Zur Geschichte von Hochborn, ehemals Blödesheim
Frühe Geschichte
Der Ort Hochborn liegt etwa 270 m über dem Meeresspiegel auf einer Hochebene, die sich an den nördlich des Ortes befindlichen Kloppberg (295 m) anlehnt. Damit zählt die Ortschaft zu den höchstgelegenen Dörfern Rheinhessens. Der ursprüngliche Name der Ortschaft „Blödesheim“, der besonders in neuerer Zeit immer wieder zu Spott führte, wurde 1971 offiziell in Hochborn geändert. Der neue Name spielt sowohl auf die erhöhte Lage des Dorfgebietes, als auch auf die zahlreichen, teilweise heute noch erhaltenen Brunnen an, die das Dorf mit Regenwasser aus einer wasserundurchlässigen Gesteinsschicht im Plateau versorgten. [Anm. 1]
Im Zuge der fränkischen Landnahme, einem umfangreichen Siedlungsprojekt der fränkischen Herrscherfamilie Merowinger im 5. bis 8. Jahrhundert n. Chr., wurden viele Ortschaften neugegründet. Noch heute bezeugen die auf -heim endenden Ortsnamen die fränkischen Neugründungen, die häufig nach dem Ortsgründer benannt wurden. Auch Blödesheim, das in den ältesten Urkunden Blettenesheim oder Bledensheim genannt wird, kann auf den westfränkischen Personennamen Blăd-īn als Koseform *Blădo zurückgeführt werden und stammt wahrscheinlich aus dieser fränkischen Gründungszeit. [Anm. 2]
Die erste urkundliche Nennung Blödesheims ist ungesichert. Im Lorscher Codex ist eine Urkunde aus dem Jahr 782 überliefert, in der Theodo und Authild dem Kloster Lorsch Ackerland in Blatmaresheim schenkten. Dieses Blatmaresheim wurde lange mit Blödesheim gleichgesetzt, jedoch deutete schon Johann Goswin Widder in seinem „Versuch einer vollständigen geographisch-historischen Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rheine“ aus dem Jahr 1787 Blatmaresheim nicht als Blödesheim, sondern zunächst als das bei Frankenthal liegende Flomersheim. 1826 änderte Widder seine Interpretation und ordnete das fragliche Blatmaresheim als eingegangene Wüstung ein. Spätere Autoren wie Karl Johann Brilmayer (1905) oder Jakob Ebersmann (1909) berücksichtigten Widders Argumentation hingegen nicht und hielten an der Deutung einer urkundlichen Nennung von Blödesheim fest. Die neueste Forschung folgt jedoch eher der Interpretation von Widder und sieht die Urkunde von 782 nicht als urkundliche Erstnennung von Blödesheim an. [Anm. 3]
Die genaue Zeit der Ortsgründung im Zeitraum der fränkischen Landnahme (5. bis 8. Jahrhundert) lässt sich daher nicht rekonstruieren, da bis heute kein Fundobjekt aus der Zeit zwischen 500 und 1000 n. Chr. gefunden wurde, an dem sich die Ortsgründung datieren ließe. Verschiedene archäologische Funde aus der Jungsteinzeit deuten jedoch auf menschliche Besiedlung in der Nähe der Hochborner Gemarkung bereits ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. hin. Eine direkte Siedlung auf dem Plateau ist in dieser Zeit hingegen unwahrscheinlich, da das wärmere Klima und die hohe Lage eine Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung aufgrund von drohendem Wassermangel verhinderten. Weitere Funde in der Gemarkung stammen aus der Bronzezeit (ca. 2200 – 800 v. Chr.) und der römisch-geprägten Eisenzeit (ca. 800 v. Chr. bis 500 n. Chr.). [Anm. 4]
Mittelalter
Die erste urkundliche Nennung, die gesichert das mittelalterliche Blödesheim bezeichnet, stammt aus dem Jahr 1070. In dieser Urkunde stiftete der Freie Gerard der Salvatorkirche in Metz Besitz in Eplenseym (Eppelsheim) und eine Kapelle in Blettenesheim (Blödesheim). Obwohl das Patrozinium in der Urkunde nicht genannt wird, handelt es sich wahrscheinlich um die bekannte St. Laurentiuskirche in Blödesheim, die als Eigenkirche der adligen Familie von Gerard gehört haben muss. Das Patrozinium des Heiligen Laurentius ist erst aus der Reformationszeit überliefert. Im Jahr 1203 übertrug Lupold Bischof von Worms und Mainz auch das Patronatsrecht der Kirche in Eppelsheim und deren Filialen in Blödesheim, Hangen-Weisheim und Flomborn auf die Salvatorkirche in Metz. Aufgrund der großen Entfernung nach Metz verkaufte das Salvatorstift 1230 alle Besitzungen und das Patronatsrecht in der Gegend an den Dekan und das Domkapitel des Wormser Domstifts. Damit ging auch das Patronat der Blödesheimer Kirche und der Zehnt des Ortes an die Wormser Domherren. [Anm. 5]
