Zur Geschichte von Bad Marienberg
0.1.Frühe Geschichte
Steinzeitliche Funde bei Bad Marienberg[Anm. 1] belegen, dass der markante Bergsporn zwischen Schwarzer Nister und Zeilerbach, auf der heute noch die Kirche steht, vielleicht schon in der Latènezeit (die Zeit zwischen ca. 450 vor Christus bis zur Zeitenwende) besiedelt war.[Anm. 2]
Es bleibt reine Vermutung, dass auf dem Berg in vorchristlicher Zeit ein Bethaus, ein sog. »oratorium« gestanden hat. Man nimmt aber an, dass auf der strategisch günstigen Bergkuppe in karolingischer Zeit (751- ca. 1000) ein befestigter Hof, eine sog. »curtis« gestanden haben könnte. Die Tatsache, dass die Herborner Kirche, zu dessen Pfarrbezirks die Kirche in Marienberg bis 1231 gehörte, ein weiterverliehen Lehen (sog. Afterlehen) des Deutschen Reiches war, stützt die Ansicht, dass die Ursprünge Marienbergs in einer solchen Hofanlage zu suchen ist. Innerhalb dieses Hofes mag zu einem unbekannten Zeitpunkt ein erstes hölzernes Kirchengebäude gestanden haben, dass um das Jahr 1100 von einem Steingebäude ersetzt worden sei. Die heute noch auf der südlichen Seite erhaltenen mächtigen Kirchhofsmauern sind Reste einer Hofbefestigung, hinter dessen Mauern sich die Menschen in Notzeiten zurückziehen konnten, die sich im Umkreis des Hofes angesiedelt hatten. Die Wehrmauern wurden später immer weiter abgetragen und sind heute fast völlig verschwunden.[Anm. 3]
0.2.Marienberg zwischen 1258 und 1343
Als am 6. Januar 1258 Marienberg als »mons sanctae Marie« als Berg der hl. Maria zum ersten Mal genannt wurde,[Anm. 4] gehörte der Ort zur sog. Herrschaft im Westerwald, die den Grafen von Nassau unterstand. Einzelne Hoheitsrechte waren allerdings umstritten. Denn am 6. Januar 1258 einigten sich Graf Otto von Nassau (vor 1251-1289/90) und Siegfried IV. von Runkel, Herr in Westerburg († 1266) darauf, dass sie in den Gerichten Marienberg (montis s. Marie) und Emmerichenhain (Embirchinha) in Zukunft die Fischerei und den Wildbann gemeinsam besitzen sollten. Dem Nassauer sollten die »Weytirslude« (Leibeigene?) und das Verfügungsrecht über die Grundstücke zustehen, die sich im Besitz des Gerhard von Wildenburg.[Anm. 5] befanden. Siegfried sollte die sog. Landbede, eine auf dem Land fällige Steuer, erhalten, allerdings nur als nassauisches Lehen oder als nassauisches Pfand. Wollte er sich nicht darauf einlassen, musste er die Landbede dem Grafen Otto frei überlassen. Siegfried schwor dem Nassauer Hilfe gegen den Grafen Johan von Sponheim-Starkenburg (1206-1266), dem Erben der Grafschaft Sayn und dessen Helfershelfern.
Dem der Maria geweihten Heiligenberg hat die Gemeinde ihren Namen zu verdanken. Schon damals hat es vielleicht eine Quelle gegeben, die später der »Helleborn« oder »Heilischeborn« genannt wurde. Genannt wird die Marienquelle allerdings erst seit ca. 1830.
Die nassauischen Landesteile nördlich der Lahn und damit auch die Herrschaft zum Westerwald waren in der sog. ottonisch-walramischen Bruderteilung von 1255 an Graf Otto I. von Nassau (1247-1290) gefallen.[Anm. 6] Vielleicht war es schon Graf Otto I., der die Herrschaft zum Westerwald dem Kölner Erzstift zu Lehen aufgetragen hat. Jedenfalls werden die Dörfer Marienberg, Emmerichenhain und Neukirch später, bekannt ist das allerdings erstmals 1464, als kurkölnische Lehen bezeichnet.[Anm. 7] Die Grafen von Nassau besaßen aber ohne jeden Zweifel damals schon, ebenfalls als kölnische Lehnsmannen, die hohe Gerichtsbarkeit in der Herrschaft zum Westerwald.[Anm. 8]
Nach einer weiteren Teilung 1303 kam die Herrschaft zum Westerwald zusammen mit Siegen, Ginsburg und Haiger an den Sohn Ottos I., Graf Heinrich I./III. (1289/90-1343) und war nun Teil des Hauses Nassau-Siegen (seit 1306 Nassau-Dillenburg).
