Montabaur im Westerwald

Die jüdische Bevölkerung in Montabaur

Entwicklung seit dem 14. Jahrhundert

In der Vergangenheit Montabaurs spielte die jüdische Gemeinde immer wieder eine große Rolle und hat über die Jahrhunderte das gesellschaftliche und politische Leben der Stadt geprägt.

Seit dem 14. Jahrhundert gibt es Nachweise von in Montabaur lebenden Juden, doch schon im 11. Jahrhundert haben sich jüdische Kaufleute am mittelrheinischen Knotenpunkt der alten Handelsstraße von Frankfurt a.M nach Köln und Leipzig, in der Nähe Montabaurs, angesiedelt. Die älteste Quelle bei der von Juden in Montabaur die Rede ist, ist das „Nürnberger Memorbuch“, das sich im Archiv des „Yad Vashem“ in Jerusalem befindet. In diesem steht, dass die jüdische Gemeinde von Montabaur im Zuge der vom Elsaß ausgehenden Judenpogrome 1336 ebenfalls betroffen war[Anm. 1]. Das Erzstift Trier verwies zu diesem Zeitpunkt alle Juden aus dem kurtrierischen Gebiet, da diese angeblich Hostien geschändet, Brunnen vergiftet und Ritualmorde durchführt hättem. Eine weitere Vertreibung im Rheinland veranlasste, dass zwischen 1418 und 1486 sämtliche jüdische Bewohner fliehen mussten. Schätzungsweise 90% der Juden im kurtrierischem Raum kamen bei den Pogromen zwischen 1336 und 1349 um[Anm. 2]. Das Ende der Judenpogrome und der Neuansiedlung von Juden in Montabaur zeigt die urkundliche Erwähnung der „Judengasse“ als jüdisches Wohngebiet um 1477[Anm. 3]. In einer Urkunde vom 14.04.1586 veranlasste der Erzbischof Johann von Schönberg, dass man nur Bürger von Montabaur werden könne, wenn man „der der alten christkatholischen Religio sey“[Anm. 4]. Juden konnten sich zwar wieder in Montabaur ansiedeln, hatten jedoch nicht die Rechte eines vollen Bürgers. Ihr Status im vorausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit gemeinhin als vogelfrei zu gelten verdeutlicht ihre schlechte Lebenslage. Neid und Argwohn gegenüber Juden, da diese aus religiösen Gründen lesen und schreiben können mussten und somit vor vielen Mitbürgern einen Vorteil hatten, führte immer wieder zu Konflikten. In einer Beschwerde der Metzger-, Krämer- und Schmiedezunft von 1652 werden jüdische Verkäufer beschuldigt sich zum Beispiel beim Fleischverkauf nicht an die Gesetzesvorschriften zu halten.

0.2.Entwicklung nach dem Reichdeputationshauptschluss

Nach dem Reichdeputationshauptschluss 1803 fällt Montabaur an Nassau, was für die Juden eine Erleichterung war. Herzog Wilhelm II von Nassau lässt 1806 alle Juden registrieren und ihr Vermögen schätzen. Es werden keine Schutzgelder mehr eingefordert, jedoch eine Gewerbe und Vermögenssteuer. Durch den Simultanschulerlass von 1817 durften jüdische Kinder gemeinsam mit anderen Kindern die Schule besuchen, 1850 galten alle Juden als vollwertige Bürger im Herzogtum Nassau und ab 1871 waren sie rechtlich gleichgestellte Bürger im gesamten deutschen Reich. Die Judenemanzipation setzte sich in deutschen Staaten allmählich durch. Es bestand Religionsfreiheit, das Recht auf eine freie Berufsausübung, allerdings auch die Pflicht einen Militärdienst zu leisten. Die neuen Rechte und Freiheiten zeigen sich auch in der steigenden Einwohnerzahl jüdischer Familien. Um 1807 lebten von insgesamt 429 Familien 6 jüdische Familien in Montabaur und 1811 8 Familien ( 47 Personen). Um 1871 verdoppelt sich die Anzahl der in Montabaur lebenden Juden nahezu (95 Personen)[Anm. 5].

