Hunsrück

0.9. Dialektgrammatik

Die Grammatik der Standardsprache ist normiert und ebenso ist es die Or­thographie. Das heißt, es ist genau festgelegt, wie Sätze gebildet sein müs­sen, damit sie als korrekt gelten, und wie die Schreibung der Wörter zu er­folgen hat, kurz: wie das Hochdeutsche fehlerfrei zu handhaben ist. Die Aussprache­norm (Orthoepie) wurde bereits kurz erwähnt (vgl. Kap. 7.). Sie gibt vor, wie das gesprochene Hochdeutsch zu lauten hat. Nach ihr richten sich beispielsweise die Nachrichtensprecher im Rundfunk beim Verlesen der Texte. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gelten verschiedene Aussprachenormen, die die regionalen Sprachgewohnheiten berücksichti­gen.

Auch der Dialekt hat Sprachregeln. Er ist keinesfalls normfrei und steht in dieser Hinsicht dem Standarddeutschen prinzipiell nicht nach. Es ist ein Irrtum anzunehmen, im Dialekt könne man reden, wie es einem passt. Es gibt eine Richtschnur für Lautung und Grammatik, auch wenn der Normie­rungsgrad nicht so hoch ist wie beim Standard. Der Bereich, der für den Dialekt überhaupt nicht geregelt ist, ist die Schreibung. Dialekte existieren nur in gesprochener Form, sie sind nicht dazu gedacht, geschrieben zu wer­den. Deshalb haben sie keine Orthographie entwickelt. Wenn Mundartauto­ren schriftliche Texte verfassen, können sie nicht auf festgelegte Schreibre­geln zurückgreifen, sie versuchen daher die Dialektlautung mit den Mitteln der „normalen“ Rechtschreibung möglichst exakt wiederzugeben.

Die Grammatik eines Dialekts kann wissenschaftlich untersucht und beschrieben werden. Die ers­te Publikation dieser Art erschien 1821 unter dem Titel „Die Mundarten Bayerns grammatisch darge­stellt“. Der Verfasser Johann Andreas Schmeller (1785-1852) hat mit diesem Werk die Dia­lektfor­schung begründet. Seitdem erschienen unzählige Orts- und Gebiets­grammatiken für den gesamten deutschen Sprachraum. Für den Hunsrück, der bisher nicht so gründlich erforscht wurde, seien exem­plarisch zwei Un­tersuchungen genannt, und zwar: „Die Mundart von Beuren“ von Anna Peetz (1989) sowie „Die Mundart von Horath (Hunsrück)“ von Elvira Reu­ter (1989). Das vorliegende Buch kann – wie gesagt (vgl. Kap. 1.) – keine vollständige Grammatik der Hunsrückregion liefern. Ziel ist es viel­mehr, typische Merkmale und charakteristische Elemente der Dialekte auf­zu­zeigen. In der Summe fügen sich aber die in den folgenden Kapiteln bear­beiteten Themen zu einem grammatischen Handbuch, das die wichtigen Kennzeichen des Hunsrücker Platt zusammenfasst.

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