Römische Palastvilla von Bad Kreuznach
Lage
Folgte man im späten 2. Jh. n. Chr. der Römerstraße von der antiken Siedlung im Bereich des heutigen Bad Kreuznach Richtung Süden an der Nahe entlang nach Hermeskeil, kam man nach etwa 1,5 km an einen kleinen Zufluss in die Nahe. Dem antiken Betrachter bot sich von dort ein eindrucksvoller Blick auf den Südhang des Ellerbachtals. Dort entfaltete sich majestätisch eine Villenanlage am Abhang, die das gesamte Tal überblickte.[Anm. 1]
Erforschung
Heute durchläuft eine Straße die antike Villa. Fährt man auf dieser Straße, sieht man linker Hand die rekonstruierten Fundamentreste des Gebäudekomplexes. Jetzt kann man dort ein Museum besuchen. Ermöglicht wurde die intensive Aufarbeitung der archäologischen Funde durch die Entdeckung zweier großer Mosaiken und dem damit einhergehenden Interesse an dem Fundort.
Zwar wurden schon Ende des 18. Jh. römische Funde an dieser Stelle verzeichnet, doch erst mit dem zufälligen Auffinden des sogenannten Gladiatoren-Mosaik im Jahr 1893[Anm. 2] kam es dort zu regelmäßigeren Ausgrabungen. Eine zusammenhängende und umfassende Ausgrabung wurde jedoch erst nach dem Auffinden des zweiten großen Mosaiks, des Oceanus-Mosaiks, im Jahr 1966[Anm. 3] durchgeführt. Zwischen 1975 und 1980 wurde schließlich ein Drittel des Hauptgebäudes systematisch unter Leitung des Archäologen Dr. Gerd Rupprecht freigelegt.[Anm. 4]
Grabungsfunde und Aufbau der Villa
Während der Ausgrabung unter Dr. Rupprecht wurde der südwestliche Teil der Anlage ergraben. Die gefundenen Fundamente ermöglichten es, das Aussehen und Alter der Villenanlage sehr genau zu rekonstruieren. Man konnte ihre Erbauung in das 2. Jh. n. Chr. datieren. Da das Gebäude strikt symmetrisch zur Mittelachse geplant wurde, konnte eine Grundfläche von ca. 70 auf 80 m ermittelt werden.[Anm. 5] Wegen der Größe des Baus muss man davon ausgehen, dass das Landgut einem hohen Beamten der Region gehörte.
Anhand der Fundamente konnte man auch die Gebäudeart bestimmen. Es handelte sich um eine verwandte Form des sogenannten Peristylhauses.[Anm. 6] Das bedeutet, dass sich die Räume des Gebäudes um einen Innenhof in der Mitte gruppierten. Als Besonderheit kam hier jedoch hinzu, dass sich das ganze Gebäude in Hanglage befand. Man kann von einem dreigeschossigen Bau ausgehen. Das unterste Stockwerk zog sich nur über das nördlichste Drittel der Anlage, da das Gelände nach Süden hin natürlich anstieg.
Betreten wurde das Gebäude über die Nordseite. Diese war daher sehr repräsentativ gestaltet. Deshalb zog sich auch ein Portikus, eine Säulenhalle, über die gesamte Breite der Seite. Zum Innenhof hin öffneten sich die Gebäudeflügel auch mit Säulenhallen. Die Südseite des Baus wurde durch einen großen Raum mit angebauter Apsis zweigeteilt. Dieser Raum beinhaltete das große Oceanus-Mosaik.[Anm. 7] Die beiden Seitenflügel wurden in der Mitte ebenfalls durch einen großen Raum getrennt. An diese drei großen Räume gliederten sich noch eine Vielzahl weiterer kleinerer Räume an.