0.3.Judenschutzbrief

Juden konnten an die deutschen Kaiser eine Schutzsteuer bezahlen, die den kaiserlichen Schutz gewährte. Man erkannte, dass es sich lohnte hohe Abgaben zu beziehen, um sich persönlich zu bereichern.

Ebenfalls konnte das Schutzgeld auch an den territorialen Herrscher verkauft werden. Im Jahr 1599 wurden im trierischen Gebiet, in das Montabaur fiel, zusätzliche Gelder eingefordert. Der Schutz wurde mit einem Brief belegt, der Rechte und Pflichten, wie berufliche Einschränkungen festlegte. Für die Montabaurer Juden war es nahezu unmöglich zu Wohlstand kommen. Eine Urkunde des Stadtarchivs Montabaur erwähnt erstmals um 1696, dass Jüdische Kinder nicht mit anderen Kindern in die gleiche Schule gehen durften, sondern in einer Religionsschule unterrichtet werden mussten. Meist hatte die jüdische Gemeinde nicht genug Geld, um einen eigenen Lehrer zu bezahlen. Zu Berufen, die Juden in Montabaur ausüben durften zählten der Metzger, Weinhändler, Eisenhändler und Viehhändler Beruf. Die Zünfte der Stadt regelten die Mengen, die verkauft werden durften. Laut einer Amtsbeschreibung von 1787 musste die jüdische Bevölkerung in Montabaur viel höhere Abgaben als die Juden von Meudt leisten und wurden zusätzlich durch Berufs- und Handelsbeschränkungen im Raum Kurtrier eingeschränkt.

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0.4.Einweihung der Synagoge

Synagoge Montabaur[Bild: Stadtarchiv Montabaur]

Im Jahre 1691 ist in der Kirchgasse erstmals ein Betraum erwähnt. In diesem konnte die jüdische Gemeinde jedoch nicht lange bleiben, denn die Judenordnung des Kurfürstentums Trier aus dem Jahre 1723 besagte, dass jüdische Häuser mindestens vier Häuser von christlichen Häusern entfernt stehen mussten, daher wurde mithilfe der Anwohner der Kirchstraße ein anderes Gebäude für den Betraum gesucht. 1780 befand sich der Betraum im Vorderen Rebstock 26. Da es an wohlhabenden Gemeindemitgliedern fehlte und eine staatliche Beihilfe abgelehnt wurde, konnte die neue Synagoge erst im Jahre 1888 auf dem Grundstück der Witwe Jakob Löb II in der Wallstraße errichtet und im folgenden Jahr eingeweiht werden.

 

Integrierung bis zum Ersten Weltkrieg

Als das Herzogtum Nassau 1866 an Preußen ging, war die jüdische Bevölkerung in die Gesellschaft integriert. Es gab jüdische Geschäfte, z.B. 1870 ein Konfektionsgeschäft und Juden konnten sich auch im öffentlichen Leben beteiligen. Dies zeigt sich auch bei der Einweihung der Synagoge, denn die israelitische, die katholische, sowie die evangelische Kirche, Land- und Stadtrat feierten dies gemeinsam. Zwischen 1888 und 1929 arbeiteten drei Juden im Stadtrat mit, waren Mitglieder im örtlichen Turn- und Radfahrverein, z.B. Willy Stern. Auch einige Frauen, darunter Fr. Fina Falkenstein, gehörten vor und im Ersten Weltkrieg dem Vaterländischem Frauenverein an und sorgten auch während der Inflationszeit für die Kinder kranker Eltern[Anm. 6]. Nach dem Ersten Weltkrieg erhalten 3 Männer das Eiserne Kreuz, da sie gemeinsam mit Kameraden für „Gott, Kaiser und das deutsche Vaterland" gekämpft hatten. Alle haben dem „Frontkämpferverein“ Montabaur angehört. Dass dennoch ein Vorbehalt vor Juden bestand zeigt eine Judenzählung im Deutschen Heer, die dem Zweck diente jüdische Soldaten an der Front besonders zu melden[Anm. 7].

