Hunsrück

0.12. Wortschatz

0.1.12.1. Dialektwörter in exemplarischer Auswahl

Dieses Kapitel gibt einen exemplarischen Einblick in den Wortschatz der Hunsrücker Dialekte. Die Wortvarianten werden nicht nur aufgeführt, son­dern, wenn es interessant und möglich ist, auch etymologisch erklärt. Es versteht sich von selbst, dass in einer überblicksartigen Publikation wie die­ser zu einem Stichwort, z. B. Brombeere (s. u.), nicht alle singulär vorkom­menden Belege genannt und erläutert werden können. Es ist eine Beschrän­kung auf Formen mit einer gewissen arealen Geltung notwendig. Ebenso ist es nicht möglich, alle lautlichen Ausprägungen, in der ein Wort erscheint, z. B. Bremel, Brämel usw. für ʻBrombeere’ aufzuführen. Deren Nennung er­folgt lediglich exemplarisch. In der Regel werden die erhobenen Varianten in typisierter oder verhochdeutschter Form angeführt, also z. B. Flichte (für Fliicht usw.), Flügel (für Flijel) (vgl. Karte 55 Flügel). Das folgende Wör­terverzeichnis ist alphabetisch nach dem standarddeutschen Stichwort ge­ordnet.

Brombeere

Die Benennungen der Brombeere im Hunsrück lassen sich in drei Typen einteilen. Den größten Bereich des Gebietes nehmen Varianten ein, die zu Brombeere gehören. Im westlichen Raum sind Schwarzbeere und More ver­breitet. Der Typ Brombeere erscheint in zahlreichen lautlichen Spielarten: Brämer, Bromer, Bremel usw. Es fällt auf, dass das zweite Glied ‑beere im Dialekt stark verändert vorliegt. Der Lippenverschlusslaut ‑b- hat sich dem vorangehenden nasalen Lippenlaut ‑m- völlig angeglichen (Assimilation, vgl. auch Kap. 10.3.6.): ‑mbeer > ‑mer. In manchen Fällen ist das auslau­tende ‑r bei ‑mer durch ‑l ersetzt (Dissimilation): ‑mer > ‑mel. Durch den Wechsel von ‑r zu ‑l wird vermieden, dass in dem Wort, das überwiegend im Plural verwendet wird – z. B. Brämere –, zweimal der gleiche Konso­nant, nämlich r artikuliert wird. Das Ergebnis im Falle des genannten Bei­spielworts ist Brämele (Singular: Brämel).

Brombeere bedeutet wörtlich ʻBeere des Dornstrauchs’. Das Erstglied Brom- geht auf mittelhochdeutsch brāme ʻDornstrauch’ zurück. Dieses Wort ist im Stan­darddeutschen untergegangen und nur noch in der Zusammensetzung Brombeere vorhanden. In manchen Dialekten ist es allerdings als Einzel­wort greifbar, und zwar in den Bedeutungen 1. ʻBesenginster’, 2. ʻBrom­beerranke, ‑strauch, ‑gestrüpp’, beide am Niederrhein und im Rheinland, sowie 3. ʻBrombeere’ in einigen Moselorten. Die Herkunft des Wortes ist nicht klar. Es könnte eine indogermanische Wurzel mit der Bedeutung ʻSpitze, Kante, Ecke’ zu­grunde liegen.

Während das Wort Brombeere auf das dornige Rosengewächs als Fruchtträger verweist, wird bei der Bezeichnung Schwarzbeere Bezug auf die Farbe der Früchte genommen. Deren blauschwarze Einfärbung im Rei­fezustand hat das Motiv für die Wortzusammensetzung geliefert.

Sprachgeschichtlich sehr interessant ist der Typ More, der südlich der Mosel zwischen östlich Trier und Bernkastel-Kues auftritt. Meistens kommt das Wort im Plural vor. Auch hier gibt es etliche Lautvarianten: Maare, Mòòre, Määre usw. More geht aus lateinisch mōrum (Plural: mōra) ʻMaul­beere, Brombeere’ hervor. Das Wort stellt als Überbleibsel aus der Römer­zeit ein moselromanisches Reliktwort dar (vgl. Kap. 12.2.1.).

