Das römische Militärlager in Weisenau
Neben dem römischen Militärlager auf dem Kästrich, welches seit der Gründung stets zwei Legionen beherbergte, gab es auch ein römisches Militärlager in Weisenau, welches im 1. Jahrhundert n. Chr. unregelmäßig als Legionslager für eine oder zwei Legionen diente und ansonsten wahrscheinlich von Auxiliareinheiten als Lager genutzt wurde.
Die erste Phase des Weisenauer Militärlagers beginnt unmittelbar nach der sogenannten Schlacht des Varus im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr. Vor dieser Schlacht waren 5 Legionen am Rhein stationiert. Während die 3 niederrheinischen Legionen in jener Schlacht nahezu vollständig vernichtet wurden, blieben die 2 oberrheinischen Legionen in ihrem Militärlager in Mainz zurück und waren somit nach der Schlacht die einzigen verfügbaren Truppen am Rhein.[Anm. 1]
Noch im selben Jahr wurden die 5 am Rhein stationierten Legionen auf 8 erhöht. In Mainz wurden neben den 2 bereits stationierten Legionen zwei weitere in einem anderen Lager stationiert. Jenes Lager wird in Weisenau vermutet, wurde bisher aber weder archäologisch entdeckt noch in schriftlichen Quellen erwähnt.[Anm. 2] Unter Kaiser Tiberius wurden die 2 in Weisenau stationierten Legionen nach einer Beruhigung der Lage in Germanien und einem Wechsel in eine defensive Haltung um 17 n. Chr. wieder verlegt.[Anm. 3]
Um das Jahr 39 n. Chr. kam es zu einer erneuten Legionsverschiebung nach Weisenau. Kaiser Caligula nutzte in diesem Jahr einen Einfall der Chatten in römisches Gebiet zu einem Feldzug in rechtsrheinische Gebiete.[Anm. 4] Für diesen Feldzug stationierte er zwei zusätzliche Legionen in Mainz auf dem Gebiet von Weisenau. Aus jener Zeit stammt wahrscheinlich auch das Erdlager, welches im Steinbruch des Weisenauer Zementwerkes gefunden wurde. Nachdem bereits früher die Nord- und die Südseite des Lagers gefunden wurden, wurde 1957 auch die Westseite gefunden. Östlich war das Lager durch das Rheinufer begrenzt. Durch diese Lagerbegrenzungen kann man von einer Größe von etwa 3,5 Hektar für das Militärlager ausgehen, das wäre etwa so groß wie die Saalburg.[Anm. 5] An den Seiten des Lagers waren 2 Spitzgräben mit einer Breite von jeweils etwa 1,8 Metern und einer Tiefe von jeweils etwa 0,9 Metern im Abstand von 5-6 Metern den Erdwällen vorgelagert. Dieses 3,5 Hektar große Lager diente wahrscheinlich als Lager für Auxiliareinheiten, wurde aber vermutlich mehrfach benutzt und vergrößert und auch als Legionslager für ein bis zwei Legionen benutzt. Diese Nutzung legen gefundene Grabsteine von Soldaten aus Weisenau nahe, auf denen die Legionsnummer des Verstorbenen zu finden sind. An der Nordseite des Militärlagers befand sich die Zivilsiedlung. Funde von Mauern, Häusergruben und Fabrikationsstätten wie beispielsweise Töpfereien belegen eine kontinuierliche, zivile Besiedlung vom 1. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. Der Höhepunkt dieser Besiedlung war sicherlich im 1. Jahrhundert, als es das Militärlager in Weisenau noch gab.[Anm. 6]
Im Zuge des Britannienfeldzuges von Caligulas Nachfolger Claudius wurden die Legionen in Mainz dann erneut verschoben. Eine Legion aus dem Militärlager auf dem Kästrich wurde für den Feldzug benötigt und zog Richtung Britannien. Eine Legion aus Weisenau rückte an ihre Stelle ins Lager auf dem Kästrich. Die verbliebene Legion in Weisenau wurde etwa 45/46 n. Chr. nach Vetera verlegt.[Anm. 7] Damit waren erneut keine Legionen mehr in Weisenau stationiert, aber wahrscheinlich weiterhin Auxiliareinheiten.
In den Jahren 83-86 n. Chr. war ein drittes und wahrscheinlich letztes Mal eine Legion im Weisenauer Militärlager stationiert. Anlass der Stationierung waren die Feldzüge gegen die Chatten durch Kaiser Domitian.[Anm. 8]
Zusammenfassend wurde das Militärlager in Weisenau in 3 Phasen als Legionslager genutzt. 9-17 n. Chr., 39-45/46 n. Chr. und 83-86 n. Chr. In den Phasen dazwischen ist spätestens mit dem gefundenen Erdlager aus der Zeit des Kaisers Caligula von einer Nutzung des Lagers als Auxiliarlager auszugehen.
Nachweise
Verfasser: Lutz Luckhaupt
Verwendete Literatur:
- Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990.
- Jacobi, Hans: Mogontiacum. Das römische Mainz. Mainz 1996.
Aktualisiert am: 26.02.2015