0.3.Unter den Grafen von Nassau-Beilstein
Als Graf Heinrich I./III. von Nassau-Dillenburg 1343 verstarb, wurde die Grafschaft unter seinen Söhnen aufgeteilt. Sein Sohn Graf Heinrich I. erhielt als erster Graf von Nassau-Beilstein (1343-1378/80) Beilstein, Mengerskirchen, Burg Eigenberg, Liebenscheid sowie die Herrschaft zum Westerwald. Seit dieser Zeit wurde Marienberg mit Emmerichenhain und Neukirch von einem Amtmann in Beilstein verwaltet.[Anm. 9]
Am 20. Mai 1396 regelte Graf Heinrich II. von Nassau-Beilstein (1378/80-1412) mit Reinhard II. von Westerburg (lebte 1354-1421) bzw. Dietrich III. von Runkel († 1402) ihre nach wie vor strittigen Rechte in der Herrschaft zum Westerwald.[Anm. 10] Damals wurden Wasser, Weide, Gebot und Verbot (das Recht zu gebieten und zu verbieten) sowie die Kirchensätze zu Emmerichenhain, Marienberg und Neukirch dem Grafen zugesprochen. Reinhard und Dietrich sollten außer einem Anteil an der Jagdgerechtigkeit und der Fischerei auch die Hälfte der Mai- und Herbstbede erhalten.
Am 1. August 1425 kam es erneut zur Teilung der Grafschaft Nassau-Beilstein. Johann I. von Nassau-Beilstein (1412-1473) erhielt Burg Beilstein und Mengerskirchen, zwei Drittel vom Anteil seines Hauses an Nassau, und zwei Drittel von der Herrschaft im Westerwald, Lehen des Erzstiftes Köln, Geldzinse und die Hälfte der Leibeigenen in der Herrschaft, nebst der Hälfte vom Zoll zu Emmerichenhain und Neukirch. Graf Heinrich III. von Runkel sollte ein Drittel der Grafschaft und die Burg Liebenscheid erhalten. Der dritte Bruder Wilhelm, Dompropst in Mainz, wollte auf seinen Anteil verzichten.[Anm. 11]
Aus den Weistümern der Herrschaft zum Westerwald[Anm. 12], zu der Marienberg nach wie vor gehörte, geht hervor, dass den Grafen von Nassau-Beilstein als obersten Herren nach wie vor jegliches Weisungsrecht (Gebot) zustand: Alle Bewohner, auch die Marienbergs, waren zur Kriegsfolge verpflichtet, wenn Feinde ins Land einfielen (belegt 1427), bei Fehde und Waffenlärm, am 2. Tag allerdings auf Kosten des Grafen (1456), sie mussten Wachdienste übernehmen (1427), sich am Bau der Landwehr mit Gräben und Toren (1456) sowie der Flurzäune und Tore (1495) beteiligen. Sie mussten dreimal im Jahr beim Grafengericht erscheinen (1427). Sie hatten sich nach Aufforderung an der Verteidigung der nassau-beilsteinischen Burgen zu beteiligen und mussten einen bzw. zwei Tage beim Bau gräflicher Wehrbauten helfen. Alle in der Herrschaft lebenden Menschen mussten jährlich Geld für Wasser und Weide zahlen, Fuhrfahrten an den Rhein unternehmen, Landfutterhafer (1427), Weidehühner und Weidehämmel (1440) liefern und 1427 je einen Tag im Frühjahr pflügen und in der Erntezeit mähen.[Anm. 13] Wenn man auch nicht sagen kann, wie häufig die Marienberger zu dieser und jener Pflicht herangezogen wurden, sind wohl doch jedes Jahr beachtliche Kosten entstanden, musste enormer Aufwand betrieben werden.