Ab dem Spätmittelalter gehörte Blödesheim zur Kurpfalz. Das genaue Jahr, seitdem dieses Besitzverhältnis herrschte, ist jedoch unklar. In der Urkunde von 1401, auf die sich Ebersmann in seiner Chronik bezieht, wurde Hans von Raßheim der Ort Bledelsheim mit seinem Gericht übertragen. Hans von Raßheim, heute Rosheim, stammte jedoch aus dem Elsass, ebenso wie das genannte Bledelsheim, dem heutigen Blodelsheim. Blödesheim hingegen muss spätestens im 13. Jahrhundert Teil des kurpfälzischen Gebietes gewesen sein, da 1277 von einem Streit zwischen Pfalzgraf Ludwig II. und den beiden Truchsessen der pfälzischen Burg Alzey berichtet wird. Bei der Schlichtung wurden die Truchsesse dazu verpflichtet, die entstandenen Schäden in den kurpfälzischen Dörfern Blödesheim, Monzernheim, Ensheim und Schimsheim zu beseitigen. Im Weistum von Blödesheim, das Ende des 16. Jahrhunderts aufgeschrieben wurde, wird der Pfalzgraf ausdrücklich als Herr über Ort und Gericht genannt. [Anm. 6]
Frühe Neuzeit
1537 bewilligte der Alzeyer Burggraf Burchard von Weiler dem Gericht in Blödesheim nach mehrfachem Wunsch des Schultheißen ein Gerichtssiegel. Der Wortlaut der Übertragungsurkunde mit einer Beschreibung des Wappens ist im Blödesheimer Weistum (Ende 16. Jahrhundert) überliefert. Das Siegel besteht aus einem horizontal geteilten Wappen, das oben einen stehenden Löwen und unten fünf Eichenblätter zeigt. In einem Kreis um das Wappen steht die Umschrift „GERICHTS SIGEL ZV BLEDESHEI(M) 1537“ – das M wurde als Klammer über das i gesetzt. Ab 1682 wurde ein leicht abgewandeltes Siegel verwendet. Die Jahreszahl 1682 steht in einem Feld über dem Wappen. Die Umschrift lautet „BLOESHEIMER GERICHTS : INSIGEL“. Abdrücke der Siegel sind, oft mit leichten Beschädigungen, noch an einigen Urkunden des 17. Jahrhunderts im Gemeindearchiv erhalten und wurden von Pfarrer Ebersmann in seiner Chronik abgezeichnet. [Anm. 7]
Unter Kurfürst Friedrich II. wurde ab 1546 die Reformation in den kurpfälzischen Gebieten vorangetrieben. So wurde auch die Gemeinde in Blödesheim reformatorisch, wobei der Unterhalt der Kirche und des Pfarrhauses weiterhin beim katholischen Wormser Domstift lag. Die zunehmenden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten boten Anfang des 17. Jahrhunderts den religiösen Vorwand für den blutigen Machtkampf der europäischen Mächte, der 1618 zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges führte. 1620 nahmen spanische Truppen Alzey ein und ließen wieder katholische Gottesdienste in der Umgebung stattfinden. 1630 griff der schwedische König Gustav Adolf in den Krieg ein und überschritt 1631 den Rhein, wodurch der reformierte Glauben in den kurpfälzischen Gebieten wieder Fuß fassen konnte. Nach der Niederlage der schwedischen Truppen 1634 bei der Schlacht von Nördlingen und deren darauffolgenden Rückzug wurde erneut der Katholizismus verbreitet. Rheinhessen gehörte im Dreißigjährigen Krieg zu den am stärksten betroffenen Gebieten. Doch neben den andauernden Kriegsgräueln führten Kälte, Hungersnöte, mangelnde Hygiene und die Verwilderung der Umgebung zu schwierigen Bedingungen für die Bevölkerung. Zwischen 1635 und 1637 starben viele Menschen an der sich ausbreitenden Pest. Erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde die Kurpfalz und die reformierte Kirche wieder hergestellt. Nach dem Krieg kam es zu Masseneinwanderungen aus weniger stark vom Krieg betroffenen Gebieten Europas, die beim Wiederaufbau der zerstörten Gegend helfen sollten.
