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Schnuller
Gefragt wurde nach der Bezeichnung für den Gummisauger, der Kleinkindern zur Beruhigung gegeben wird. Es ist möglich, dass die Frage nach dem Gummisauger an der Babyflasche zwar nicht großflächig, aber hier und da zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
Gummisauger kamen nach dem Ersten Weltkrieg auf. Bis dahin beruhigte man schreiende Säuglinge mit einem Saugläppchen oder Saugbeutel. Grundlage war jeweils ein dünnes Leinentüchlein, das man mit Süßem (z. B. Honig, Obstmus, Zucker) entweder tränkte oder zu einem Säckchen band.
Die überlieferten Dialektbezeichnungen für Saugläppchen und ‑beutel wurden auf den neuen Gummisauger übertragen. Vielen dieser Ausdrücke liegt ein Wort für ‘saugen’ zugrunde. Häufig gehören sie etymologisch zusammen. Das Wort Schnuller ist erst seit dem 18. Jh. belegt. Es ist ein Nomen Instrumenti auf ‑er zu dem nicht wesentlich älteren Verb schnullen ‘saugen’, das wohl lautmalend ist. Im Arbeitsgebiet des Atlasses sind darüber hinaus die ein kleines Areal bildende Form Schnulle (dialektal Schnoll u. ä.) sowie das Diminutiv Schnullchen (dialektal Schnollche) belegt.
Aus der Südostpfalz wird Suckel (dialektal Suggel u. ä.) gemeldet. Das Wort ist eine Rückbildung aus dem Verb suckeln ‘heftig saugen, lutschen’, das eine Intensivbildung zu saugen darstellt. Wahrscheinlich auf einer Abwandlung von suckeln beruht das Verb nuckeln ‘saugen’, zu dem das Substantiv Nuckel (dialektal Nuggel u. ä.) gebildet ist. Um eine lautliche Variante von nuckeln könnte es sich bei dem Dialektverb nuddeln ‘saugen, lutschen’ handeln, aus dem Nuddel als Bezeichnung für ‘Schnuller’ rückgebildet wurde. Durch phonetische Vereinfachung könnte aus nuddeln das gleichbedeutende Verb nullen entstanden sein. Davon abgeleitet ist die Instrumentalbildung Nuller. Dem Diminutiv Nullchen (dialektal Nollche) liegt das aus dem Verb abgeleitete Substantiv Null ‘Schnuller’ zugrunde, das in dieser Form vom Atlas nicht erhoben wurde, gleichwohl aber im Pfälzischen Wörterbuch (IV, 1017) verzeichnet ist. Nicht auszuschließen ist allerdings auch ein Zusammenhang von nullen mit lullen (vielleicht gekreuzt mit nuckeln). Das lautmalende Verb lullen war bis ins 16. Jh. mit der Bedeutung ‘saugen, lutschen’ in der Schriftsprache vertreten. Heute verwendet man es nur noch im Sinne von ‘leise in den Schlaf singen’. Manche Dialekte haben jedoch die alte Bedeutung bis heute bewahrt.
Luppes, das sich flächenhaft von der unteren Nahe nach Westen fortsetzt, ist eine Ableitung von dem Dialektverb luppen ‘saugen, lutschen’. Das Suffix ‑es dient in den Dialekten zur Substantivbildung, vgl. z. B. pfälzisch Dolles ‘ungeschickter Mensch’, Buppes ‘Gesäß’ und Dampes ‘Alkoholrausch’.
Bei Pfeifchen (dialektal Peifsche) liegt Bedeutungsübertragung vor. Man wird hier nicht ‘Tabakspfeife’ als Ausgangsbasis annehmen, sondern ‘Rohr, das als Tonerzeuger dient’. Das Motiv für die Wortübertragung könnte die Ähnlichkeit der Gegenstandformen geliefert haben. Hier ist besonders an die Trillerpfeife zu denken. Von Bedeutung ist selbstverständlich auch, dass Schnuller und Pfeife mit dem Mund in Berührung kommen. Pfeife – seit dem 8. Jh. belegt – ist aus dem Romanischen entlehnt. Der Ausdruck lässt sich zurückführen auf das lautmalende Verb lateinisch pīpāre ‘pfeifen, piepen’.
Bei Dudel liegt das gleiche Motiv der Bedeutungsübertragung wie bei Pfeife vor. Dudel (dialektal Duddel) bezeichnet im Pfälzischen, aber auch in anderen Dialekten eine Pfeife oder Flöte. Das Wort beruht wahrscheinlich auf Schallnachahmung. (Vgl. auch das Verb dudeln ‘eintönig und andauernd auf einem Musikinstrument spielen’). Zu erwägen ist auch eine Verbindung von Dudel zu dem Substantiv Tutte (dialektal Dudd) ‘Frauenbrust’.
Zapfen (dialektal Zabbe u. ä.) sowie Stopfen (dialektal Stobbe) bezeichnen in den arealen Varietäten eigentlich den Pfropfen, Stöpsel zum Verschließen von Behältnissen wie Fass, Bütte, Flasche usw. (vgl. dazu die Karte 61.1.). Offensichtlich ist auch hier als Grund für die Bedeutungsübertragung Ähnlichkeit von Form und Funktion der Denotate anzuführen. Wie man das Spundloch des Fasses zustopft, so wird auch der offene Mund des schreienden Säuglings zugestopft.
Mit Dudu haben die Gewährsleute offensichtlich eine Variante genannt, die Kindern gegenüber verwendet wird. Es handelt sich hierbei um ein kindliches Lallwort. In zwei der drei Fälle werden eine oder zwei weitere Varianten angegeben. Es ist anzunehmen, dass dies die normalsprachlichen, unmarkierten Dialektausdrücke sind.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.