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Flügel (eines Vogels)

Für den Flügel eines Vogels sind im Hunsrück, wie Karte 55 ausweist, vier Bezeichnungen verbreitet. Im Osten findet sich Flügel mit der Dialektform Flijel. Das Wort ist eine Bildung zu dem Verb fliegen und kann als ʻMittel, das zum Fliegen dient’ verstanden werden. Im Norden kommen Flutsche (dialektal Flutsch) und auf kleiner Fläche Flutscher vor. Bei den beiden Substantiven handelt es sich möglicherweise um eine Ableitung von dem Verb mittelhochdeutsch flottichen mit der Bedeutung ʻflattern’. Die punktuell vorkom­mende und daher nicht kartierte Bezeichnung Flitsche (dialektal Flitsch) gehört ebenfalls in diesen Zusammenhang. Sie könnte ursprünglich die Plu­ralform von Flutsche gewesen sein, die auf den Singular überging. Wechsel solcher Art kommen in den Dialekten durchaus vor bei Wörtern, die über­wiegend paarweise auftretende Gegenstände bezeichnen.

Den größten Teil unseres Gebietes nehmen die Varianten des Wortes Flitte ein, und zwar Flitt und Fliit mit jeweils spezifischer Verteilung im Raum, wie die Karte zeigt. Flitte steht wohl im Zu­sammenhang mit mittelhochdeutsch vletach ʻFlügel’, einer Nebenform zu mittelhochdeutsch vetach, dem im Neuhochdeutschen Fittich ent­spricht. Etymologisch besteht Verwandtschaft mit Feder, das auf eine indo­germanische Wurzel mit der Bedeutung ʻfliegen’ zurückgeht.


Westlich einer Linie ungefähr Wadern – Bernkastel-Kues wird der Flü­gel Flichte genannt. Die Dialektvarianten sind Fliicht und Fliit. Die Fliit-Form fällt zwar lautlich mit der Fliit-Variante von Flitte zusammen, ist aber lautgeschichtlich von dieser zu trennen. Flichte erscheint nämlich als Fliit genau in dem Teil unseres Gebietes, in dem ch vor t ausfällt, wie das etwa auch bei Nacht und (er) macht der Fall ist, die im Dialekt z. B. Nòòt und () määt lauten (vgl. Kap. 10.3.7.). Flichte scheint in den bei Flitte (s. o.) skizzierten etymologischen Zusammenhang zu gehören.

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Kamm

Von Süden ragt in den Hunsrück ein Wortareal hinein, das als Bezeichnung für den Kamm Strähl hat (vgl. Karte 56). Davon abgeleitet ist das Verb strählen ʻkämmen’. Die Wörter befinden sich auf dem Rückzug. Das Rhei­nische Wörterbuch (IV, Sp. 115-116) zeigt auf einer Karte, dass das sträh­len-Gebiet im Jahr 1923 nach Osten bis an den Rhein und nach Norden bis etwa Emmelshausen reichte, wiewohl schon damals von vielen kämmen-Belegen durchsetzt.

Dem Verb strählen entspricht im Althochdeutschen mit gleicher Bedeutung strālen. Das Wort gehört wohl zu dem Substantiv althochdeutsch strāla ʻPfeil, Blitzstrahl’, aus dem sich unser heutiges Strahl entwickelt hat. Strähl könnte ursprünglich eine Pluralbildung gewesen sein. Mit Umdeutung von ʻPfeil’ zu ʻZacken’ wäre dann das Wort als eine ʻReihe von Zacken’ zu verstehen.

Die weiteste Geltung im Hunsrück hat das Wort Kamm. Es kommt nicht nur in der Ausdrucksform Kamm vor, die mit der Standardsprache übereinstimmt, sondern über große Flächen auch als Kamb, also mit schlie­ßendem ‑b (vgl. auch englisch comb). Mit dieser Variante setzen die Dialek­te eine sehr alte Vorgängerform fort. Das Althochdeutsche hat kamb. Aber bereits im Mittelhochdeutschen assimiliert sich der Lippenverschlusslaut b dem Lippennasenlaut m. Neben kambe und kamp sind dazumal also schon kamme und kam bezeugt. (Zur Assimilation vgl. auch Kap. 10.3.6.). Kamm steht etymologisch mit Wörtern anderer (historischer) Sprachen in Verbindung, die die Bedeutung ʻZahnreihe, Zahn’ tragen. Somit liegt der Wortprägung das gleiche Motiv zugrunde wie bei Strähl.