Die Friedenszeit dauerte jedoch nur wenige Jahre an, bevor die Eroberungspläne des französischen Königs Ludwig XIV. zum Ausbruch des Französisch-Niederländischen Krieges (1672 – 1678) führte und erneut Konflikte an den Rhein brachte. Im März 1675 wurden unter anderem die Dörfer Blödesheim und das benachbarte Hangen-Weisheim von französischen Soldaten überfallen, ausgeraubt und beinahe völlig zerstört.
Nur wenige Jahre später brach der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697) aus und führte zu einer französischen Garnison in Mainz, die von der Bevölkerung des Umlandes Kontributionen einforderte. Als die Franzosen abzogen und durch Kurmainzer und Reichstruppen ersetzt wurden, änderte sich nur wenig für die einfache Bevölkerung. Ab 1689 wurde die planmäßige Zerstörung zahlreicher Ortschaften im Zuge der sogenannten Pfalzzerstörung begonnen. 1691 wurde auch Blödesheim durch 400 französischen Reiter gebrandschatzt und zerstört. Nach dem Frieden von Rijswijk 1697 dauerte es Jahrzehnte, bis die zerstörten Orte wieder aufgebaut werden konnte.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts führte der Spanische Erbfolgekrieg zwischen 1701 und 1713/14 erneut zu ausländischen Truppen auf rheinhessischen Gebiet und der Ausbruch der Ruhr, einer schweren Darminfektion, führte zu vielen Toten in der einfachen Bevölkerung. Danach folgte eine Zeit relativen Friedens, in dem die Kriegsschäden langsam beseitigt und der Wiederaufbau vorangetrieben werden konnte. Auch die stark geschwundene Bevölkerungsgröße, die die Kriege und Krankheiten des 17. Jahrhunderts hinterließen, begann sich langsam zu erholen. [Anm. 8]
Seit 1698 wurde die Laurentiuskirche von den Katholiken und Protestanten des Ortes simultan genutzt. Dies änderte sich im Zuge der Pfälzischen Kirchenteilung 1707 bei der die Kirchen in der Kurpfalz zwischen den reformierten und katholischen Gemeinden aufgeteilt wurden. Die Kirche in Blödesheim wurde vollständig der reformierten Gemeinde zugesprochen. Die Katholiken richteten sich eine kleine Kapelle im Obergeschoss des Rathauses ein, die dem Heiligen Martin geweiht war. Der Abriss des baufälligen Gemeindehauses 1857 löste einen langjährigen Streit zwischen der katholischen Gemeinde und der Blödesheimer Ortsverwaltung aus, der letztlich das Ende der katholischen Gemeinde in Blödesheim nach sich zog. [Anm. 9]
Französische Herrschaft bis zum Ersten Weltkrieg
Am 20. April 1792 erklärte das revolutionäre Frankreich den Krieg und nahm im September die linke Rheinseite in Besitz. Bereits zuvor hatten sich die revolutionären Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Rheinhessen verbreitet und fanden durchaus ihre Befürworter. Bis zum Ende der Auseinandersetzungen 1797 verlief die Kriegsfront mehrfach durch das rheinhessische Gebiet hindurch, worunter die Landbevölkerung massiv zu leiden hatte. Dabei machte es meist wenig Unterschied, ob Kontributionen und Frontdienste für französische, pfälzische oder andere Soldaten zu leisten waren. So mussten die EinwohnerInnen aus Blödesheim und Monzernheim nach einem schweren Gefecht am 30. März 1793 bei Flomborn das Schlachtfeld aufräumen und die Kadaver von Menschen und Pferden wegräumen.
