Rheinhessen

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Assimilation von ld/lt zu ll und von nd/nt zu nn

Beispielkarte für Assimilation: Lautvarianten von "Schulter". Die Karte ist durch Anklicken vergrößerbar.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Von Assimilation spricht man, wenn sich in einem Wort ein Laut an einen benachbarten Laut phonetisch anpasst. Grund hierfür ist Sprachökonomie: Verminderung des artikulatorischen Aufwandes. In den rheinhessischen Dialekten erfolgt einerseits bei der Lautfolge ld/lt totale Angleichung von d/t an das vorangehende l, woraus sich ll ergibt, und andererseits bei der Lautfolge nd/nt totale Angleichung von d/t an das vorangehende n, so dass nn entsteht. Beispiele für den ersten Fall sind: schullig ʻschuldigʼ, halle ʻhaltenʼ und Schuller/Schiller ʻSchulterʼ, für den zweiten: finne ʻfindenʼ, annere ʻandereʼ, und unner ʻunterʼ. Die Laute l, n und d/t haben den selben Artikulationsort, nämlich den oberen Zahndamm. In der Artikulationsweise unterscheiden sie sich aber: l ist ein Laterallaut, n ein Nasallaut und d/t ein Verschlusslaut. Bei der Assimilation passt sich der Verschlusslaut vollkommen dem Laterallaut bzw. den Nasallaut an.

Assimilation kommt nur im Wortinnern vor Vokal vor, nicht aber am Wortende. Es heißt daher: schuld/Schuld und (er) hält sowie Hand und Hund. Assimilation ist allerdings am Wortende vertreten, wenn ein ursprünglich auslautendes e regelhaft abgefallen ist. Das ist der Fall z. B. bei Hänn ʻHändeʼ und Hunn ʻHundeʼ. Es ist folgende Entwicklungskette anzusetzen: Hände > Hänne > Hänn, Analoges gilt für Hunde.

Assimilation kann in ganz Rheinhessen verbreitet sein wie z. B. bei finne ʻfindenʼ, oder sie kann nur Teile der Region erfassen wie etwa bei Hunn ʻHundeʼ und Schuller ʻSchulterʼ. Die Karte Schulter zeigt exemplarisch die räumliche Verteilung von nicht assimiliertem Schulder und assimiliertem Schuller. Darüber hinaus dokumentiert sie das Vorkommen der assimilierten Variante Schiller, die einen zu i entrundeten (→ Entrundung) Umlaut ü aufweist. Verhochdeutscht lautet sie also Schülter.