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Kirchweih

Die Anfänge der Kirchweihfeste liegen im frühen Mittelalter. Sie wurden ursprünglich zur Erinnerung an die Weihe der örtlichen Kirche abgehalten. Im Laufe der Zeit wandelten sie sich jedoch zu rein weltlichen Veranstal­tungen. In unserer Region gehört das Kirchweihfest zum fixen Bestandteil des Jahresfestkreises. Meist wird es mehrtägig gefeiert und vielerorts hat sich ein typisches Brauchtum entwickelt, zu dem ein geschmückter Baum, ein Straßenumzug, musikalische Darbietungen, Tanzvergnügen usw. gehö­ren.

Das Fest heißt im Hunsrück nördlich des Gebirgskamms – vgl. Karte 57 – überwiegend Kirmes (dialektal Kirmes, Kermes usw.) und südlich davon Kirbe (dialektal Kiiab, Keereb usw.). Die Wortgrenze gehört zur Hunsrückschranke (vgl. Kap. 5). Kirmes geht zurück auf das mittelhochdeutsche Wort kirchmesse, das auch mit ch-Ausfall als kirmesse belegt ist. Es wird ange­nommen – lässt sich allerdings nicht nachweisen – dass mittelhochdeutsch kir(ch)messe die Verkürzung einer Vollform ist, die im heutigen Deutsch Kirchweihmes­se lauten müsste. Die ursprüngliche Bedeutung von Kirmes wäre demnach ʻGottesdienst, der am Kirchweihtag abgehalten wird’. Es folgte Bedeu­tungswandel zu ʻErinnerungsfest am Jahrestag der Kirchweihe’, worauf sich schließlich der bis heute aktuelle Wortsinn ʻVolksfest, Jahrmarkt’ entwi­ckelte.


Wie der Ausdruck Kirmes so hängt auch Kirbe mit Kirchweihe zusam­men. Das Mittelhochdeutsche hat kirchwīhe sowie kirwīhe. Da das zweite Wortglied un­betont ist, kann es zu ‑we reduziert werden. Das Mittelhochdeutsche weist dementspre­chend auch die Variante kirwe auf. Solche Nebensilbenabschwächungen sind keinesfalls ungewöhnlich, vgl. z. B. die Verkürzungen Backes aus Backhaus und Hänsche aus Handschuh (vgl. Kap. 10.2.14.). Der Wandel von w zu b (mittelhochdeutsch kirwe > neuhochdeutsch Kirbe) stellt einen regulären sprachhistori­schen Vorgang dar, der nach r oder l eintreten kann. So sind beispielsweise mittelhochdeutsch farwe und swalwe zu neuhochdeutsch Farbe und Schwalbe geworden.

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Löwenzahn

Die Hunsrücker Bezeichnungen für ʻLöwenzahn’ Aierschop, Aierpu(t)sch, (oft ist die Mehrzahl üblicher: Aierschepp, Aierpe(t)sch), Hahnenspeck (im Westen) und seltener: Bettseicher sowie Pissblume (ebenfalls im Westen) lassen sich bis auf Hahnenspeck (dialektal Hunnenspeck usw.) deuten. Die erste Komponente von Aierschopp und Aierpu(t)sch verweist auf die dotter­gelbe Farbe der Blüte des Gewächses, der zweite Bestandteil ist im ersten Fall Schopf und im zweiten Busch. Mit den Ausdrücken wird auf den roset­tenartigen Wuchs des Blattwerks Bezug genommen, der mit einem Haar­schopf bzw. einem Busch in Verbindung gebracht wird. Verhochdeutscht lauten die Wörter also Eierschopf (Mehrzahl: Eierschöpfe) bzw. Eierbusch (Mehrzahl: Eierbüsche). Im Dialekt hat ‑pusch den alten Anlaut p- bewahrt. Das ‑t- in ‑putsch wirkt verstärkend. Die Wörter Bettseicher (dialektal Bettsäächer u. ä.) sowie Pissblume verweisen auf die harntreibende Wir­kung des Löwenzahns, die sich die Volksheilkunde zunutze macht. Den Elementen ‑seicher und Piss- liegen die im Dialekt keineswegs anstößigen Verben seichen bzw. pissen, beide mit der Bedeutung ʻurinieren’, zugrunde.