Die Wehrmauern um die Marienberger Kirche dienten Mitte des 15. Jahrhunderts immer noch als Rückzugsort. Die den Angreifern zur Verfügung stehenden Mittel überwanden die alten Mauern aber schnell. Mitte des Jahrhunderts war eine Fehde zwischen den Graf Johann von Nassau-Beilstein (1418-1467) und Graf Dietrich von Sayn (1419-1452) entstanden. Um das Jahr 1440 überfielen saynische Truppen von Hachenburg aus Marienberg, verwüsteten Kirche und Kirchhof und nahmen den nassau-beilsteinische Knecht Henne, den Wirt, gefangen, der damals vielleicht als Leiter des Marienberger Kirchspielgerichts fungierte. Henne wurde geschlagen, gefangen nach Hachenburg gebracht und dort ermordet.[Anm. 14]. Zugleich verboten die Grafen von Sayn ihren in Marienberg lebenden Eigenleuten, der Herrschaft Nassau-Beilstein landesherrliche Abgaben zu zahlen und Dienste zu leisten.[Anm. 15] In dieser Zeit kam der in saynischen Diensten stehende Ritter Gerhard von Selbach mit Helfern nach Marienberg und ließ die Knechte des Grafen von Nassau auf dem Kirchhof »wund« schlagen.[Anm. 16] Ebenfalls um 1440 drangen saynische Leute aus Hachenburg in das Haus des Wirts von Marienberg ein, schlugen dessen Ehefrau Dilgen, plünderten und raubten Geld.[Anm. 17] Im gleichen Jahr 1440 drang Ritter Gerhard von Selbach mit dem saynischen Knecht Andres erneut in den Kirchhof ein und verletzte dort einen nassauischen Knecht.[Anm. 18]
Seit dem Jahr 1533 hielt die Reformation Einzug in der Grafschaft Nassau Dillenburg, die im Jahr 1563 dann auch Marienberg erreichte.
0.4.Die Grafen von Nassau-Dillenburg und Nassau-Diez
Mit dem Tod Johanns III. von Nassau-Beilstein (1495-1561) fiel die Grafschaft Nassau-Beilstein und die Herrschaft zum Westerwald 1561 an die Zweiglinie Nassau-Dillenburg. Graf Johann VI. (der ältere) von Nassau-Dillenburg (1559-1606) trat das Erbe an. Damit waren die ottonischen Stammlande, d. h. die deutschen Besitzungen, erstmals wieder vereint - wenn auch nur für kurze Zeit.
Der Nassau-Beilsteiner Landesteil fiel nach dem Tod Graf Johanns VI. an seine Söhne. Im Rahmen einer komplizierten Besitzteilung (1607/1620) erhielt Georg von Nassau-Dietz (1607-1623) u.a. die Herrschaft Beilstein mit Marienberg, Beilstein, Nenderoth, Emmerichenhain, Neukirch, Liebenscheid.[Anm. 19] Daraus entstand eine neue Grafschaft Nassau-Beilstein. Graf Georg von Nassau-Beilstein (lebte 1562-1623) ließ das Schloss in Beilstein ausbauen und erwarb von den Grafen von Leiningen-Westerburg und von Wied-Runkel Zehnten und grundherrliche Einkünfte, die diese auch im Kirchspiel Marienberg nach 1587 als Eigengut behalten hatten. Als er im Jahr 1620 den Landesteil Nassau-Dillenburg übernahm, behielt er diese Einkünfte, die seitdem an die Kellerei Driedorf entrichtet werden mussten.[Anm. 20]
Mit dem Amt Beilstein wurde im Jahr 1620 auch Marienberg der Grafschaft Nassau-Diez zugeteilt. Die Grafen, seit 1655 Fürsten von Nassau-Diez hielten sich fast ständig in den Niederlanden auf. Als Fürst Wilhelm IV. von Nassau-Oranien (lebte 1711-1751) in seinem Edikt von 1742 die Vereinigung der nassau-oranischen Fürstentümer vollzog, wurde die Verwaltung der Stammlande von einer Regierung in Dillenburg verwaltet. Dies betraf auch das Amt Marienberg.[Anm. 21]
Nachdem er bereits seinen niederländischen Besitz aufgeben musste, verlor Prinz Wilhelm V. Friedrich von Nassau-Oranien (lebte 1748-1806) im Jahr 1806 auch den oranisch-nassauischen Besitz, als er sich weigerte, dem Rheinbund beizutreten.
0.5.Marienberg zwischen 1906 und 1914
Im Zuge der napoleonischen Politik fielen die vereinigten Fürstentümer Diez, Dillenburg, Hadamar und Siegen an das auf Betreiben Napoleons neu gegründete Großherzogtum Berg. So kam auch das Gebiet mit Marienberg zum Großherzogtum. Als der Großherzog Joachim Murat von Kleve und Berg (reg. 1806-1808) im Jahr 1808 König von Neapel wurde, übernahm Kaiser Napoleon, zwischen 1806 und 1813 Protektor des Rheinbundes, selbst das Großherzogtum. Gemäß der französischen Munizipalverwaltung wurde das Gebiet ab 1809 dem Département Siegen, dem Arrondissement Dillenburg und dem Kanton Rennerod zugewiesen. Der Kanton Rennerod bestand aus den Mairien Rennerod, Marienberg, Höhn und Emmerichenhain.
