Geschichte Hilgerts
0.1.Vorgeschichtliche Zeit und Antike
Bereits in vorgeschichtlicher Zeit finden sich Spuren menschlicher Existenz um Hilgert. Archäologische Funde von Steinbeilen und Faustkeilen lassen vermuten, dass sich bereits in der jüngeren Steinzeit (5000-2000 v. Chr.) Menschen in der Nähe des heutigen Ortes aufhielten. In der Hallstattzeit (750-500 v. Chr.) waren Kelten in den Regionen östlich des Rheins ansässig, die um 380 v. Chr. zunächst in den oberen Westerwald eindrangen. Das rechtsrheinische Gebiet hingegen wurde seit Mitte 100 v. Chr. ausschließlich von Germanen bewohnt. Während der Rheinüberquerungen Cäsars (55/53 v. Chr.) durchstreiften die germanischen Stämme der Ubier und Sugambrer die Region des vorderen Westerwalds. Zu Hochzeiten des Römischen Reiches verlief vom ersten bis Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. zwei Kilometer südlich der Hilgerter Gemarkung der obergermanisch-raetische Limes. Nach Abzug der Römer in den folgenden beiden Jahrhunderten durchzogen alemanische, fränkische und chattische Stämme den Westerwald.
0.2.Mittelalter
Seit der Frankenzeit (3. Jahrhundert n .Chr.) gehörten weite Teile des Westerwalds zum Königsgut. 773 v. Chr. ist das Hilgerter Gemarkungsgut Teil des Engersgaus. Für den Anfang des 10. Jahrhunderts vermutet man das dieses zunächst ein Teil des Königshofs Nassau war. Es gelangte anschließend durch Schenkung in den Besitz des Erzbistums Trier. In dem zunächst großteilig bewaldeten Gebiet kam es zwischen dem 9. Und 13. Jahrhundert zu ersten dauerhaften Besiedlungen und der Errichtung einzelner Landwirtschaftlicher Höfe. In der gleichen Zeit kommt Hilgert als ursprünglich kurtrierisches Lehen in den Besitz der Herren von Isenburg. Zwischen 1304 und 1310 wurde der isenburgische Besitz dann allerdings infolge eines Erbstreits zwischen Luther von Isenburg-Büdingen und Dietrich von Isenburg-Arenfels geteilt. Letzterer erhielt neben anderen Besitzungen Hilgert. Bedingt durch weitere Erbstreitigkeiten zwischen den zwei Linien des Hauses Isenburg änderte sich die territoriale Zugehörigkeit Hilgerts im 14. Jahrhundert erneut. So erhielt Gerlach II. von Isenburg-Arenfels in einem Teilungsvertrag von 1376 Hilgert und Hilgert wurde Teil der Grafschaft Wied.
0.3.Frühe Neuzeit und 19. Jahrhundert
Am 31. August 1595 wurde die Grafschaft Wied zwischen Wilhelm IV. und Johann Wilhelms geteilt. Johann Wilhelm erhielt dabei die „untere“ Grafschaft zu der auch Hilgert gehörte. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) durchstreiften mehrere Truppenverbände die Gegend um Hilgert. Am 31. Januar 1637 fanden dabei in der Nähe von Hilgert drei Gefechte zwischen dem kaiserlichen Reiterobristen Jan van Werth und Einheiten des Landgrafen Willhelm von Hessen statt. Noch vor Ende des Jahres zogen schwedische Soldaten durch die Umgebung und plünderten Grenzau. Man geht davon aus, dass es in dieser Zeit auch in Hilgert zu Plünderungen gekommen ist. Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 endete schließlich die Schreckenszeit für Hilgert. In dieser Zeit schlossen sich die Kannenbäcker von Hilgert mit denjenigen der benachbarten Orte zu einer gemeinsamen Zunft zusammen.
Mit dem Erlass einer eigenen Zunftordnung durch den Landesherrn 1777 und dem daraus resultierendem Niedergang der Kannenbäcker wurden in der zweiten hälfte des 18. Jahrhundert verstärkt Tonpfeifen produziert. Die Tonpfeifenproduktion sollte zum Markenzeichen Hilgerts werden und noch bis ins 20. Jahrhundert bestehen bleiben. des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) unterstützten die Grafen zu Wied Preußen unter König Friedrich II. Im Krieg selbst wurden die wiedischen Gebiete von französischen Truppen durchzogen. Um deren Angriffe abzuwehren wurde eine kleine preußische Besatzung entsandt, welche allerdings aus der Umgebung und somit auch aus Hilgert versorgt werden mussten. Während der Amtszeit von Fürst Johann August zu Wied endete die wiedische Herrschaft in Hilgert. Aufgrund der Mediatisierungen Napoleons wurde das Fürstentum Wied-Neuwied nach 1806 Teil des Herzogtums Nassau. Auf Verwaltungsebene zählt es nun zum 1808 geschaffenen nassauischen Amt Selters. In den folgenden Jahren wurde die Hilgerter Infrastruktur verbessert und die Gewerbefreiheit eingeführt. Trotzdem wird Hilgert während dieser Zeit als sehr verschuldete Gemeinde beschrieben. 1866 endete Hilgerts Zugehörigkeit zum Herzogtum Nassau. Nach der Niederlage Österreichs im preußisch-österreichischen Krieg, bei dem Nassau auf Seiten Österreichs stand, annektierte Preußen am 20. September 1866 das Herzogtum Nassau. Hieraus wurde anschließend der preußische Regierungsbezirk Wiesbaden gebildet. In den folgenden Jahren kam es mit der Einrichtung einer Poststelle und dem Bau einer Turnhalle zu einer Modernisierung Hilgerts.
