdetsch stucki – neuhochdeutsch Stück, althochdeutsch blōdi – neuhochdeutsch blöde, althochdeutsch kāsi – neuhochdeutsch Käse. (Vgl. ausführlicher Karte 47 gehört.) Da im nördlichen Moselfränkischen die Umlaute ü und ö in ihrer Vokalqualität erhalten bleiben, d. h. wie im Standarddeutschen mit Lippenrundung gesprochen werden (vgl. hierzu die Karte 38 neu), lauten die dialektalen suchen-Formen söche, söke, sücke und söcke. Dort, wo ü und ö zu i oder e werden (vgl. etwa Hiit ‘Hüte’, scheen ‘schön’), heißt es entsprechend seche, seke, sicke usw.
Ein Teil der moselfränkischen Formen weist an Stelle von ch den Laut k auf, z. B. söke, sicke. Im Germanischen, einer historischen Vorstufe des Hochdeutschen, muss die unserem heutigen suchen entsprechende Form *sōkeja gelautet haben, wie Sprachhistoriker herausgefunden haben. Im Zuge eines Lautwandels, der als zweite Lautverschiebung bezeichnet wird, ist u. a. aus germanisch k nach Vokal der Laut ch entstanden, vgl. z. B. englisch cook – hochdeutsch Koch. (Vgl. hierzu ausführlicher die Einführung.) Das Moselfränkische hat die zweite Lautverschiebung durchgeführt. Aber die suchen-Varianten mit k haben den alten Lautstand bewahrt. Die Lautverschiebung hat sie nicht erfasst. Sie gehören zu den als Reliktwörter bezeichneten Ausnahmen von der zweiten Lautverschiebung, zu denen auch die Ausdrücke dat ‘das’ (vgl. Karte 6) und up ‘auf’ (vgl. Karte 7) zählen.
Literaturverzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).
Hinweise zu den Karten
Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.
Zitierhinweis
[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.
z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.