Zum Ende des Jahres 1813 nahm Prinz Wilhelm I. von Nassau-Oranien (lebte 1772-1843) seine deutschen Stammlande wieder in Besitz. Das Kirchspiel Marienberg mit den Landesteilen im Westerwald kam im Jahr 1815 durch Gebietstausch an das vereinigte Herzogtum Nassau. Somit gehörte Marienberg zwischen 1815 und 1866 zum Herzogtum Nassau.[Anm. 22]
Nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen, wurde das Herzogtum Nassau, das sich auf die Seite Österreichs gestellt hatte, im Jahr 1866 von Preußen annektiert. Das Land wurde als Regierungsbezirk Wiesbaden Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau.[Anm. 23]
0.5.1.Feuer im Oberdorf 1874
Als am 18. Juli 1874 Marienberg von einem Großfeuer heimgesucht wurde, legten die Flammen fast ganz Obermarienberg in Schutt und Asche. Nur die Pfarrkirche, das Gasthaus »Zur Schönen Aussicht« und einige andere Gebäude blieben vom Feuer verschont. Zwei Kinder hatten mit Streichhölzern gespielt und eine Scheune in Brand gesetzt. Der Funkenflug ließ das Feuer auf die damals üblichen Strohdächer überspringen. Innerhalb kürzester Zeit standen Dutzende Gebäude in Flammen. Die durch die Sturmglocken herbeigerufenen Mannschaften konnten die Häuser nicht retten. Sie mussten das Löschwasser mühsam von weit entfernten Amtsbrunnen den Berg hinaufschaffen. Die »Feuerwehr« konnte aber verhindern, dass sich das Feuer noch weiter ausdehnte. Erst gegen Abend war der Brand unter Kontrolle. Viele Bewohner, die zumeist nicht versichert waren, hatten alles verloren. Die Nachbarschaftshilfe, die sofort einsetzte konnte lediglich die größte Not etwas lindern. Im Laufe der Jahre wurden die Häuser wieder aufgebaut. Seit dieser Zeit durften Hausdächer nicht mehr mit Stroh gedeckt werden.[Anm. 24]
0.5.2.Nachrichten aus Marienberg
Die Zeit nach der Beendigung des Krieges mit Frankreich (1871) und dem Beginn des 1. Weltkrieges (1914) ließen im bisher überwiegend landwirtschaftlich geprägten Marienberg Handel und Gewerbe sowie seit ca. 1900 den Tourismus aufblühen. Auch die Gewinnung von Braunkohle und Basalt bot neue Arbeitsplätze.
Noch vor der Jahrhundertwende (1896/97) erhielt Marienberg mit der Hochdruckwasserleitung eine erste zentrale Wasserversorgung. Fast gleichzeitig wurde am Ortsausgang nach Stockhausen-Illfurth ein Elektrizitätswerk für die Versorgung der Haushalte mit Strom errichtet. Im Jahr 1903 wurde Marienberg Badeort. Der Weiher auf der Viehweide oberhalb des Ortes war als Schwimmbad eingerichtet worden. Der Überlauf aus der Hochdruckwasserleitung lieferte das notwendige Wasser. Für Frauen und Männer wurden getrennte Badezeiten festgelegt. Im Jahr 1932 entstand ein neues Schwimmbad an der Straße nach Stockhausen-Illfurth.[Anm. 25] Wenig später (1907) wurde Marienberg auch an das entstehende Eisenbahnnetz angeschlossen.[Anm. 26]
0.5.3.Das Krankenhaus
In den Jahren 1904/1905 (Erweiterungsbau 1927) entstand in Marienberg ein Krankenhaus, das sich rasch eines guten Rufes erfreute. Es gehörte von 1907 bis 1967 der Paulinen-Stiftung in Wiesbaden. Im Jahr 1976 musste das Krankenhaus stillgelegt werden. Dem eigens gegründeten »Krankenhaus-Verein Bad Marienberg e.V.« gelang es, das Mutterhaus »Friedenswarte« in Bad Ems für die weitere personelle Besetzung des Krankenhauses zu gewinnen. Doch im Jahr 1976 musste das Krankenhaus dann endgültig seine Pforten schließen. Die Stadt übernahm das Gebäude und verkaufte es an Otto Bartling. Dieser eröffnete im alten Krankenhaus das psychiatrische Nachsorgewohnheim »Haus am Geisberg"«.[Anm. 27]. Heute gefindet sich das »Haus am Geisberg« in der Trägerschaft der AWO Gemeindepsychiatrie gGmbH.