Montabaur zu Zeit des Nationalsozialismus

0.4.1.Die Situation der jüdischen Bevölkerung

Am 3.4.1933, zwei Tage nach Hermann Görings Erklärung des „Judenboykotttages“, 1.4.1933, wurde auch in Montabaur eine solche Aktion durchgeführt. SA Leute stellten Schilder in jüdischen Geschäften auf dort nicht zu kaufen. Einwohner, die in Läden mit jüdischen Inhabern eingekauft hatten, wurden beschimpft und bedroht. Der Widerstand gegen das Verhalten der SA und die Boykottaktion war jedoch noch hoch. Seit Jahren wählten die Montabaurer Bürger mit Abstand die Zentrumspartei und man stand Hitler und der NSDAP nicht nur ablehnend, jedoch kritisch gegenüber[Anm. 8]. In der lokalen Zeitung entschuldigen sich die „nationalen Verbände“ am 5.3.1933 für die Zwischenfälle[Anm. 9]. Trotzdem gab es im Rahmen des Judenboykotts auch in Montabaur Aktionen, bei denen die NSDAP Orttruppen Geld gesammelt haben, bei denen sich vor allem Montabaurer Geschäftsinhaber mit namenhaften Beträgen beteiligt hatten[Anm. 10]. Bis zum 18.09.1933 gab es in Montabaur keine größeren Zwischenfälle, doch im Laufe des Jahres wendeten sich immer mehr Leute von den jüdischen Familien ab. Durch Überwachungsmaßnahmen, z. B Fotos, von Menschen, die in jüdischen Geschäften eingekauft hatten schüchterten SA Männer die Menschen ein und beschimpften sie. Die nationalsozialistische Zeitung „Der Sturm“, einem Hetzblatt gegen Juden, ging durch Schlagzeilen in einem Zeitungskasten in Montabaur gegen diese vor. Am 18.09 begannen gezielte und aggressive Angriffe gegenüber Juden und judenfreundlichen Einwohnern. Bei der jüdischen Familie Herrmann wurde beispielsweise eine Scheibe eingeworfen. Viele Familien stellen einen Antrag, um auswandern zu dürfen. Die jüdische Familie Sally Stern verkaufte bereits 1935 ihr Hab und Gut und wanderte in die USA aus, nach New York aus. Es gab Quoten, wie viele Menschen der jeweiligen Nationalität in ein Land einwanderen durften. In die USA durften zum Beispiel 35.000 Deutsche pro Jahr einwandern, unter der Voraussetzung, dass dort jemand für die immigrierende Person bürgt.

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0.5.Familie Julius Stern

Der Montabaurer Bürger Julius Stern half mithilfe seines Bruders, der einen einflussreichen Posten in Dakota besaß und für alle Adressen, die ihm Jgeschickt wurden, bürgte, vielen Menschen bei der Ausreise. Da die Einreisequote in den USA ab 1938 schon überschritten worden war, gab es jahrelange Wartezeitenn für die Auswanderer. Die jüdiches Familie Stern durfte selbst nicht mehr ausreisen und wurde im KZ ermordet[Anm. 11].