Ausstattung und Nutzung der Räume
Der Reichtum und die Bedeutung des Eigentümers spiegelte sich nicht nur in der Größe des Anwesens wieder. Auch die Innenausstattung zeugte vom Einfluss des Besitzers. Ein Wasserversorgungs-, sowie Wasserentsorgungssystem sicherten die ständige Verfügbarkeit von frischem Wasser und die Ableitung von gebrauchtem Wasser. Von einer heute versiegten Quelle im Hang oberhalb der Villa kann man eine Leitung aus Tonröhren nachweisen, die das Frischwasser von dort bis zu einem Brunnen neben der Villa leitete. Eine weitere Quelle scheint im Kellergewölbe des Gebäudes gefunden worden zu sein. Rinnen im Fels, die das Wasser um die Vorräte herumleiteten und diese dadurch kühlten, deuten auf diese separate Quelle hin. Aber nicht nur zu lebensnotwendigen Zwecken wurde das Wasser verwendet. Im Hauptraum im Süden ist ein antikes Wasserspiel zu verorten, dass durch Bleileitungen im Boden versorgt wurde.[Anm. 8]
Der Eigentümer leistete sich auch den Luxus einer Fußbodenheizung, die die wichtigsten Räume auch im Winter angenehm warm hielt. Zeugnis von dieser antiken Fußbodenheizung sind die bei der Ausgrabung gefundenen Hohlräume unter den Böden der Räume. Beheizt wurden die Hohlräume von einem externen Heizraum aus. Mit tönernen Heizungsrohren wurde die heiße Luft vom Heizraum in die verschiedenen Räume geleitet. Aus dem Hohlraum unter dem Boden wurde die Luft schließlich durch Röhren in den Wänden nach oben hin entlassen. Diese Art der Heizung wird auch Hypokaustheizung[Anm. 9] genannt. Die Bodenheizung ist allerdings nicht für alle Räume belegt. Zum Beispiel wurde der zentrale Raum im Süden mit dem apsidialen Anschluss nicht beheizt.
Ebenfalls luxuriös war die Wandbemalung der verschiedenen Räume. Einige Räume weisen nur einfarbig verputzte Wände auf, in andere dagegen fand man Fragmente mit sehr hochwertigen Malereien. Hierbei fallen vor allem gemalte Imitationen von Marmorinkrustationen auf. Einige Räume besitzen zwar Verkleidungen aus echtem Marmor, doch war es wohl selbst für den Besitzer der Villa zu teuer, den Porphyr für die gesamte Verkleidung der Räume aus den entfernten Gebieten Griechenlands und Ägyptens zu importieren. Es wurden auch Inschriftenreste auf einem Teil der Malereien gefunden. Sie stammen vermutlich aus einer Tragödie oder Komödie. Zumindest deuten die dabei gefundenen figürlichen Abbildungen darauf hin. Vermutlich wollte der Besitzer so seine Belesenheit und Bildung ausdrücken.[Anm. 10]
Welche Nutzung die einzelnen Räume hatten, ist heute schwierig nachzuweisen. Zwar kann man wegen der Ausstattung des großen Saals der Südseite davon ausgehen, dass er als repräsentativer Empfangsraum gedient haben kann, explizit belegen kann man das aber nicht.[Anm. 11] Zur Ausstattung des Raums gehörten neben dem Wasserspiel und dem großen Oceanus-Mosaik noch ein Triklinium, eine Speiseecke mit steinernen Liegen. Auf das Triklinium weisen Einlassungen im Mosaik am Boden hin. Wahrscheinlich wurde der Raum im Winter nicht genutzt, da er ohne Fußbodenheizung nur schwer beheizbar gewesen wäre.