0.5.4.Die Post
Früher wurden auf dem Land die seltenen Briefschaften von reitenden oder zu Fuß gehenden Boten befördert. Eine erste »staatliche« Postverbindung erhielt Marienberg um das Jahr 1800, zweimal pro Woche brachte ein Bote des Herzoglich Nassauischen Amtes die Post nach Mengerskirchen und holte gleichzeitig die für Marienberg bestimmte Post ab. Im Jahr 1858 wurde eine Postexpedition in Marienberg eingerichtet. Als erster Postexpediteur ist Wilhelm Held überliefert. Zur gleichen Zeit erfolgte die Einrichtung einer Fahrpost zwischen Marienberg, Hachenburg und Rennerod. Im Jahr 1875 wurde aus der Postexpedition ein Postamt, bei dem eine Telegraphenstelle eingerichtet wurde, im Jahr 1899 kam eine Fernsprechvermittlung hinzu. Anfangs gab es lediglich zwei Teilnehmer. Im Jahr 1902 wurde das in der Bismarckstraße erbaute Postgebäude bezogen. Von den zehn Bediensteten waren einige als Landbriefträger tätig. Die letzte Postkutsche fuhr im Jahr 1907 nach Burbach, im Jahr 1929 übernahmen Postkraftwagen die Postzustellung innerhalb des Einzugsgebietes. Damals waren 25 Postbedienstete im Postamt beschäftigt. Nach etlichen Änderungen im Verwaltungsaufbau und der Einführung weiterer Neuerungen, verlor das Marienberger Postamt im Jahr 1960 seine Selbständigkeit und wurde dem Postamt in Westerburg unterstellt.[Anm. 28]
0.6.Marienberg zwischen 1914 und 1933
Von direkten kriegerischen Ereignissen während des 1. Weltkrieges (1914-1918) blieb das fern der Schlachtfelder in Frankreich und Russland liegende Marienberg verschont. Dank der guten Ernte des Jahres 1914 gab es auch keine größeren Versorgungsschwierigkeiten. Die Begleiterscheinungen des Kriegs waren aber auch in Marienberg zu spüren: Arbeitseinsatz in kriegswichtigen Betrieben, Sammlung von Materialen für die Kriegswirtschaft, Naturalabgaben, wie etwa Wildfrüchte und Heilkräuter für die Front waren auch in Marienberg ein bekanntes Thema. Französische Kriegsgefangene, die teilweise mehr als drei Jahre in Marienberg festgehalten wurden, halfen bei der Landarbeit. Das kommunale Leben im Ort kam in den Kriegsjahren weitgehend zum Erliegen. Alles konzentrierte sich auf das ferne Kriegsgeschehen, zumal Marienberger Familien davon direkt betroffen waren: 46 Marienberger verloren ihr Leben auf den Schlachtfeldern des Krieges. Ihnen wurde auf dem Friedhof eine Gedenktafel errichtet, das nach dem 2. Weltkrieg wieder entfernt wurde.[Anm. 29]
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten konnten in der Nachkriegszeit rasch überwunden werden. Trotz Inflation setzte sogar ein rege Bautätigkeit im Ort ein: Neue Häuser entstanden, die Bismarckstraße wurde gepflastert. Auch der Bergbau erlebte eine verhaltene Blüte. In den 1930er Jahren gewann der Tourismus wieder an Bedeutung. Dies wirkte sich günstig auf andere Geschäftszweige aus. Die Besucher kamen in neuen Hotels, in Gasthäusern und bei Privatpersonen unter. Im Jahr 1911 gab es das »Hotel Ferger« und das Hotel «Westerwälder-Hof«, bekannte Gasthöfe waren das Haus »Zur Post« und »Zum Bahnhof«.[Anm. 30] Viele Unternehmen profitierten davon, dass die Gäste verpflegt werden mussten und Dinge des täglichen Bedarfs und anderes in Marienberger Geschäften einkaufen. Im Jahr 1932 wurde wieder eine katholische Kirche in Marienberg gegründet, um den ortsansässigen Katholiken und den katholischen Besuchern Marienbergs den Besuch eines Gottesdienst zu ermöglichen.
