Niederheimbach am Mittelrhein

Niederheimbach

Das kleine, von den beiden Rheinzuflüssen Heimbach und Morgenbach begrenzte Gebiet mit den Orten Nieder- und Oberheimbach und Trechtingshausen, kann seine frühe Besiedlung durch vorgeschichtliche Funde und römische Gräber zu Heimbach nachweisen. Der Hauptort N. lag an der römischen Rheintalstraße, und eine Abzweigung des alten Hunsrückweges von Trier nach Bingen senkte sich von Dichtelbach nach Heimbach zum Rhein.
In der fränkischen Zeit bildete das Heimbachtal die Grenze zwischen Nahe- und Trechirgau, die in der späteren Bistumsgrenze zwischen Mainz und Trier weiterlebte.
Im Besitz dieses Gebietes, zu dem noch das Dorf Weiler bei Bingerbrück, aber nur ein Teil von Oberheimbach gehörte, war die Benediktonerabtei Cornelimünster an der Inde bei Aachen. Kaiser Ludwig der Fromme hatte sie um 815 gegründet und sehr wahrscheinlich dieses Gebiet seiner neuen Stiftung zugewendet. Zum Schutz und zur Verwaltung dieses fern gelegenen Grundbesitzes setzte die Abtei als Vögte die Rheinboden von Bingen ein, ab 1213 die Dynasten von Bolanden und nach deren kinderlosem Ableben 1241 deren Verwandten Philipp von Hohenfels, die auf den Burgen Reichenstein (im 11. Jahrhundert erbaut, 1213 erstmals urkundlich erwähnt) und Sooneck saßen; gegen die Ansprüche und Übergriffe dieser Vögte konnte die Abtei den Besitz aber nicht halten. Zwar wurden die Raubburgen Reichenstein und Sooneck wegen der widerrechlich erhobenen Zölle durch den rheinischen Städtebund 1254 zerstört, doch baute sie Philipp von Hohenfels, verstärkt durch die Vautzburg (Rheinstein) und die starke Burg Ehrenfels, wieder auf und setzte seine Gewalttätigkeiten fort. Wegen der dadurch entstandenen schlimmen Lage verkaufte die Abtei ihren Güterbesitz 1270 zu gleichen Teilen an den Erzbischof, an das Domstift und das Mariagredenstift in Mainz, in deren Besitz das Gebiet bis zur französischen Okkupation blieb.
Doch hörten unter der neuen Herrschaft die Bedrückungen durch die gewalttätigen Vögte nicht auf, die nach dem Tode Philipps von Hohenfels 1277 sein Sohn Dietrich fortsetzte. 1282 wurden Reichenstein und Sooneck durch König Rudolf von Habsburg abermals zerstört. Dietrich von Hohenfels konnte entkommen, doch die Ritter von Waldeck auf Sooneck wurden als Landfriedensstörer wie gemeine Verbrecher aufgehängt. An der Richtstätte bei Trechtingshausen soll der Sage nach die Familie von Waldeck zu Seelenmessen für die Gerichteten die Clemenskirche erbaut haben. Doch ist die Kirche schon älteren Ursprungs (Ende 12. Jahrhundert). Der hl. Clemens, der zwischen 96-100 den Märtyrertod durch Ertrinken erlitt, gilt als Schutzpatron vor den Gefahren des drohenden Ertrinkens, und es spricht nichts gegen die Annahme, dass an der in früherer Zeit besonders gefahrlichen Stromschnellenstrecke am Binger Loch eine dem hl. Clemens geweihte Kapelle stand, die Ende des 12. Jahrhunderts umgebaut wurde. Um das erste Gotteshaus ist auch die früheste Ansiedlung von Trechtingshausen zu suchen, die wegen Hochwassergefahr aufgegeben wurde. Für die höher gelegene Siedlung blieb St. Clemens die Pfarrkirche bis 1823 und gab auch dem Ort wahrscheinlich den Namen (altdeutsch truchtin, trechtin = Herr, Gott).
In den Kriegszeiten des 17. Jahrhunderts war die Kirche in Mitleidenschaft gezogen worden. Kurfüsrt Klemens August von Köln soll sie als Dank für Rettung aus schwerer Gefahr bei einer Fahrt durch das Binger Loch Mitte des 18. Jahrhunderts instandgesetzt haben. Prinz Friedrich Wilhelm von Preussen ließ sie 1835 renovieren, weil die von ihm wieder aufgebaute Burg Rheinstein damals keine Kapelle besaß.
Obwohl Rudolf von Habsburg auf dem Reichstag in Erfurt 1290 den Wiederaufbau von Reichenstein untersagt hatte, verkaufte der geflüchtete Dietrich von Hohenfels die Vogtei und Burgstätte Reichenstein an den Pfalzgrafen Ludwig den Strengen, Herzog von Bayern. Er baute die Burg wieder auf, in der Absicht, von hier aus, gestützt auf seinen Besitz um Bacharach, diese Herrschaft rheinaufwärts bis Bingen zu erweitern und Anschluss an das pfälzische Gebiet bis Kreuznach zu gewinnen. Zur Abwendung dieser Gefahr begann der Erzbischof von Mainz als Schutzmaßregel mit dem Bau der Burg Haneck (oberhalb Niederheimbach; hag, hain = Waldeck), auch Hoheneck, spater Heimburg genannt; sie wurde 1305 vollendet. Die nur als Sperrriegel gegen die pfälzischen Absichten auf das Mainzer Gebiet errichtete Burg wurde bedeutungslos, als durch kaiserlichen Entscheid Burg Reichenstein 1344 der Mainzer Kirche endgültig zugesprochen und der Pfalzgraf genötigt wurde, das Mainzer Gebiet zu verlassen. Die Heimburg wurde Mittelpunkt eines Mainzer Untergerichts und Sitz der Amtleute. Schon seit dem 16. Jahrhundert geriet sie in Verfall und wurde 1689 von den Franzosen zerstört. Mit der Burgruine belehnte 1787 der letzte Mainzer Kurfürst den Einwohner Jakob Mertes zu Niederheimbach; nach Aufhebung der alten Lehensverfassung ging die Burg nach einem Beschluss des Präfekten des Rhein- und Moseldepartements durch Erlegung der Summe von 61 Franken in seinen Besitz über (1808). Die Burg wechselte noch mehrmals den Besitzer, bis sie im späten 19. Jahrhundert durch Hugo Stinnes wiederhergestellt wurde.
Abgesehen von kurzfristigen Verpfändungen blieb ab 1344 Mainz im Besitz der Burg Reichenstein. Sie wurde Sitz seiner Amtmänner, bis sie verlassen wurde und verfiel. 1722 gestattete das Domkapitel 4 Trechtingshauser Winzern, gegen Abgabe der Zehnten den Burgberg mit Reben zu bepflanzen. Die Nachkommen dieser Erbpächter, die unter der französischen Verwaltung auch Eigentümer wurden, verkauften die Ruine 1834 an den General von Barfuß, der das erhaltene Torgewölbe zur Wohnung ausbaute und die Burg Falkenburg nannte. Nach mehrmaligem Besitzwechsel gelangte die Ruine 1899 an den heutigen Besitzer, die Familie Kirsch-Puricelli, die sie unter Leitung des Regensburger Architekten Strebel wieder aufbauen ließ.

Aus: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands. 5. Band. Rheinland-Pfalz und Saarland. 2. neubearb. Auflage. Stuttgart (1965)