Reichspogromnacht 10.11.1938

Demkmal der Synagoge[Bild: Stadtarchiv Montabaur]

Wie in vielen Städten Deutschlands wird auch die Synagoge in Montabaur in der Reichspogromnacht, 09.11.1938, in Brand gesteckt. Am Vormittag des 9. Novembers sperrte ein Rollkommando der SA Höhr und Grenzhausen die Wallstraße mit einem Seil ab, besetzte zwei Zimmer im Rathaus und konfiszierte und zerstörte die Inneneinrichtung der Synagoge. Mit der Nachricht des Todes des Gesandten vom Rath drang die SA gewaltsam in Geschäfte und Privatwohnungen ein und verwüstete dies. Gegen 23:00 Uhr legten sowohl Angehörige der SA, als auch Teile der Zivilbevölkerung ein Feuer in der Synagoge. Die Feuerwehr rückte erst am nächsten Tag aus, um die Reste der bereits ausgebrannten Synagoge zu löschen. Der Synagogen-Torso wurde in den 1940er Jahren durch eine Autowerkstatt ersetzt. Heute erinnert eine Gedenktafel an den Standort der Synagoge. Die jüdischen Bürger wurden am Abend der Reichspogromnacht auf den großen Markt getrieben. Sie werden registriert und per Lastwagen nach Kirchähr gefahren, wo sie 3 Tage lang festgehalten werden. Frauen und Kinder durften nach den drei Tagen nach Montabaur zurückkehren[Anm. 12]. Die Männer wurden drei Wochen in ein KZ, viele nach Buchenwald, gebracht, wo sie stark misshandelt wurden. Erst nachdem sie unterschrieben hatten gut behandelt worden zu sein durften auch sie zurückkehren. Die Internierung erfolgte auf Drängen damaligen Landrats Dr. v. Preuschen. Noch vor der Reichskristallnacht bekam Dr. v. Preuschen vom Regierungspräsidenten aus Wiesbaden die Mitteilung die Juden des Kreises zu konzentrieren. Die gewaltsamen Übergriffe der SA nahmen nach der Rückkehr nach Montabaur weiter zu und viele Juden versuchten auszuwandern, was sich durch erschwerte Ausreisebedingungen und einer begrenzten Anzahl an Einreisegenehmigungen z. B in den USA über Jahre hinziehen konnte[Anm. 13]. Sie versuchten sich in den USA, England, Dänemark Australien und Neuseeland neue Existenzen aufzubauen. In Montabaur wurden 1941 die letzten Juden in KZs abtransportiert. Insgesamt fielen 25 jüdische Mitbürger dem Holocaust zum Opfer.

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Verfasserin: Jasmin Gröninger

Erstellt am: 22.01.2015

Literatur:

  • Dick Peter/ Widner Paul: Auf Spuren durch Montabaur, Stadtarchiv Montabaur 2008.
  • Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984.
  • Website der Stadt Montabaur: URL: www.montabaur.de, (Aufruf am 07.11.2014)

Anmerkungen:

  1. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.1. Zurück
  2. Peter Dick, Paul Widner: Auf Spuren durch Montabaur, Stadtarchiv Montabaur 2008. (DVD) Zurück
  3. URL: http://www.montabaur.de/montabaur/de/STADT%20&%20POLITIK/Stadtgeschichte/J%C3%BCdische%20Gemeinde/ (Aufruf am 07.11.2014, 10:00 Uhr). Zurück
  4. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.2, Z. 11. Zurück
  5. Vgl. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.4, 80. Zurück
  6. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S. 5. Zurück
  7. Vgl. Peter Dick, Paul Widner: Auf Spuren durch Montabaur, Stadtarchiv Montabaur 2008, 29:00 min (DVD). Zurück
  8. Vgl. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.5, 83. Zurück
  9. Vgl.Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.8, 109. Zurück
  10. Vgl. Peter Dick, Paul Widner: Auf Spuren durch Montabaur, Stadtarchiv Montabaur 2008, 05:00 min (DVD). Zurück
  11. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.8. Zurück
  12. Peter Dick, Paul Widner: Auf Spuren durch Montabaur, Stadtarchiv Montabaur 2008, 15:00 min (DVD). Zurück
  13. Wild, Markus: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Montabaur, Daudach bei Montabaur 1984, S.7. Zurück