Zwar hatte sich der Abzug der Kreisverwaltung im Jahr 1932 auch wirtschaftlich negativ ausgewirkt, aber Marienberg stand eigentlich recht gut da. Dank des reichhaltigen Angebots hatte Marienberg auch für die Bewohner des Umlands Mittelpunktfunktion. In Marienberg konnte man seine Bankgeschäfte erledigen, das Krankenhaus genoss einen ausgezeichneten Ruf, es gab ein Ortskrankenkasse, ein Staatliches Gesundheitsamt, ein Postamt und eine Verbindung zur nahen Eisenbahnstation. Bereits am 23. Juni 1936 war dem Ort das Prädikat »Höhenluftkurort« verliehen worden, am 1. April 1939 wurde Marienberg dann mit dem Stadtrecht versehen, für eine relativ kleine Gemeinde eine große Ehre. Dementsprechend groß wurde der Tag gefeiert. Es fand ein festlicher Abend in der Stadthalle statt, am Sonntag wurde eine großes Volksfest gefeiert.[Anm. 31]
0.7.Marienberg zwischen 1933 und 1945
Auch in Marienberg wurde die NSDAP bei den Wahlen zum Reichstag 1932 und 1933 stärkste Partei. Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 bekam die SPD in Marienberg 213, die NSDAP 503, die KPD 106 und das Zentrum 70 Stimmen.[Anm. 32] Bei den Reichstagswahlen am 6. November 1932 wurde die NSDAP erneut stärkste politische Kraft.[Anm. 33]
Die anderen Parteien, die SPD und KPD, hatten vergeblich versucht, den wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten aufzuhalten. Die SPD, der Arbeiter-Sportbund und die Partei "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" agierten vom sog. »Volkshaus« aus, das als Begegnungsstätte diente. Nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten wurde das Gebäude 1933 sofort enteignet und anderen Zwecken zugeführt. Im Jahr 1938 zog das Staatliche Gesundheitsamt in das Gebäude ein.[Anm. 34]
Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933, der letzten Wahlmöglichkeit während des Nazi-Regimes wurde die NSDAP mit Abstand stärkste Partei. Für Marienberg endete die Wahl mit folgender Stimmverteilung: 578 (NSDAP), 186 (SPD), 98 (KPD) und 24 (Zentrum).[Anm. 35]
Da in Marienberg seit Mitte des 19. Jahrhunderts keine Menschen jüdischen Glaubens mehr wohnten, konnte es in der Stadt zu keinen, der an vielen Orten des Westerwaldes zu beobachtenden Schikanen, Verfolgungen und Deportationen jüdischer Mitbürger kommen.
Das Regime war allgegenwärtig. Besonders hartnäckige politische Gegner, wie etwa Hermann Kempf, der den Marienberger Widerstand gegen die neuen Machthaber oftmals anführte, wurden gnadenlos verfolgt und eingesperrt. Die Partei organisierte auch in Marienberg martialische Aufmärsche. In Marienberg bestanden SA- und SS-Formationen, es gab die Hitlerjugend, das Jungvolk, den Bund deutscher Mädchen, die NS-Frauenschaft, die NS-Volkswohlfahrt, die Organisation »Kraft durch Freude«, die Arbeitsfront, den NS-Beamtenbund, eine Ortsgruppe der Parteimitglieder und weitere nationalsozialistischen Organisationen. Reichspräsident von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler wurden Ehrenbürger von Marienberg. Die Hakenkreuzfahne wehte an Tagen, an denen die Gemeindevertretung tagte, über dem Rathaus[Anm. 36]
Als am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, blieb Marienberg von direkten Kriegseinwirkungen zunächst verschont. Die zum Wehrdienst eingezogenen Männer fehlten aber auf den Feldern, auch in diesem Krieg musste die Bauern Teile der Ernte an den Staat abführen. Lebensmittel wurden im Laufe der Zeit knapp.
Ab Herbst 1944 wurden bei Gehlert, Kirburg, Roßbach, Helferskirche, Oberelbert in den Wäldern Abschussrampen für sog. Vergeltungswaffen (V1 und V2-Raketen) geschaffen.[Anm. 37] Das Entladen der V-Waffen geschah auch auf den Bahnhof in Korb. Dann kam der Krieg auch nach Marienberg. In der Triftstraße fielen am Nachmittag des 05. November 1944 Luftminen. Am 23. Februar 1945 fielen zwei Sprengbomben auf die Stadt, es gab 1 Toten und 16 Verwundete. Am 21.März 1945 wurde der Bahnhof Marienberg durch Sprengbomben schwer beschädigt. Am 22. März 1945 wurde das Marienberger Lager des Reichsarbeitsdienstes beschossen. Bei Langenbach stürzte am 24. Dezember 1944 ein deutsches Flugzeug (Messerschmitt Vf 110) der Luftwaffe ab. Alle Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Ein abgeschossenes Flugzeug fiel in ein Haus in der Karlstraße und tötete ein Kind.[Anm. 38]
Viele Marienberger litten unter den Kriegen und Unrechttaten der »nationalsozialistischen« Machthaber. So starben auf den Kriegsschauplätzen in Europa mehr als 100 Soldaten. Etliche Stadtbewohner starben in Konzentrationslagern, waren dort inhaftiert oder saßen in anderen Gefängnis ein.