Mit dem Frieden von Campo Fornio 1797 endete der Krieg und Frankreich annektierte das linke Rheinufer. Damit wurde auch die Verwaltung auf französische Normen umgestellt. Blödesheim gehörte damit zum Canton Bechtheim im Departement du Mont Tonnerre (Donnersberg) und wurde ab 1803 der Mairie (Bürgermeisterei) von Monzernheim zugeordnet. Dies ging auch mit gesellschaftlichen Veränderungen einher. So wurden die alten feudalen Vorrechte abgeschafft, die Rechtsgleichheit aller Bürger eingeführt und Heirats- sowie Niederlassungsfreiheiten gewährt. Steuern wurden nunmehr an den Staat anstatt an kirchliche oder weltliche Grundherren gezahlt.
Als im Dezember 1798 im Canton Bechtheim sogenannte „Freiheitsbäume“ gepflanzt wurden, war Blödesheim die einzige Gemeinde, die keinen Baum pflanzte. Mit der Nationalreiterei zogen die französischen Unterstützer deshalb von Monzernheim nach Blödesheim. Unter Ansprachen, in denen den BlödesheimerInnen patriotische und politische Trägheit unterstellt wurde, pflanzte man den mit Jakobinermütze und Bändern geschmückten Baum und zelebrierte mit Gewehrsalven.
Im Zuge der Napoleonischen Kriege wuchs der Bedarf an Soldaten, weshalb 1802 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde. Seit 1806 gab es auch für Blödesheim Konskriptionslisten und mehrere Männer aus dem kleinen Ort dienten in der französischen Armee. Bis zum Ende der Befreiungskriege 1813 starben daher drei junge Männer aus Blödesheim für Napoleon. Als im Herbst 1813 die Reste der besiegten französischen Armee den Rhein überquerten, brachten sie das hochansteckende Fleckfieber mit, das in der Folge in den rheinhessischen Ortschaften wütete und auch in Blödesheim mehrere Menschen tötete. [Anm. 10]
Nach dem Ende der Napoleonischen Ära und der Neuordnung Mitteleuropas im Wiener Kongress 1814/15 gehörte Blödesheim ab 1816, mit dem gesamten linksrheinischen Gebiet um Bingen, Alzey, Mainz und Worms zum Großherzogtum Hessen. Nachdem Blödesheim ab 1803 der Bürgermeisterei von Monzernheim untergeordnet war, wurde ab 1832 wieder ein eigener Bürgermeister gewählt.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm auch das Bevölkerungswachstum nach der Stagnation während den Napoleonischen Kriegen wieder zu. So hatte Blödesheim 1815 noch 336 EinwohnerInnen. 1834 wurden bereits 468 EinwohnerInnen verzeichnet (davon 317 evangelisch und 151 katholisch; keine Juden oder Mennoniten). Danach sank die Bevölkerungsgröße jedoch wieder, da ab Mitte der 1830er Jahre vermehrt Menschen aufgrund schlechter Lebensumstände nach Nord- und Südamerika auswanderten. Bis 1870 wanderten so mehr als 53 Personen aus Blödesheim aus. [Anm. 11]
Im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 gab es auch in Blödesheim Einquartierungen von Truppen aus verschiedenen deutschen Gebieten auf ihrem Weg ins französische Kriegsgebiet. Auch Männer aus Blödesheim dienten als hessische Soldaten im Krieg gegen Frankreich. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 fand in Blödesheim eine zweitägige Siegesfeier (3. und 4. März 1871) statt, bei der ausgiebig gefeiert wurde. Ein Jahr später am 3. März 1872 pflanzte man nahe der Kirche eine Linde als Friedensbaum. Der Baum ist heute nicht mehr erhalten. Im Jahr 1892 widmete die Gemeinde Blödesheim den deutschen Soldaten dieses Krieges ein Kriegerdenkmal an prominenter Stelle neben der Kirche. [Anm. 12]
Das 20. Jahrhundert
