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3.4 Ergebnis des statistischen Abgleichs

Die Klärung der drei meistgenannten Push- und Pull-Faktoren in Auswandererbriefen zeigt, dass zwar wirtschaftlich-finanzielle Gründe für die Auswanderung am meisten genannt werden, danach aber unterschiedliche Faktoren betont werden.[Anm. 1] Schaut man auf das Ergebnis der statistischen Zuordnung aller Zitate in den Auswandererbriefen, zeigt sich die Heterogenität  der Antworten auf die Frage des „Wieso-weshalb-warum?“ von Auswanderungen noch deutlicher. Viele verschiedene Faktoren werden in den Briefen angesprochen: [Anm. 2]

Tab. 3 Übersicht Anzahl Zitate Push- und Pull-Faktoren der Auswanderung

Der Blick auf die Gesamtübersicht aller ausgewertet Zitate zeigt, dass insgesamt zu acht gesellschaftlich-strukturellen Auswanderungsfaktoren Äußerungen in den Auswandererbriefe getätigt wurden und zu vier persönlich-individuellen Faktoren. Von den insgesamt 18 Faktoren der Push- und Pull-Faktoren-Tabelle waren somit 12 Themen in den Briefen für die Auswanderer wichtig (≙ einem Anteil von 66 %). Wenn man davon noch die Themen „Krieg / Militärdienst“ und „Bürgerkrieg“ als „nicht relevant“ für Situationen der Auswanderer ausklammern würde, wären es 12 von 16 Faktoren (≙ einem Anteil von 75 %). Aus der Übersicht lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass ein ganzes „Faktorenbündel“ die Entscheidung zur Auswanderung bzw. den Verbleib im Einwanderungsland beeinflusst. Welches Ergebnis zeigt sich, wenn man die Perspektive der Quellen mit der Forschungsperspektive zu Migration und Auswanderung gegenüberstellt?

Das Ergebnis ist: das heterogene Bild der in den Briefen zu Push- und Pull-Faktoren analysierten Zitate wird von der Forschung bestätigt. Petrus Han führt als Soziologe dazu aus, dass „der Migrationsvorgang ein komplexer Prozess ist, der von seiner Entstehung und von seinem Ablauf her durchgehend multikausal und multifakotrial bestimmt ist.“[Anm. 3]

Der Migrationsforscher Jochen Oltmer schließt sich dem an, indem er bezüglich der Motive zusammenfasst: „Migrationsentscheidungen unterliegen in der Regel multiplen Antrieben.“[Anm. 4] Auch aus der Sicht der regionalen Auswanderungsforschung bestätigt Eric Beres, dass die im Hunsrück im 19. Jahrhundert herrschende Not noch nicht alleine den Ausschlag für eine Auswanderungsentscheidung gab, sondern diese erst durch mehrere Impulse zustande kam[Anm. 5] – was auch von Roland Paul bestätigt wird.[Anm. 6] Das Vorliegen multipler Faktoren ist als gemeinsame Erkenntnis bei allen Forschern feststellbar und spiegelt sich in den exemplarisch ausgewählten Quellen wieder.[Anm. 7]

Anmerkungen:

  1. Siehe Kapitel 3.3. Zurück
  2. Siehe auch Kapitel 2.1. Die Fundstellen aller Zitate sind im Anhang ausgewiesen: Siehe Tab. 3-B: „Belege Anzahl Zitate Push- und Pull-Faktoren der Auswanderung“. Ges.-strukt. = gesellschaftlich-struktureller Faktor, Pers.-indiv. = Persönlich-individueller Fak-tor als Motivation für eine Auswanderung (Einteilung nach Petrus Han, siehe auch Kapitel 2.1). Zurück
  3. Petrus Han: Begriff der Migration und Grundbegriffe der Migrationssoziologie, S. 12. Han benutzt in seinen Ausführungen die passgenauen Begriffe „multikausal und multifakotrial“. Der Duden verweist grammatisch auf die Begriffe „multikausal und multifaktoriell“. Zurück
  4. Jochen Oltmer: Migration: Hintergründe, Bedingungen und Formen. Eine Skizze, S. 25. Zurück
  5. Eric Beres: Auswanderung aus dem Hunsrück 1815-1871, S. 124. Zurück
  6. Roland Paul/Karl Scherer (Hg.): Pfälzer in Amerika = Palatines in America, S. 68. Zurück
  7. Siehe Kapitel 3.4, Tab. 3 „Übersicht Anzahl Zitate Push- und Pull-Faktoren der Auswanderung“. Zurück