Hunsrück

0.14. Namen

0.1.14.2. Keltische Gewässer- und Ortsnamen

Die Behandlung von Gewässer- und Ortsnamen wird in einem Werk, das den Dialekt zum Gegenstand hat, nicht unbedingt erwartet. Wenn an dieser Stelle dennoch speziell keltisches Namengut – exemplarisch und relativ kurz – zum Thema wird, dann geschieht das, um einerseits die frühe Besied­lung unseres Gebietes sprachgeschichtlich zu untermauern und andererseits die historische Tiefe unserer Sprache ins Bewusstsein zu rufen. Über das Keltische im Deutschen hat in einem Überblick Kap. 6.2. gehandelt – darauf sei verwiesen. Hier steht die Deutung von Gewässer- und Ortsnamen im Vordergrund.

Baybach, Hausbay, Rheinbay

Der Baybach entspringt im Hunsrück bei Hausbay (Verbandsgemeinde Emmelshausen) und mündet bei Burgen (Verbandsgemeinde Rhein-Mosel) in die Mosel. Der zweite Teil des Ortsnamens Hausbay ist von dem Gewässernamen abgeleitet. Es gab im Hunsrück ein weiteres Flüsschen gleichen Namens, das außerdem Beyer­bach genannt wurde. Heute heißt es Weilerbach. Südlich von Bad Salzig (Ortsteil von Boppard) fließt es in den Rhein. Der Ort Rheinbay (ebenfalls zu Boppard) ist nach diesem Gewässer benannt. Beide Was­serläufe und die heutigen Orte Hausbay und Rheinbay hießen ursprünglich identisch Beie. Das Wort geht wohl auf keltisch *bāgiā ʻBuchenwald’ zurück. Demnach ist die keltische Bezeichnung für ein Waldgebiet auf die dort entspringenden Bäche übertragen worden.

Boppard

Die am Rhein liegende Stadt Boppard ist eine keltische Gründung. Um 300 lautete der Ortsname Boudobrica. Es handelt sich hierbei um ein zweiglied­riges Kompositum, das aus dem keltischen Per­sonennamen Boudos sowie briga, dem keltischen Wort für ʻBerg, Burg’ zusammengesetzt ist. Der Orts­name bedeutet also ursprünglich ʻBurg des Boudos’.

Dhron, Dhronecken, Bischofsdhron, Gräfendhron

Die Dhron ist ein Wasserlauf, der im Idarwald bei Hinzerath (Ortsteil von Morbach) entspringt. Er mündet bei (Neumagen-)Dhron (Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues) in die Mosel. Ein Nebenfluss der Dhron heißt Kleine Dhron. Die Ortsnamen Dhron, Bischofsdhron (Ortsteil von Morbach) sowie Dhron­ecken und Gräfendhron (beide Verbandsgemeinde Thalfang) leiten sich von dem Gewäs­sernamen ab. (Die erste Komponente von Bischofsdhron und Gräfendhron verweist jeweils auf den mittelalterlichen Grundherrn des Ortes.) Dem Na­men Dhron liegt der keltische Flussname *Drogonā oder *Drogonos zu­grunde. Er beinhaltet jeweils die keltische Wortwurzel *drogo-, die ʻRad’ bedeutet. Demnach ist das Flüsschen nach dem talwärts wild wirbelnden Wasser benannt.

Kell (am See), Hermeskeil

Der Ort Kell am See liegt im Naturpark Saar-Hunsrück. Seine Lage in wald­reicher Umgebung zwi­schen Osburger und Schwarzwälder Hochwald liefer­te den Kelten das Motiv für die Namengebung. Kell leitet sich nämlich von keltisch *kallī ʻWald’ ab. Das Wort für ʻWald’ wurde demnach auf den Ort übertragen.

Nicht minder waldreich ist die Gegend um die nur wenige Kilometer von Kell entfernte Stadt Hermeskeil. Auch in ihrem Namenbestandteil ‑keil findet sich das genannte keltische Wort für ʻWald’. Das erste Glied Hermes- geht auf den Personennamen Hermann zurück. Der Ortsname ist also als ʻHermanns Wald’ zu deuten.

Die sprachgeschichtlich-etymologische Zusammengehörigkeit von Kell und (Hermes)keil tritt deutlicher zutage, wenn man ältere Belege der beiden Ortsnamen miteinander vergleicht. Für Kell ist aus dem Jahr 1330 die Na­menform Kelde überliefert und ungefähr zeitgleich ist für Hermeskeil die Schreibung Hermannskelde bezeugt.

Kirn, Kirchberg, Kyrbach, Kehrbach

In der Stadt Kirn mündet, vom Hunsrück kommend, der Hahnenbach in die Nahe. Bis ins 16. Jahrhundert hieß er Kirbach. Der Ortsname bezieht sich auf diesen Gewässernamen. Der Hahnenbach entsteht durch den Zusammenfluss von Idarbach und Kyrbach, der abschnittsweise auch Kehrbach heißt. Die Na­men Kirbach, Kyrbach und Kehrbach gehören etymologisch zusammen. Ihnen liegt der keltische Fluss­name Kira zugrunde. Dieser geht auf ein in­dogermanisches Wort zurück, das eine dunkle Farbe bezeichnet (vgl. mittel­irisch ciar ʻdunkelbraun’ und ciru ʻPechkohle’). Die drei Gewässernamen sind demnach als ʻSchwarzbach’ zu deuten. Der Name bezieht sich auf das die Landschaft prägende Schie­fergestein. Auch in der ersten Komponente des Ortsnamens Kirchberg könnte keltisch Kira stecken. Kirchberg wäre dann als ʻSiedlung auf einem Berg an einem dunklen Gewässer’ zu erklären. (Eine konkurrierende Deutungsmöglichkeit sieht in Kirchberg einen ʻBerg, auf dem die Kirche eines Kirch­spiels steht’.)

Simmerbach, Simmern, Simmertal

Der Simmerbach entspringt im Hunsrück bei Laudert (Verbandsgemeinde Sankt Goar-Oberwesel). Er durchfließt u. a. die Kreisstadt Simmern und mündet bei Simmertal (Verbandsgemeinde Kirn-Land) in die Nahe. Die beiden Ortsna­men beziehen sich auf das Flüsschen. Dieses hieß im Mittelalter zunächst Simera, dann Simmer. Die Orte Simmern und Simmertal waren nach dem Gewässer be­nannt und hießen entsprechend ursprüng­lich Simera. Um beide Siedlungen zu unterscheiden, wurde Simmern auch Alt(en)-Simmern und Sim­mertal Simmern unter Dhaun genannt. Der letztgenannte Name galt, bis der Ort 1971 in Simmertal umbenannt wurde. (Der Zusatz unter Dhaun verwies auf die benachbarte Höhenburg mit diesem Na­men.) Es ist nicht sicher, ob der Name Simera germanischen oder keltischen Ursprungs ist. Im ersten Fall wäre die germanische Wortwurzel *sim- mit der Bedeutung ʻMeer’ anzusetzen, im zweiten eine kelti­sche Wurzel, die im Altirischen als sem- erscheint und ʻgießen, schöpfen, erzeugen’ bedeutet.

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