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war vor allem durch eine allgemeine Modernisierung der Ortschaft geprägt. So wurde um 1900 die Orts- und Verbindungsstraßen gepflastert und erneuert. 1912 trat die Gemeinde der elektrischen Überlandzentrale in Worms bei, wodurch man an das elektrische Netz angeschlossen und bis 1913 mit elektrischer Straßenbeleuchtung ausgestattet wurde. 1905 genehmigte das Großherzogliche Ministerium die Gründung des Wasserversorgungsverbandes für das Seebach, dem 15 Gemeinden angehörten – Abenheim, Bechtheim, Bermersheim, Blödesheim/Hochborn, Dalsheim, Dittelsheim, Frettenheim, Gundheim, Heßloch, Mettenheim, Monzernheim, Nieder-Flörsheim, Pfeddersheim, Westhofen und Osthofen. 1906 konnte das erste Pumpwerk in Osthofen eingeweiht werden. Mit der Verlegung einer Wasserleitung in Blödesheim 1910 endete die Gefahr des Wassermangels, der die hochgelegene Ortschaft in trockenen Jahren immer wieder ausgesetzt war. [Anm. 13]
Am 31. Juli 1914 begann die Mobilmachung deutscher Truppen für den ausbrechenden Ersten Weltkrieg. Aus Blödesheim mussten 82 Männer einrücken – eine hohe Zahl berücksichtigt man, dass Blödesheim 1905 insgesamt 467 EinwohnerInnen hatte. Während viele der eingezogenen Männer patriotische Gefühle für das Kaiserreich verspürten, berichtet die Dorfchronik, dass in der Blödesheimer Bevölkerung zunächst eine verhaltene Stimmung herrschte, die sich nur langsam in Kriegsbegeisterung umwandelte.
Seit Anfang 1915 wurden in Blödesheim und den umliegenden Gemeinden Soldaten einquartiert, während sie eine kurze Ausbildung erhielten, bevor man sie weiter an die Front schickte. Gleichzeitig wurde in der Ratsstube des Schulhauses eine Krankenstation errichtet. Während viele der Männer im Krieg kämpften, halfen russische Kriegsgefangene, die in einem Lager bei Worms untergebracht waren, bei der Ernte. Im Frühjahr 1916 musste ein junger Pilot mit seinem Flugzeug, während einem Übungsflug zwischen Blödesheim und Hangen-Weisheim notlanden, was in den Gemeinden große Aufmerksamkeit erregte. Spätestens ab 1917 nahm die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung jedoch zu. Da die Kriegswirtschaft immer mehr Material benötigte, wurden einige der Orgelpfeifen sowie die größere der beiden Kirchenglocken beschlagnahmt. Der allgemeine Mangel an Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Dingen führte zu einer großen Preissteigerung, die von der einfachen Bevölkerung nur schwerlich bezahlt werden konnte. Der Krieg endete schließlich am 11. November 1918 mit der Niederlage des Deutschen Reiches.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges wandelte sich das Deutsche Kaiserreich zur Weimarer Republik (1918 - 1933). Ende 1918 begann die Besetzung des linken Rheinufers durch französische Truppen, die sich ab Februar 1919 für etwa ein Vierteljahr auch in Blödesheim und den umliegenden Dörfern einquartierten. Die französischen Soldaten traten dabei zwar klar als Sieger auf, behandelten die Ortsbewohner jedoch trotzdem anständig. Der Krieg hinterließ eine schwierige wirtschaftliche Situation, die zu hohen Preissteigerungen und Hyperinflation führte und durch die hohen Reparationszahlungen nur verschlimmert wurde. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich erst Mitte der 1920er Jahre.[Anm. 14]
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler von Reichpräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Die Ergebnisse der Reichstagswahl vom 5. März 1933 in Blödesheim zeigen eine große Unterstützung der Nationalsozialistischen Partei (NSDAP), die mit 191 von 278 Stimmen eine deutliche Mehrheit erhielt. Dieses Wahlverhalten war nicht untypisch für die protestantische ländliche Wählerschaft, die besonders anfällig für das nationalsozialistische und völkische Gedankengut war. Im Zuge der politischen Umgestaltung musste auch der Blödesheimer Gemeinderat ab 1935 einen Eid auf den Führer leisten und ab 1936 alle Gemeindebediensteten einen sogenannten Ariernachweis erbringen, der eine deutsche – und vor allem nicht jüdische – Abstammung bescheinigte.