Als weiterer Raum kann die Küche im Südwesten der Villa identifiziert werden. Dort finden sich Reste eines Backofens. Nebenan, aber räumlich getrennt von der Küche, war eine dreisitzige Toilette untergebracht, deren Überreste man auch heute noch erkennen kann.[Anm. 12]
Mosaiken
Die interessantesten Funde bei der Ausgrabung sind die beiden großflächigen Mosaiken. Das um 1966 gefundene Oceanus-Mosaik maß im Original wohl ca. 8,2 mal 7,4 m. Ausgerichtet auf die Apsis im Hauptraum des Südtracks, zeigt das Mosaik eine Gottheit. Diese kann als Cernunnos, den germanischen Gott der Fruchtbarkeit, oder als Oceanus, einen griechischen Gott aller Gewässer gesehen werden. Als Symbolik für Cernunnos dienen die Hirschgeweihe und die Schlange, die sich einem Halsband ähnlich um seinen Hals ringelt. Die Symbolik des Oceanus wird durch die beiden Meeresungeheuer hinter seinen Schultern ausgedrückt. Eine Verbindung von Oceanus und Cernunnos kommt zu dieser Zeit in Germanien häufiger vor, sodass auch hier von einer Verschmelzung der beiden Gottheiten auszugehen ist. Der Rest des Mosaiks ist mit Wellenmuster bedeckt, die durch verschiedene Wasserwesen und Inseln durchbrochen werden.[Anm. 13]
Das große Mosaik, das schon im Jahr 1894 ausgegraben wurde, zeigt verschiedene Kampfszenen, wie sie für Gladiatorenkämpfe typisch sind. Anders als das Oceanus-Mosaik, ist dieses Mosaik klar geometrisch in verschiedenen Flächen aufgeteilt. Es ist mit 7,4 mal 6,72 m auch etwas kleiner.[Anm. 14] In der Mitte des Mosaiks ist ein Kampf zwischen Menschen und Tieren abgebildet. Um dieses Motiv gruppieren sich Abbildungen der verschiedenen Kampfstile eine Gladiators in der römischen Arena. Jeweils vier Sektoren zeigen den Kampf zwischen verschiedenen Gladiatorentypen und den Kampf zwischen einzelnen Menschen gegen Tiere. Bei den dargestellten Gladiatoren werden alle wichtigen Typen gezeigt. Es kämpfen hier der secutor gegen den retiarius, der murmillo gegen den thraex, der hoplomachus gegen einen weiteren thraex und schließlich noch zwei equites gegeneinander.[Anm. 15]
Die Abbildungen der Gladiatoren stellen ein sehr gutes Bild ihrer jeweiligen Kampfausstattung dar. Ähnliche Abbildungen gibt es in dieser Form nur sehr wenige. Die Mosaiken stellen in ihrer ganzen Pracht kein Beispiel für typische provinzialrömische Mosaikkunst dar. Vielmehr erinnern die beiden großflächigen Mosaiken an die eindrucksvollen Mosaikböden in Rom selbst.
Zerstörung der Villa
Das Ende der prunkvollen Palastvilla an der Nahe fällt mit den Unruhen im späten 3. Jh. n. Chr. zusammen. Die Villa scheint bei einem der Beutezüge der Franken zerstört worden zu sein. Interessanterweise hat man keine wertvollen Gegenstände in den Überresten der Villa gefunden. Es ist davon auszugehen, dass der Besitzer sie schon vor den Unruhen verlassen haben muss.[Anm. 16] Während des 4. Jh. wurde die Villa wieder benutzt. Diesmal diente der Nordtrakt als Wohnfestung gegen die Germaneneinfälle. Doch auch die Festung wurde bald darauf aufgegeben und fiel dem Vergessen anheim, bis die Palastvilla im 19. Jh. wieder entdeckt wurde.[Anm. 17]
Heute steht in der Nähe der römischen Palastvilla ein Museum. Neben Informationen über das Bauwerk werden darin auch viele römische Grabsteine und andere frühgeschichtlichen Funde der Umgebung präsentiert.
Nachweise
Verfasser: Markus Wolf
Verwendete Literatur:
- Guthmann, O.: Bad Kreuznach und Umgebung in römischer Zeit, Bad Kreuznach 1969.
- Hornung, Sabine: Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 2008.
- Rupprecht, Gerd: Bad Kreuznach KH. Herrenhaus eines Landguts. In: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Hrsg. v. Heinz Cüppers. Stuttgart 1990, S. 321-323.
Aktualisiert am: 08.04.2015
Anmerkungen:
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 17. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 321. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 321. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 15. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 322. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 24. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 322. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 33. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 31. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 63-67. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 322. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 28. Zurück
- Vgl. Guthmann, Umgebung, S. 46. Zurück
- Vgl. Guthmann, Umgebung, S. 44. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 40-44. Zurück
- Vgl. Rupprecht, Bad Kreuznach, S. 322-323. Zurück
- Vgl. Hornung, Luxus, S. 88. Zurück