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Möhre

Die Dialektbezeichnungen für die Möhre lassen eine wortgeographische Zweiteilung des Hunsrücks erkennen (vgl. Karte 58). Dabei verläuft die Wortgrenze ziemlich genau entlang der Linie, die das Moselfränkische vom Rheinfränkischen trennt (vgl. Kap. 5.). Auf rheinfränkischer Seite kommt Gelbrübe (dialektal Geelrieb u. ä.) vor und auf moselfränkischer Muhre (dialektal Muur, Moor usw.) sowie Muhrte (dialektal Muurt, Mott usw.), die beide etymologisch zusammenhängen. Historische Grundlage ist gleichbe­deutend althochdeutsch moraha mit der Variante more. Die weitere Herkunft ist unge­klärt. Im heutigen Standarddeutschen tritt das Wort als Möhre mit Umlaut­vokal auf, aber in der Zusammensetzung Mohrrübe ist noch die umlautlose Form bewahrt. Die Varianten Muhre und Muhrte bilden eine scharfe Gren­ze, die durch den Nordteil des Hunsrücks verläuft.


Aus heutiger Sicht mag es verwundern, dass die Möhre mit der Farbe gelb in Verbindung gebracht wurde, wie aus dem Kompositum Gelbrübe hervorgeht. Das Motiv für die Bezeichnung wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass bis in das Mittelalter hinein nur weiß- und gelb­fleischige Spielarten des Wurzelgemüses bekannt waren. Erst später ver­drängten die neu gezüchteten orangefarbenen Sorten die ursprünglichen Arten. Das Wort Rübe lässt sich mit gleichbedeutend lateinisch rāpa ver­gleichen, aus dem deutsch Raps entlehnt ist.

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nehmen

Das Wort nehmen (dialektal nemme, um Sankt Goar: numme) kommt ledig­lich im rheinfränkischen Teil des Hunsrücks vor (vgl. Karte 59). Seine Be­deutung entspricht der der Standardsprache: ʻergreifen, fassen, entziehen, sich aneignen’. Die moselfränkischen Dialekte unseres Gebietes kennen das Wort nicht. Sie haben hierfür holen (dialektal hule, hulle, im Westen: hülle usw.). Dieses Verb wird also in einem doppelten Sinn verwendet: 1. wie üb­lich mit der Bedeutung ʻhingehen und herbeibringen’ (z. B. Wein aus dem Keller holen) und 2. eben mit der Bedeutung ʻnehmen’ (z. B. den Hammer am Stiel holen, für den Teig einen Löffel Butter holen, sich in Acht holen). Da – wie gesagt – im Moselfränkischen nehmen im Dialekt nicht vorkommt, wird holen auch mit Verbzusätzen wie ab-, an- auf-, ein-, mit- usw. kombi­niert, z. B. drei Kilo abholen (ʻabnehmen’), ein Paket anholen (ʻanneh­men’), ein Kind aufholen (ʻaufnehmen’), eine Tablette einholen (ʻeinneh­men’), eine Tasche mitholen ʻmitnehmen’). Die Verwendung von holen im Sinne von ʻnehmen’ ist ein auffälliges Merkmal der Hunsrücker Dialekte.


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Senf

Die Römer brachten Gewächse wie Pfeffer, Kümmel und Senf nach Germa­nien. Die einheimische Bevölkerung lernte, wie man die neuen Gewürze verarbeitet und verwendet. Gleichzeitig übernahm sie deren Namen. Das Wort Senf geht auf lateinisch sināpi zurück. Dieses bezeichnet wie der deut­sche Ausdruck sowohl die Pflanze als auch das Gewürz. Die dialektalen Formen neben Senf sind Sennef, Senneft usw. (Zu Entlehnungen aus dem La­teinischen vgl. Kap. 12.2.1.)

Vor allem im Westen und Norden des Hunsrücks ist Moster (dialektal auch: Moschder, Mostert usw.) verbreitet. Hier und da kommt ebenfalls Mostrich (dialektal auch: Moschtrich usw.) vor. Die beiden Wörter gehen auf lateinisch mustum ‘Most, junger Wein’ (zu lateinisch mustus ‘jung, frisch, neu’) zurück. Dass ein Wort für ‘Most’ zur Bezeichnung der Würz­paste verwendet wird, ist mit deren ursprünglichen Herstellungsweise zu er­klären, bei der die (zerriebenen) Senfkörner mit Most angesetzt wurden. Die Ausdrücke bezeichnen also nur die aus den Samen des Gewächses erzeugte Paste und nicht wie Senf auch die Pflanze. Mostert gelangte im 14. Jahrhundert ins Deutsche über das mittelniederländische mostaert, das aus altfranzösisch mostarde, einer Bildung auf der oben erwähnten lateinischen Grundlage, entlehnt wurde. In den Dialekten erfolgte teilweise Kürzung des Suffixes ‑ert zu ‑er, was Moster ergeben hat. Durch Umdeutung entstand im Mittel­hochdeutschen aus mostert die Zweitform musthart. Der Austausch des Namenelements ‑hart (vgl. z. B. Gerhard) gegen ‑rich führte zu neuhochdeutsch Most­rich. (Zu Entlehnungen aus dem Französischen vgl. Kap. 12.2.2.)