Am 27. März 1945 gegen 10:30 Uhr marschierten amerikanische Truppen, aus Richtung Altenkirchen kommend, in Marienberg ein. Auf dem Kirchturm, auf dem Rathaus und auf einigen Häusern hatten viele Menschen weiße Flaggen gehisst. Ein in der Bismarckstraße stehende deutscher Munitions-LKW wurde in Brand geschossen. Als er explodierte, wurden einige der umstehenden Häuuer beschädigt, bei der Detonation sollen auch einige deutsche Soldaten ums Leben gekommen sein.[Anm. 39] Zivile Opfer gab es in der befreiten Stadt aber keine. Der Zweite Weltkrieg war auch für Marienberg endlich beendet.
0.8.Marienberg in Rheinland-Pfalz
Die Amerikaner errichteten ihr Hauptquartier in der Turnhalle, die heute als Stadthalle dient ein. Es gab eine nächtliche Ausgangssperre, alle Waffen mussten abgegeben werden, die Amerikaner suchten in den Häusern nach versteckten deutschen Soldaten. Bürgermeister Karl Gäb wurde abgesetzt und schließlich Ernst Steup zum Bürgermeister ernannt. Dieser schickte sich umgehend an, die Verwaltung wieder funktionsfähig zu machen.
Gemäß einem Abkommen verließen die Amerikaner Mitte Juli 1945 Stadt und übergaben sie der französischen Besatzungsarmee. Die Franzosen behandelten die Deutschen anfangs härter als die Amerikaner dies getan hatten. Erst später wurde das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten besser. Marienberg war jetzt Teil des Oberpräsidiums Rheinland-Hessen-Nassau.
Mit der Bildung der Bundesländer kam Marienberg zum Land Rheinland-Pfalz und wurde Teil des Westerwaldkreises.
Am 10. August 1967 wurde der Stadt der Titel »Bad« verliehen, nachdem sie bereits 1961 das Prädikat »Kneipp-Kurort« erhalten hatte.
Am 7. Juni 1969 wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Eichenstruth, Langenbach bei Marienberg und Zinhain nach Bad Marienberg (Westerwald) eingemeindet.[Anm. 40]
Seit 1963 ist die Gemeinde Ville de Pagny-Sur-Moselle Partnergemeinde der Stadt Bad Marienberg.[Anm. 41]
Die Jugendherberge wurde in den Jahren 1958/1959 erbaut und ihrer Bestimmung übergeben.[Anm. 42]. Der Wildpark entstand 1969.[Anm. 43]
Der Verbandsgemeinde Bad Marienberg(Westerwald) gehören heute 18 Gemeinden an: Stadt Bad Marienberg, Bölsberg, Dreisbach, Fehl-Ritzhausen, Großseifen, Hahn bei Marienberg, Hardt, Hof, Kirburg, Langenbach bei Kirburg, Lautzenbrücken, Mörlen, Neunkhausen, Nisterau, Nistertal, Norken, Stockhausen-Illfurth und Unnau.
Nachweise
Verfasser: Stefan Grathoff
Literatur:
- Arnoldi, Geschichte [Literaturverzeichnis]
- Gensicke, Landesgeschichte [Literaturverzeichnis]
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg [Literaturverzeichnis]
- Greifenstein, Kriegsschauplatz [Literaturverzeichnis]
- Hayn, Westerwald [Literaturverzeichnis]
- Häbel, Kirchengeschichte [Literaturverzeichnis]
- Hummes, Geschichte des Kirchortes [Literturverzeichnis]
- Kessler, Marienberg [Literaturverzeichnis]
- Steup, Geschichte Bad Marienbergs [Literaturverzeichnis]
Webadressen:
- Offizielle Website der Gemeinde Bad Marienberg: www.badmarienberg.de
Erstellt am: 21.07.2020
Anmerkungen:
- Gensicke, Landesgeschichte S. 4. Die erhaltene Keramik befindet sich im Landschaftsmuseum Westerwald, bzw bei der Außenstelle des Landesamtes für Denkmalpflege in Koblenz. Zurück
- Häbel, Kirchengeschichte S. 207 Zurück
- Häbel, Kirchengeschichte S. 207. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 170 Nr. 19. Zurück
- Gerhard von Wildenburg, immer wieder im Streit mit den Grafen von Sayn, war mit Alheidis von Westerburg verheiratet und ist um 1283 verstorben. Zurück
- Philippi, Siegener UB I Nr. 19; HHStA Wiesbaden Best. 170 II Urkunden, Vorwort. Am 16. Dezember 1255 hatten Graf Otto I. und sein Bruder Walram I. (lebte ca. 1146 bis 1.2.1198) ihre Lande unter sich aufgeteilt und damit die beiden Hauptlinien des Hauses Nassau begründet. Zurück
