Bad Marienberg im Westerwald

Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe

Das Leben in Marienberg war über viele Jahrhunderte von Land- und Viehwirtschaft geprägt. Trotz Widrigkeiten des Wetters, Fehden, Kriegen und deren Begleiterscheinungen und weiterer Beeinträchtigungen konnten Land- und Viehwirtschaft, Handwerk und bescheidener Handel die Familien im Großen und Ganzen ernähren. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte der Westerwald zu den eher armen Landschaften des Landes.

Um dem abzuhelfen, wurden seit den 1840er Jahren Fachleute in die verarmten Regionen des Westerwaldes geschickt, um zunächst die Ursachen für die verbreitete Armut festzustellen. Nach entsprechenden Untersuchungen wurden mehrere Gründe gefunden: Für die stetig wachsende Bevölkerung reichten die Ackerflächen nicht mehr aus. So versuchte man, durch massive Rodungen neue Ackerflächen zu gewinnen. Da man Holz auch für den Hausbrand, als Baumaterial und in Form von Holzkohle für die Eisenverhüttung benötigt, wurden große Flächen kahlgeschlagen. Die Rodungen führten dabei zu einer gravierenden Bodenerosion. Windschutzgehege, die in den 1940er Jahren dagegen geplant waren, erwiesen sich als nutzlos.[Anm. 1] Die Regierung versuchte auch durch die Bepflanzung der Vizinalwege die Böden zu schützen und Wälder wieder aufzuforsten. Weiter Gründe für die Armut waren wetterbedingte Missernten (1857), heiße Sommer und Trockenheit, denen Sturzregen (1860) und damit einhergehende schlechte Ernten und Krankheiten (Kartoffelfäule) folgten. Negativ wirkte sich auch die Realteilung aus, der althergebrachte Brauch also, den väterlichen Besitz gleichmäßig unter allen Söhnen aufzuteilen. So wurde ein Hofgut immer weiter zerstückelt, bis es keine Familie mehr ernähren konnte.

Bargeldreserven waren in den Familien eher nicht vorhanden. Wollte man sich Geld für dringend benötigte Investitionen leihen, musste bei den Banken im Westerwald[Anm. 2] hohe Zinszahlungen leisten. Abhilfe sollte in Marienberg ein Vorschussverein schaffen, der am 29. Mai 1863 gegründet wurde. Er war der Vorläufer der Westerwälder Volksbank. Über den Vorschussverein sollte eine erschwingliche Geldbeschaffung für in Schwierigkeiten geratene Landwirte und Gewerbetreibende möglich werden. Bereits in den 1840er und 1850er Jahren hatte Friedrich Wilhelm Raiffeisen aus ähnlichen Beweggründen in Weyerbusch, Flammersfeld und Heddesdorf Möglichkeiten für die Unterstützung in Not geratener Landwirte und für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften geschaffen.

Wie reichhaltig und vor allem landwirtschaftlich geprägt Mitte des 19. Jahrhunderts die Berufspalette gewesen ist, hat Christian Daniel Vogel in seiner Beschreibung der Herzogtums Nassau mit einer Liste aller im Amt Marienberg ausgeübten Berufe angefertigt. Danach gingen 1853 ihrer Tätigkeit nach: 14 Bäcker, 2 Bader, 5 Bierbrauer, 2 Blechschmiede, 43 Branntweinbrenner, 1 Buchbinder, 5 Drechsler, 7 Frachtfuhrleute, 1479 Gutsbesitzer (Landwirte), 3 Küfer, 42 Kleinhändler, 21 Leineweber, 2 Lohgerber, 21 Mahlmühlengänger, 8 Maurer, 1 Mühlenarzt, 3 Musikanten, 16 Nagelschmiede, 6 Ölmüller, 1 Sattler, 28 Schneider, 1 Schneidmühle, 6 Schön- und Blaufärber, 2 Schornsteinfeger, 23 Schreiner, 32 Schuhmacher, 1 Strohdecker, 226 Tagelöhner, 5 Wagner, 89 Wirte.[Anm. 3] Die hohe Anzahl der Menschen, die Landwirtschaft betrieben, erklärt sich daraus, dass viele Männer mehrere Berufe hatten, ihren Handwerksberufe nur zeitweise ausübten und weiterhin auch Landwirtschaft betrieben.[Anm. 4]

In den 1880er Jahren schloss sich das Handwerk zu Innungen zusammen. Marienberg wurde an das Westerwälder Eisenbahnnetz angeschlossen. Als man sich letztendlich für eine Streckenführung der Oberwesterwaldbahn über Korb, Unnau, Erbach und Büdingen entschloss, konnte man, als die Bahnverbindung zwischen Westerburg und Hachenburg im Jahre 1886 fertiggestellt war, mehrmals täglich mit dem Postwagen zum Bahnhof Korb fahren.[Anm. 5]

Im September 1927 fand eine große Gewerbeausstellung in Marienberg statt. Sie wurde von dem 1925 gegründeten Handels- und Gewerbeverein für Marienberg und Umgebung veranstaltet. Mehr als 70 Aussteller stellten sich vor. Mehrere Tausend Besucher nutzen die Gelegenheit, tieferen Einblicke in das Marienberger Wirtschaftsleben zu nehmen.[Anm. 6]

Anmerkungen:

  1. Jeck, Geschichte 1866 S. 17 mit einer Karte der zwischen 1838 und 1840 geplanten Windschutzhecken. Zurück
  2. Die Nassauische Landesbank - Nassauische Sparkasse (Wiesbaden) eröffnete 1848 eine Filiale in Marienberg. Jeck, Geschichte 1866 S. 75. Zurück
  3. Vogel, Beschreibung S. 699. Zurück
  4. Jeck, Geschichte 1866, S. 12. Zurück
  5. Jeck, Geschichte 1866 S 32 und S. 40ff. Zurück
  6. Die Ansiedlung von »Industrieunternehmen« gelang nur ganz allmählich: Als Beispiele zu nennen sind etwa die Branntweinbrennerei Albert Häbel (gegründet vor 1800), die Wagenschmiede, das spätere Autohaus Gustav Wengenroth (gegründet 1849), das Baugeschäft und die Zementwaren-Fabrikation Hermann Häbel (gegründet 1850), das Baugeschäft Heinrich Leutzbach (gegründet 1887) und die Buch- und Kunstdruckerei als Filiale des Hachenburger Stammhauses.Jeck, Geschichte 1866 S. 73ff. Zurück