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Stachelbeere

Die Hunsrücker Ausdrücke für ʻStachelbeere’ lassen sich einem von zwei Typen zuordnen, nämlich Gruschel oder Druschel. Jeder Typ – Karte 60 demonstriert deren Verteilung im Raum – wird durch zahlreiche Varianten repräsentiert, beispielsweise Greetschel, Grenschel, Griinschel, Gronschel, Gruschel und Greeschel einerseits sowie Dräischel, Dreenschel, Drooschel, Drooschdel, Droonschel, Druschel usw. andererseits. Ähnlich wie bei den Ausdrücken für ʻAmeise’ (vgl. Kap. 12.) hat hier der sprachspielerische Trieb der Sprachgemeinschaft viele Abwandlungen geschaffen. Bei der Form Griinschel hat möglicherweise das Farbadjektiv grün (im Dialekt mit Entrundung zu griin, vgl. Kap. 10.2.4.) hineingespielt, schließlich sind die grünhäutigen Fruchtsorten weit verbreitet.


Die Etymologie von Gruschel lässt sich nicht zweifelsfrei klären. Es gibt eine Verbindung zu altfranzösisch grosele, groisele, neufranzösisch groseille ʻJohannisbeere’ (groseille à maquereau ʻStachelbeere’). Das fran­zösische Wort wurde wahrscheinlich aus altfränkisch *krusil ʻStachelbeere’ entlehnt. Ob Gruschel eine Rückentlehnung aus dem Französischen ist oder direkt aus dem altfränkischen Ausdruck hervorgegangen ist, kann nicht ge­klärt werden. Etymologisch könnte *krusil mit dem Adjektiv kraus zusam­menhängen. Die „Gruschel“ hätte dann ihre Bezeichnung von den gekräu­selten Haaren einer rauhäutigen Unterart.

Der Typ Druschel ist das Resultat einer Lautangleichung (Assimilati­on). Der anlautende Gaumenlaut G- bei Gruschel wurde durch das am Zahndamm gebildete D- ersetzt, da dieser Konsonant dem nachfolgenden r, das die Hunsrücker üblicherweise als Zungenspitzen-r sprechen, artikula­torisch näher steht.

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Strumpf

Das Wort Hose liefert ein Beispiel dafür, dass ein und derselbe Ausdruck im Dialekt und im Standarddeutschen Unterschiedliches meinen kann (vgl. auch Kap. 12.). In weiten Teilen des Hunsrücks hat Hose (dialektal Huuase usw.) die Bedeutung ʻStrumpf’ (vgl. Karte 61). Das Wort bezeichnet hier al­so ein anderes Kleidungsstück als in der Hochsprache, in der es sich auf das ʻBeinkleid’ bezieht. Um zu erklären, warum Hose im Dialekt ʻStrumpf’ und im Standarddeutschen ʻBeinkleid’ bedeutet, muss man einen Blick auf die Sachgeschichte der Gegenstände werfen. Die mittelalterliche Bekleidung für den unteren Bereich des Rumpfs und die Beine bestand aus drei Teilen: zwei Hosen genannten Strümpfen und einer Bruch. Die Bruch war eine Art knielange Unterhose, an der die Strümpfe, also „Hosen“, mit Bändchen be­festigt waren. Als später die drei Einzelteile zu einem einteiligen Kleidungs­stück vereinigt wurden, übertrug man die Bezeichnung Hose auf die ganze Sache. Das Beinkleid heißt dementsprechend in der heutigen Standardspra­che Hose. In etlichen Dialekten aber blieb die ursprüngliche Bedeutung von Hose, nämlich ʻStrumpf’ erhalten und das neu geschaffene Beinkleid erhielt die Bezeichnung Buxe (dialektal Bux/Box). Hose ʻStrumpf’ wird heutzutage in den Dialekten von Strumpf (dialektal Strump usw.) stark zurückgedrängt.


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