Bereits am 22. Juli 1933 wurde in Blödesheim eine Ortsgruppe des Reichsluftschutzes gegründet. Diese bot unter anderem Luftschutzlehrgänge an, deren Kosten ab 1937 von der Gemeindekasse gezahlt wurden. Mit dem Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg, für den auch wieder Männer aus Blödesheim in die deutsche Wehrmacht berufen wurden. Wie schon im Ersten Weltkrieg wurden erneut große Metallmengen für die Kriegswirtschaft benötigt, weshalb 1940 erneut eine der Glocken beschlagnahmt wurde. Auch in Blödesheim wurden osteuropäische Zwangsarbeiter eingesetzt, um die fehlende Arbeitskraft der Soldaten auszugleichen. Im März 1945 befanden sich große Teile der deutschen Westfront auf dem Rückzug. In der Nacht vom 18./19. März quartierte sich eine deutsche Einheit mit Panzern, Geschützen und LKWs in Blödesheim ein und verteilte ihre Fahrzeuge auf die Scheunen des Dorfes. Am 20. März rückten amerikanischen Truppen aus Richtung Alzey und Gau-Heppenheim nach Blödesheim vor und begannen mit Kampfflugzeugen und Artilleriebeschuss den Angriff auf das Dorf. In dem etwa vier Stunden dauerndem Angriff verbrannte ein Großteil des untergestellten deutschen Kriegsgeräts in den Scheunen. Das beschädigte Dorf wurde schließlich von amerikanischen Soldaten eingenommen, womit der Krieg für Blödesheim zu Ende war.
Ein Teil der amerikanischen Truppen wurde für etwa vier Wochen in Blödesheim einquartiert, währenddessen eine strenge Ausganssperre herrschte. Danach begann das Dorfleben sich langsam zu normalisieren. Es dauerte jedoch mehrere Jahre, bis alle Schäden beseitigt werden konnten. [Anm. 15]
Nachkriegszeit bis Heute
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Blödesheim der französischen Besatzungszone an. Noch immer befanden sich 45 der ehemaligen Wehrmachtssoldaten aus Blödesheim in Kriegsgefangenschaft und wurden erst nach und nach frei gelassen. Die dadurch fehlenden Arbeitskräfte sowie der allgemeine Mangel an Lebensmitteln und Brennmaterial sorgten für eine schwierige Situation. Als eine der ersten Maßnahmen der Besatzer wurden die bisherigen NS-Anhänger und Parteimitglieder entmachtet und durch politisch unbelastete Personen ersetzt. Am 30. August 1946 wurde auf französische Verordnung das Bundesland Rheinland-Pfalz gegründet. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz und damit die offizielle Neuorganisierung der westlichen Besatzungszonen zur Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Im Laufe der 1950er Jahre nahm die kleine Ortschaft Blödesheim, die 1946 nur noch etwa 260 wahlberechtigte EinwohnerInnen hatte, über 150 Flüchtlinge und Heimatvertriebene auf, die sich teilweise dauerhaft im Ort ansiedelten. Seit der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform von 1969 gehört der Ort zum Kreis Alzey-Worms.