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 17. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 163; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 16f. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 406. Zurück
- Arnoldi I 153/4; Wenck UB I 332. Zurück
- HHStA Wiesbaden 3036 KHA Inv. 1 Nr. 39. Von den Marienberger Mühlen, die er ebenfalls erhalten haben soll (Gensicke, Landesgeschichte S. 165 und 283.) steht in der Urkundenabschrift nichts. Zurück
- Sie sind aus den Jahren 1427, 1435, um 1450, 1456, 1460, 1461, 1495 und 1500 erhalten. Zurück
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 17f. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 195a Bl. 5v. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 171 W 191; Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S.18. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 195a Bl. 15v. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 195a Bl. 16v. Zurück
- HHStA Wiesbaden Best. 195a Bl. 36v; Häbel, Kirchengeschichte S. 266f. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 347ff. Zurück
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 19. Zurück
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 19. Zurück
- Gensicke, Kirchspiel und Gericht Marienberg S. 19. Zurück
- Jeck, Geschichte 1866 S. 19. Zurück
- Jeck, Geschichte 1866 S. 26ff. Zurück
- Das heutige Kurbad wurde 1976 eröffnet. Zurück
- Jeck, Geschichte 1866 S. 33f., 36, 40ff. und 92. Zurück
- Häbel, Kirchengeschichte S. 194ff. mit weiteren Einzelheiten Zurück
- Jeck, Geschichte 1966 S.47f.; ders. Geschichte 1939 S. 129f. Zurück
- Jeck, Geschichte 1866 S. 60ff. mit den Namen der bei den Kampfhandlungen bzw. infolge des Krieges verstorbenen Marienberger Zurück
- Jeck, Geschichte S. 50f. und S. 89ff. Zurück
- Jeck, Geschichte 1966 S. 65ff. und S. 94ff. mit vielen Einzelheiten zum Festtag. Zurück
- In Eichstruth wählten 11 Einwohner die SPD, 15 die NSDAP, 28 die KPD und 2 das Zentrum. In Langenbach verteilten sich die Stimmen auf 21 (SPD), 198 (NSDAP), 44 (KPD) und 6 für das Zentrum, in Zinhain auf 56 (SPD), 23 (NSDAP), 35 (KPD) und 4 Stimmen für das Zentrum. Zurück
- 170 (SPD), 470 (NSDAP), 123 (KPD) und 18 Stimmen für das Zentrum. In Eichenstruth verteilten sich die Stimmen auf 3 (SPD), 27 (NSDAP), 27 (KPD) und 2 (Zentrum), in Langenbach auf 10 (SPD), 213 (NSDAP), 41 (KPD) und 2 Zentrum, in Zinhain auf 16 (SPD), 63 (NSDAP), 35 (KPD) und 0 stimmen für das Zentrum.Jeck, Geschichte 1866 S. 77. Zurück
- Jeck, Geschichte 1866 S. 92. Zurück
- In Eichenstruth: 26 (NSDAP), 7 (SPD), 15 (KPD) und 2 (Zentrum). In Langenbach: 234 (NSDAP), 9 (SPD), 43 (KPD), 1 (Zentrum). In Zinhain: 28 (NSDAP), 63 (SPD), 42 (KPD), Das Zentrum erhielt keine Stimme. Bei den Wahlen am 19. August 1934, die Adolf Hitler nach dem Tod Hindenburgs zum Reichspräsidenten küren sollten, erhielt der Diktator erneut die weitaus meisten Stimmen. Auch bei der »Volksabstimmung« zum Anschluss Österreichs an das Reich stimmten im Reich 99 Prozent für diese unrechtmäßige Annexion.
Jeck, Geschichte 1866 S. 81 und 86f. Zurück - Jeck, Geschichte 1866 S. 84f. Zurück
- Greifendorf, Kriegsgeschehen S. 49ff. Vgl. https://www.regionalgeschichte.net/westerwald/hachenburg/einzelaspekte/infos-zur-stadtgeschichte/nassau-rheinland-pfalz/themenbereiche/v2-bei-hachenburg-158.html. Zurück
- Greifendorf, Kriegsschauplatz S. 64, 72, 76; Jeck, Geschichte 1939 S. 32ff. mit weiteren Einzelheiten. Zurück
- Greifendorf, Kriegsschauplatz S. 155. Zurück
- Jeck, Geschichte 1939 S. 12. Zurück
- Jeck, Geschichte 1939, S. 111ff. Zurück
- Jeck, Gehscihte 1939 S. 117f. Zurück
- Jeck, Geschichte 1939 S. 127. Zurück