0.4.Das 20. Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg verlief für die Hilgerter Bürger ähnlich wie für den Rest der deutschen Bevölkerung. Aus anfänglicher Begeisterung wurde schnell Ernüchterung, da es in Folge von Nahrungsmittelabgaben an das Heer im Laufe der Zeit zu massiven Versorgungsengpässen in Hilgert kam. Am Ende des Krieges hatte Hilgert 31 tote Soldaten zu beklagen. Hiernach wurde die „Zone de Coblence“ zu der auch Hilgert gehörte gebildet und vom Oberkommandierenden der alliierten Truppen, dem französischen Marschall Ferdinand Foch, den Amerikanern zugewiesen. Nach kurzer amerikanischer Besatzungszeit wurde Hilgert am 19. August 1919 geräumt. Während der ersten Jahre der Weimarer Republik änderten sich auch in Hilgert die Lebensverhältnisse der Menschen. Nach der Hyperinflation von 1923 schloss sich eine kurze Ruhephase an, die mit einem völligen Konjunktureinbruch im Herbst 1925 abrupt beendet wurde. Dieser verstärkte sich mit dem Schwarzen Freitag vom 25. Oktober 1929 zusätzlich. Dies hatte zur Folge, dass im Winter 1931/32 im Westerwald 3721 Menschen arbeitslos waren.
Die daraus resultierende Unzufriedenheit der Hilgerter Bevölkerung wurde vor allem an ihrer politischen Gesinnung deutlich. So kam Hilgert mit Gründung der ersten Ortsgruppe der NSDAP im Unterwesterwaldkreis am 21. August 1930 eine Vorreiterrolle zu. Zudem wurden im Anschluss Ortsgruppen der HJ und des BDM ins Leben gerufen. Aber auch in den Wahlergebnissen schlug sich dieser politische Trend nieder. Bei der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 entfielen 371 und damit 84,1% der Hilgerter Stimmen auf die NSDAP. Hauptursachen für den großen Zulauf der NSDAP in Hilgert waren Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden schlechten Lebensverhältnisse. Als soziale Absteiger der Weimarer Republik wurden die Hilgerter Bürger besonders angesprochen und hofften durch Hitler auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. In Folge der Machtergreifung der NSDAP verbesserte sich die wirtschaftliche Situation Hilgerts mit der Geburtsstunde des „Luftkurorts“ Hilgert 1934. Der deutsche Angriff auf Polen am 1. September 1939 sollte den wirtschaftlichen Aufschwung Hilgerts bereits wieder beenden. Die Anschließende Anpassung des Wirtschaftssystems an die Bedürfnisse des Krieges hatte starke Einschränkungen bei den täglichen Gebrauchsgütern zur Folge. 1941 wurde das damalige Reichsautobahnlager in Hilgert mit Kriegsgefangenen aus den europäischen Staaten belegt. Zu dieser Zeit wurde auch die Hilgerter Jüdin Johanna Kirchner nach vorheriger Schutzhaft in das Konzentrationslager Ausschwitz gebracht. Vom Bombenkrieg bleib Hilgert jedoch weitestgehend verschont. Lediglich zwei Gebäude wurden während der Dauer des Krieges zerstört. Allerdings wurde in einem Schreiben vom 2. September 1944 die sofortige Herstellung der Verteidigungsbereitschaft des Westerwalds befohlen infolge derer Hilgert bis zum nächsten Tag sechs Männer abmarschbereit zur Verfügung stellen musste. Während des Volkssturms wurden in Hilgert hingegen keine weiteren Einberufungen vorgenommen. Mit dem Einmarsch amerikanischer Infanterietruppen am 26. März 1945 ging die Herrschaft der Nationalsozialisten in Hilgert zu Ende.
Nach Kriegsende wurde Hilgert von amerikanischen Streitkräften besetzt. Als der alliierte Kontrollrat am 5. Juni 1945 die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen beschloss, erhielt Frankreich unter anderem den Raum Koblenz und somit Hilgert. Dieses wurde am 30. August 1946 Teil des neu geschaffenen „rheinpfälzischen Landes“. Mit dem Inkrafttreten der „Landesverordnung zur politischen Säuberung im Land Rheinland-Pfalz“ am 17. April 1947 begann in Hilgert die Entnazifizierung der Nachkriegsjahre. Da die Hilgerter Bürger solidarisch füreinander aussagten wurden die meisten Mitglieder der NSDAP in Hilgert als Mitläufer eingestuft und lediglich mit geringen Geldbußen belegt. Selbst der ehemalige Ortsgruppenleiter Otto Richter wurde nach seiner Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft nur geringfügig bestraft. In den Nachkriegsjahren wurde die Tonpfeifenherstellung nur geringfügig wieder aufgenommen, bis 1988 der letzte Hauptberuflich arbeitende Pfeifenbäcker seine Tätigkeit beendete. Ebenso ist für die Folge Jahre eine Verschiebung der Arbeitstätigkeit von landwirtschaftlichen zu industriellen Tätigkeiten zu beobachten. 1957 wurde der während des Zweiten Weltkriegs ausgesetzte Bau der Autobahn bei Hilgert wiederaufgenommen und 1961 fertiggestellt. Der Ausbau des seit 1971 Teil der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen gewordene Orts Hilgert dauert noch bis in die heutige Zeit an.