Der alte Ortsname Blödesheim führte im 20. Jahrhundert immer wieder zu Spott und dummen Bemerkungen. Aus diesem Grund beschloss der Gemeinderat im Jahr 1970 eine Umbenennung des Dorfes. Dies führte zu einer deutschlandweiten Medienpräsenz. Die EinwohnerInnen stimmten über die Namen Blödesheim, Bergborn und Hochborn ab und entschieden sich schließlich für den neuen Namen Hochborn, der seit 1. März 1971 offiziell ist. 2001 wurde die Umbenennung des Dorfes noch einmal von den Medien aufgegriffen, als der Moderator Stefan Raab in seiner Sendung TV Total in der Fastnachtszeit für die Rückbenennung des Ortes in Blödesheim plädierte. [Anm. 16]
Seit 1995 wurden im Windpark Hochborn-Gau-Heppenheim 23 Windräder errichtet. Seit 2016 gibt es einen Windkraftlehrpfad, der über die Vorteile der Windenergie informiert und die Akzeptanz für die nahegelegenen Windturbinen erhöhen soll. [Anm. 17]
Am 1. Juli 2014 schloss sich die Verbandsgemeinde Westhofen mit der bisher verbandsfreien Stadt Osthofen zusammen. Seitdem ist Hochborn Teil der Verbandsgemeinde Wonnegau.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
- Ebersmann, Jakob: Geschichte von Westhofen, Monzernheim und Blödesheim. Worms 1909. Online verfügbar: https://www.dilibri.de/urn/urn:nbn:de:0128-3-3437 (aufgerufen am 28.07.2021).
- Grünewald, Mathilde: Geschichte und Geschichten von Hochborn in Rheinhessen. Chronik von Hochborn, bis 1971 Blödesheim. Hrsg. von der Ortsgemeinde Hochborn. Mit einem Vorwort von Herwarth Mankel und einem Beitrag von Prof. Dr. Peter Rothe. Hochborn 2019.
- Krienke, Dieter; Westerhof, Ingrid: Denkmaltopgraphie in Rheinland-Pfalz. Bd. 20.3 Kreis Alzey-Worms: Verbandsgemeinden Eich, Monsheim und Wonnegau. Hrsg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege. Worms 2018.
- Mankel, Herwarth: Blödesheim – ein Ort ändert seinen Namen. In: Heimatjahrbuch Landkreis Alzey-Worms 47 (2012), S. 200 – 201.
- Widder, Johann Goswin: Versuch einer vollständigen geographisch-historischen Beschreibung der Kurfürstl. Pfalz am Rheine. Unveränd. Nachdr. der Ausgabe von 1787. Neustadt an der Aisch 1996. Online verfügbar: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10918959?page=101 (aufgerufen am 28.07.2021).
- Widder, Johann Goswin: Verzeichnis eingeganger Dörfer im Königl. Bayerischen Rheinkreise. In: Intelligenzblatt des Königlich Bayerischen Rheinkeises 9 (1826), S. 562–572. Online verfügbar: https://opacplus.bsb-muenchen.de/Vta2/bsb10387560/bsb:6195567?page=574 (aufgerufen am 28.07.2021).
Aktualisiert am: 28.07.2021
Anmerkungen:
- Vgl. Grünewald 2019, S. 365f.; Mankel 2912, In: Heimatjahrbuch Alzey-Worms 47, S. 200f. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 33. Zurück
- Vgl. Widder 1787, S. 91; Widder 1826, In: Intelligenzblatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises 9, S. 564; Brilmayer 1905, S. 69f.; Ebersmann 1909, S. 172f.; Krienke 2018, S. 232f.; Grünewald 2019, S. 33. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 21 - 31. Zurück
- Vgl. Krienke 2018, S. 232f.; Grünewald 2019, S. 32 - 36. Zurück
- Vgl. Krienke 2018, S. 232f.; Grünewald 2019, S. 70. Zurück
- Vgl. Ebersmann 1909, S. 188 - 192; Grünewald 2019, S. 70 - 76. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 67 - 69. Zurück
- Vgl. Ebersmann 1909, S. 177 - 179; Grünewald 2019, S. 281 - 288. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 164 - 173. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 173 - 189. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 261 - 269. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 325 - 333. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 316 - 324. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 350 - 364. Zurück
- Mankel 2012, In: Heimatjahrbuch Alzey-Worms 47, S. 200f.; Grünewald 2019, S. 365f. Zurück
- Vgl. Grünewald 2019, S. 326f. Zurück